Seminarvorankündigung:
KI und Pharmarecht
Um Krankheiten besser zu verstehen und wirksame Therapien zu entwickeln, sind digitale Tools der entscheidende Schlüssel. Nur so können Forschende zum einen schneller bestimmen, ob eine Idee tragfähig ist oder zum anderen die Zeit bis zu einer erfolgreichen Zulassung deutlich verkürzen. Das eröffnet der Medizin ganz neue Möglichkeiten und KI wird damit auf das Gesundheitswesen einen entscheidenden Einfluss haben.
Bei dieser Entwicklung kommen den rechtlichen Rahmenbedingungen eine erhebliche Bedeutung zu, da nur so in der Gesellschaft eine breite Akzeptanz für digitale Gesundheitslösungen und für die KI-gestützte Entscheidungsfindung in der Pharmaindustrie erreicht werden kann.
Die weitreichenden Auswirkungen der KI-VO
Für Pharmahersteller stellt sich nun die Frage, welche regulatorischen Anforderungen sie beim Einsatz von künstlicher Intelligenz einhalten müssen. Der zentrale Gegenstand der KI-Verordnung der EU (AI Act) sind KI-Systeme mit hohem Risiko, die umfassenden Dokumentations-, Überwachungs- und Qualitätsanforderungen unterliegen. Die Nutzer und Anbieter von KI-Systemen mit hohem Risiko tragen die Hauptlast der Anforderungen.
Was passiert aber, wenn KI-Systeme gegen diese Anforderungen verstoßen und ein Schaden entsteht? Fehlverhalten kann bei KI-Systemen oft schwer zugeordnet werden („Blackbox“-Effekt). Wenn kein menschliches Versagen (z.B. im Rahmen der Wahl, des „Anlernens“, der Überwachung oder der Verwendung des KI-Systems) festgestellt werden kann, sondern eine Sorgfaltspflichtverletzung „der KI selbst“ vorliegt (programmtechnisches Versagen), scheidet eine Zurechnung des unrecht-mäßigen Handelns aus. Diese bestehenden Unsicherheiten im Hinblick auf die Haftung beim Einsatz von KI-Systemen sollen durch zwei neue – die KI-VO flankierende – europäische Rechtsakte vermindert werden: Die KI-Haftungs-RL und die Novelle der Produkthaftungs-RL. Veränderungen wird es danach künftig insbesondere im Deliktsrecht sowie im Produkthaftungsrecht geben.
Überschneidungen mit anderen Regelwerken
Neben der allgemeinen Regulierung von KI durch die KI-VO gibt es weitere Vorgaben, die für die Arbeit mit KI von Bedeutung sind und zu einer Überschneidung bei den Regelwerken führen.
So sind bei KI-basierten Medizinprodukten grundsätzlich sowohl die Verordnung über Medizinprodukte (MDR) beziehungsweise die Verordnung für In-vitro-Diagnostika (IVDR) und auch die KI-VO von Relevanz, zumal eine Vielzahl KI-basierter Medizinprodukte im Sinne der MDR/IVDR gleichzeitig als sogenannte „Hochrisiko-KI-Systeme“ im Sinne der KI-VO zu qualifizieren sein werden.
Der KI-VO greift im Vergleich zur MDR und IVDR neue Anforderungen auf. Dies wird im Ergebnis zu einer erheblichen Mehrbelastung der App-Entwickler im Konformitätsbewertungsverfahren führen. Die stellenweise Überschneidung der Anforderungen zwischen der MDR, IVDR und der neuen KI-Verordnung wird dadurch aufgelöst, dass die Sicherheitsrisiken der KI-Systeme den Anforderungen der KI-VO unterliegen, während die Sicherheit des Produkts insgesamt nach der MDR geprüft wird.
KI und Gesundheitsdaten
Neben den allgemein bzw. übergeordnet geltenden Gestaltungsprinzipien der Digitalstrategie der EU sind für die sektorspezifischen Datenräume spezielle Verordnungen vorgesehen, die konkrete Rahmen-bedingungen für die jeweilige Verwaltung und Infrastruktur beinhalten sollen. Für den Gesundheitssektor ist dies die EU-Verordnung über den europäischen Raum für Gesundheitsdaten (EHDS). Bislang wird der Austausch von Gesundheitsdaten innerhalb der Union vor allem durch eine uneinheitliche Rechtslage gehemmt. Nach den geltenden Vorschriften der DSGVO sind den Mitgliedstaaten im Bereich der Gesundheitsdaten einige Spielräume gegeben, so insbesondere die Öffnungsklausel in Art. 9 Abs. 4 DSGVO für die Verarbeitung von sensiblen Daten, von der sie in unterschiedlichem Umfang Gebrauch gemacht haben. Um die Qualität und Verfügbarkeit medi-zinischer Versorgung in der EU auf einem hohen Niveau zu halten, lautet die Devise der Europäischen Kommission nun also: Hindernisse im Gesundheitsdatenaustausch abbauen.
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