M&A-Transaktionen sollen den Unternehmenswert durch Stärkung der Marktposition, Zugang zu neuen Technologien oder durch Synergien steigern. Früher erfolgte eine Transformation nach der Transaktion – heute ist sie oft Voraussetzung für die Wertsteigerung. Unternehmen nutzen den Wandel um Geschäftsmodelle, Prozesse und Systeme zu optimieren. Dank fortschrittlicher Technologien, Methoden und erfahrener Dienstleister sind Herausforderungen besser beherrschbar. In diesem Special werden zentrale Erfolgsfaktoren anhand von Fachbeiträgen und Praxisbeispielen erläutert.
M&A-Transaktionen gehören zu den komplexesten Vorhaben, die ein Unternehmen im Laufe seines Lebenszyklus durchlaufen kann. Sie haben sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Früher galten sie als risikoreich, kosten- und zeitintensiv, und nicht alle konnten die prognostizierte Wertsteigerung erzielen. Heute ist der Anteil der erfolgreichen Transaktionen deutlich gestiegen.
Transformation als Erfolgsfaktor
Der Erfolg einer Transaktion wird an der Erreichung des Zielbilds gemessen, insbesondere an der Realisierung der prognostizierten Synergien und neuen Geschäftschancen. Laut einer
Deloitte-Umfrage betonen 90 Prozent der befragten Unternehmen aus dem Corporate-Sektor und 93 Prozent der Private-Equity-Investoren die zentrale Rolle einer erfolgreichen Transformation. In der Vergangenheit wurde aus Risikoerwägungen die Transformation oft erst in einem zweiten Schritt nach der Transaktion begonnen. Das führte oft zu einem langen und kostspieligen Weg, um die Ziele der M&A-Transaktion zu erreichen. Inzwischen tendieren erfahrene und erfolgreiche Unternehmen zu einer frühzeitigen Transformation. 69 Prozent der befragten Unternehmen beginnen vor oder während der Transaktion mit der Transformation, um den Wert des Unternehmens zu steigern.
Was haben der Goldmedaillengewinner von Paris im Rudern, Oliver Zeidler, und eine erfolgreiche M&A-Abteilung gemeinsam? Drei essenzielle Faktoren gelten für Spitzensportler wie auch M&A-Abteilungen: 1. Mentale Stärke: 2. Disziplin: 3. Teamarbeit:
Oliver Zeidler hat sein Zielbild zu Beginn klar gesetzt und konsequent verfolgt, der weltbeste Ruderer im Einer zu werden und die Goldmedaille in Paris zu gewinnen.
Oliver hat mehr als den einen Wettkampf in Paris gewonnen. Durch sein kontinuierliches und intensives Training hat er seine Leistung im Laufe der Jahre stetig gesteigert.
Die Unterstützung seiner Coaches, seiner Familie und Freunde und nicht zuletzt seines Arbeitgebers geben ihm den Rückhalt, diese Höchstleistungen zu erbringen.
Unterstützende Faktoren für eine Transformation
M&A-Transaktionen sind heute erfolgreicher als früher. Wie Olympiasieger Oliver Zeidler haben Unternehmen ihre Kompetenzen und Fähigkeiten systematisch ausgebaut. Drei Faktoren versetzen sie in die Lage, eine Transformation im Rahmen einer Transaktion mit überschaubarem Risiko erfolgreich durchzuführen:
- Unternehmen konzentrieren sich früher auf die wertsteigernde Transformation zum Zielbild,
- Organisationen verbessern kontinuierlich ihre internen Transaktions- und Transformationsfähigkeiten,
- das externe Ökosystem entwickelt seine
Leistungen ebenfalls kontinuierlich weiter.
Zielbild:
Mit einer Transaktion verknüpft ein Käufer die Vision eines angestrebten Zielzustandes. Der Preis, den er zu zahlen bereit ist, reflektiert den erwarteten Wert, den er aus dem Erwerb ziehen möchte. Die Definition des Zielbilds klärt, welche Aspekte zur Wertschöpfung beitragen, und welche Teile der Organisation transformiert werden müssen, um den Zielzustand zu erreichen. Neben dem naheliegenden Werttreiber Synergien spielen moderne Technologien eine zentrale Rolle, da sie grundlegende Veränderungen und Wachstumspotenziale ermöglichen können.
