Der Erfolg einer S/4HANA-Transformation hängt maßgeblich davon ab, welchen konkreten Nutzen sie für das Unternehmen bringt. Ein gutes Prozessmanagement und eine klare Dokumentation helfen dabei, Veränderungen erfolgreich umzusetzen, einheitliche Standards zu etablieren und Abläufe stetig zu verbessern. Erfahren Sie, welche strategischen und praktischen Erkenntnisse DHL Group aus ihrer S/4HANA-Transformation gewonnen hat – und wie andere Unternehmen davon als Best-Practice-Beispiel profitieren können.
Die Ausgangssituation: Die Finanzorganisation des weltweit führenden Logistikanbieters DHL Group betreut mehr als 350 Gesellschaften, die eine Vielzahl stark angepasster ERP-Systeme nutzen. Um Effizienzpotenziale zu erschließen und Innovation zu fördern, hat DHL Group den Aufbau eines einheitlichen S/4HANA Accounting-Systems für die Divisionen Express, Post & Paket und eCommerce sowie den Bereich Group Functions beschlossen – Greenfield, Cloud-Ready und basierend auf dem Clean-Core-Prinzip. Im Rahmen dieser Transformation werden standardisierte Template-Prozesse eingeführt. Eine zentrale Programmorganisation treibt das Vorhaben voran und verantwortet die globale Prozess-Governance für die beteiligten Organisationen.
Das Wichtigste zuerst: Anforderungen erfassen und Template-Prozesse designen
Individuell angepasste Systeme und Prozesse führen zu kostspieligen technischen Schulden, die Veränderung und Innovation behindern. Daher hat DHL Group auf der Basis des SAP S/4HANA Standards gemeinsame Template-Prozesse entwickelt. Als ersten Schritt hat DHL Group die Anforderungen der relevanten Stakeholder gesammelt: von Anwendern in den Konzerngesellschaften über divisionale Experten bis hin zur zentralen Prozessorganisation. Zudem unterstützten SAP-Berater und Prozessspezialisten von EY als Vertreter des SAP-Standards.
Das zentrale ERP-Transformationsteam arbeitet divisions- und funktionsübergreifend. Ein globales cross-funktionales Expertenteam wurde frühzeitig in die Prozessdefinition eingebunden. Ihre Anforderungen bildeten die Grundlage für die Template-Prozesse. Diese Prozesse werden dann den lokalen Gesellschaften im System erklärt. Im Rahmen einer anschließenden Fit-Gap-Analyse werden ihre zusätzlichen Anforderungen erfasst. Die Dokumentation der Template-Prozesse erfolgt im SAP Signavio Process Manager. Die Dokumentation ist von entscheidender Bedeutung: Sie dient als gemeinsame Sprache für die Prozessdiskussion und enthält Prozesshierarchien und -abläufe, verwendete Apps sowie funktionale Rollen und Verantwortlichkeiten.
Rollout
Aufgrund der Vielzahl der beteiligten Gesellschaften führt DHL den Rollout in Wellen durch, bei denen die Prozessorganisation, die Divisionen und Vertreter der Gesellschaften eng zusammenarbeiten. Die Dokumentation in SAP Signavio gibt den Teams in den Gesellschaften einen Überblick über die neuen Prozesse und erleichtert den gezielten Einstieg in das System für Hands-on-Demonstrationen.
Signavio ist außerdem der Startpunkt für detaillierte Operating Procedures, die wesentliche Aufgaben, Entscheidungskriterien und Prozessverbindungen erklären. Dies ersetzt die klassischen separaten Operating Procedures in statischen Dokumenten. So werden alle Informationen in einem einzigen Tool zusammengefasst. Bei Prozessänderungen sind die notwendigen Aktualisierungen sofort ersichtlich.
Im Rollout-Prozess haben sich die Leistungsfähigkeit und der Wert der Prozessorganisation gezeigt. Das zentrale Team bündelt Anforderungen aus Divisionen und Gesellschaften. Dank seiner umfassenden End-to-End-Sicht kann es die Template-Prozesse gegen übermäßige Anpassungen verteidigen und gemeinsam mit den Nutzern zum Standard passende Lösungen für ihre individuellen Anforderungen entwickeln. Dafür hat DHL Group klare Entscheidungskriterien eingeführt: rechtliche Anforderungen, geschäftsmodellspezifische Gründe und Effizienzsteigerung mit nachgewiesenem Business Case. Die Standardisierung ist ein ständiger Dialog, um mit den Nutzern auf Augenhöhe Verständnis und Akzeptanz für die neue Lösung zu schaffen.
Kontinuierliche Verbesserung und Optimierung
Standardisierung ist nicht die einzige Rolle der Prozessorganisation. Zu ihren Aufgaben gehört auch, neue Anforderungen zu identifizieren, zu bewerten und umzusetzen. Dafür ist ein strukturierter Requirements-Prozess implementiert worden, der Transparenz über den Fortschritt der Anforderungen bietet. Darüber hinaus stellt das Prozessteam sicher, dass die Prozesse wie geplant funktionieren.
Lessons Learned
Die Erfahrungen von DHL Group bieten mehrere wichtige Erkenntnisse für Organisationen, die Transformationsprogramme durchführen.
- Stellen Sie die Business Requirements in den Mittelpunkt
Die Einführung von SAP S/4HANA oder anderen ERP-Lösungen aus rein technischen Gründen führt nicht zu ausreichendem Nutzer-Engagement. Der Hauptfokus sollte auf Prozessoptimierung und der Förderung von Innovationen liegen. Bei DHL Group treibt die CFO diese Transformation. Die gesamte Finanzorganisation ist bei jedem Schritt eingebunden. Die Prozessorganisation unterstützt mit ihrer funktions- und abteilungsübergreifenden Perspektive dabei, die Balance zwischen spezifischen Anforderungen und Standardisierung zu finden. - Dokumentieren, dokumentieren, dokumentieren
Die Prozessdokumentation kann sich wie eine mühsame Verwaltungsaufgabe anfühlen. Tatsächlich ist sie jedoch ein Schlüssel zu einer erfolgreichen Transformation und zur Beschreibung des Projektscopes. Eine solide und umfassende Dokumentation ermöglicht es den Nutzern, die Auswirkungen von Systemänderungen auf Ihre Prozesse schnell zu bewerten. Umgekehrt kann das Projektteam verstehen, wie das Template geändert werden muss, um neue Geschäftsanforderungen zu unterstützen. - Denken Sie „kontinuierlich“
Eine SAP S/4HANA-Transformation erfordert eine Prozesstransformation. Aber die Transformation endet nicht nach der Implementierung der neuen Prozesse und dem Go-Live Ihres neuen ERP-Systems. Im RUN-Betrieb müssen Prozesse überwacht, optimiert und an neue Anforderungen angepasst werden. Die Prozessdokumentation und das Architecture Management helfen, Optimierungspotenziale zu identifizieren, die Auswirkungen von Veränderungen auf Systemkomponenten zu analysieren und betroffene Nutzer und Schulungsbedarfe zu identifizieren. Die globale Prozessorganisation muss sich von einer Rollout- zu einer Betriebsorganisation weiterentwickeln und gemeinsam mit den Anwendern Regelprozesse für diese neuen Aufgaben etablieren. Im Zuge des weiteren Rollouts plant das Team, Process Mining mit SAP Signavio Process Insights zur Überwachung der Prozess-Performance zu nutzen. Bei zunehmendem Volumen identifiziert Process Insights Bereiche, die optimiert und automatisiert werden müssen.
Fazit
Die S/4HANA-Transformation von DHL Group zeigt, dass der Schlüssel zum Erfolg über die reine Technologie hinausgeht. Ein konsequentes Prozessmanagement und eine effektive Change Management Strategie sind ein zentraler Erfolgsfaktor. Die enge Einbindung der Fachbereiche, eine transparente Prozessdokumentation und der kontinuierliche Dialog mit den Anwendern schaffen nicht nur Akzeptanz, sondern auch messbaren Business-Nutzen.