Unternehmen nutzen das transformative Momentum von Transaktionen, um neue Fähigkeiten, digitale Geschäftsmodelle und effizientere Prozess- und Systemlandschaften einzuführen. Technologie leistet heute einen wesentlichen Beitrag zur Wertschöpfung.
Interne Fähigkeiten:
Die Transaktions- und Transformationsfähigkeit hat sich deutlich verbessert. Serienverkäufer oder -integratoren erzielen höhere Wertschöpfung aus ihren Transaktionen, indem sie funktionsübergreifende M&A-Fähigkeiten etabliert haben, die auf den Säulen Menschen, Prozesse und Plattformen basieren. M&A-Teams, bestehend aus einem eingespielten Ökosystem aus internen Mitarbeitern, transaktions-geschulten Fachbereichsmitarbeitern und externen Beratern, haben ihre Vorgehensweise über mehrere Transaktionen hinweg trainiert.
Darüber hinaus haben die Einführung und weite Verbreitung agiler Arbeitsmethoden Unternehmen flexibler und anpassungsfähiger gemacht. Organisationen haben gelernt, schneller auf Veränderungen zu reagieren und ihre Prozesse dynamisch anzupassen. Die Verknüpfung von Business und IT, für viele Transformationen von zentraler Bedeutung, ist inzwischen weit verbreitet.
Schließlich haben viele Unternehmen erkannt, dass kontinuierliches Lernen, Veränderungsbereitschaft und Innovation für den Erfolg von Unternehmenstransformationen entscheidend sind. Ihre Investitionen in Innovation und Entwicklung haben das Engagement der Mitarbeiter deutlich erhöht und ein positives Umfeld für eine erfolgreiche Transformation geschaffen.
Externe Fähigkeiten:
Die Entwicklung externer Faktoren unterstützt eine schnellere Transformation hin zum Zielbild. Der Wandel zu globalen und unternehmensübergreifenden Geschäftsmodellen und Plattform-Ökosystemen hat dazu geführt, dass Prozesse und Systeme komponentenorientiert gestaltet wurden. Dadurch wurden Schnittstellen geschaffen, die die Flexibilität erhöhen und die Zusammenarbeit mit internen und externen Stakeholdern erleichtern.
Entwicklungen der Technologieplattformen, bei Unternehmenssoftware und IT-Architekturen, ermöglichen die schnellere Integration neuer Fähigkeiten, Prozesse und Services. Auch Cloud-Dienste und flexible Serviceverträge helfen, den Integrationsprozess zu beschleunigen.
Insgesamt sind Unternehmen, Architekturen und Dienstleister heute besser auf Transformationen vorbereitet.
Handlungsempfehlungen für einen erfolgreichen Transformationsprozess
Im Folgenden geben wir Ihnen die fünf wichtigsten Handlungsempfehlungen für einen erfolgreichen M&A-getriebenen Transformationsprozess. Ausführlichere Informationen und Best Practices aus verschiedenen Transaktionen finden Sie in den Beiträgen dieses Specials.
1. Einbindung von Technologie-Know-how vor Transaktionsstart:
Erfolgreiche Akteure haben sichergestellt, dass technologisches Wissen bereits vor Beginn der Transaktion Teil der Diskussion ist. Die Vision des zukünftigen Zielbilds, die Option direkt zu transformieren sowie die finanziellen und zeitlichen Implikationen sollten dem M&A-Team schon vor dem Deal bekannt sein.
2. Schaffung von Transparenz:
Der erste und entscheidende Schritt in einer Transaktion ist die Schaffung von Transparenz, um ein ehrgeiziges, aber erreichbares Zielbild für die zukünftige Organisation zu entwickeln. Damit die Transaktionspartner die Stärken und Schwächen beider Organisationen besser einschätzen und von den besten Fähigkeiten lernen können, müssen sie das Geschäftsmodell, die Geschäftsprozesse, die Daten und die Systemlandschaften genau kennen.
Dr. Karl Popp und Steffen Wittmann (SAP) beleuchten in ihrem Beitrag, wie SAP mit der Integration von Signavio und LeanIX ein Toolset entwickelt, Transparenz in Transaktionen zu beschleunigen.
3. Frühzeitige Festlegung auf ein klares Zielbild und ein passendes Integrationskonzept:
Der Schlüssel für eine effektive Transaktion und Transformation ist die frühzeitige Definition eines klaren Zielbilds. Dieses Zielbild muss die Integrations- und Transformations-Ambitionen des zukünftigen Unternehmens reflektieren. Hiervon leiten sich die Integrationsprinzipien und das passende Integrationskonzept ab. Zu den wichtigsten Integrationskonzepten zählen Absorption, Anbindung, „Best-of-Both-Worlds“ und Neugestaltung.
Das traditionellste und weiterhin häufig angewandte Integrationskonzept ist die Absorption. Hierbei wird das übernommene Unternehmen vollständig auf die Plattform des Käufers – einschließlich Organisation, Prozesse und Systeme – migriert. Dies vereinfacht zwar die Abstimmung bei der Integration; allerdings erfolgt die eigentliche Transformation oft erst in einem nachgelagerten Schritt.
Für manche Transaktionen und Unternehmen, insbesondere solche mit speziellen digitalen Fähigkeiten, könnte der Versuch einer Absorption die Grundlage des Unternehmens zerstören. Das Integrationskonzept der Anbindung ist hier eine häufig eingesetzte Alternative. Dabei bleibt das übernommene Unternehmen größtenteils auf einer unabhängigen Plattform und es findet nur eine minimale Integration statt, um die Zusammenarbeit zu ermöglichen, Compliance-Anforderungen gerecht zu werden oder Synergien zu schaffen. Dieser Ansatz ermöglicht es, die Transaktion zu realisieren, ohne die einzigartigen Werte und Fähigkeiten des übernommenen Unternehmens zu gefährden.
Prof. Stefan Henningsson (CBS) und Jakob Schuldt-Jensen (Maersk) erläutern im nachfolgenden Beitrag, wie Maersk das Konzept Anbindung zum Erwerb digitaler Fähigkeiten nutzt.
Der „Best-of-Both-Worlds“-Ansatz zielt darauf ab, die Stärken und Kompetenzen beider Transaktionspartner optimal zu nutzen, um eine bessere, neue Struktur zu schaffen. Dieser Ansatz erfordert eine gründliche Analyse beider Unternehmen, um die Elemente zu identifizieren, die eine effiziente Zusammenarbeit ermöglichen und den größten zukünftigen Mehrwert schaffen. Ein zentraler Erfolgsfaktor ist der Aufbau gegenseitigen Vertrauens, das die Grundlage für die Zusammenarbeit und einen offenen Dialog bildet. Dies fördert das Lernen und hilft, bestehende Lösungen einem gemeinsamen, transformierten Zielbild unterzuordnen. Kommunikation, Kooperation und Transformationsfähigkeit sind die Kernkompetenzen, über die die beteiligten Mitarbeiter verfügen müssen. Obwohl das Konzept komplex ist und ein hohes Maß an Abstimmung erfordert, ermöglicht der ehrliche und respektvolle Austausch zwischen den Partnern, die besten Lösungen zu finden, gemeinsam ein Zielbild zu entwickeln und über diesen Prozess als Unternehmen zusammenzuwachsen.
Sebastian Weber und Nils Scheller (E.ON) erläutern in ihrem Beitrag die Transformation der E.ON und wie „Best-of-Both-Worlds“ Erfolgsfaktor der innogy-Integration wurde.
Auch Marc Votteler (Schaeffler) beschreibt im Rahmen der Integration von Vitesco den „Best-of-Both-Worlds“-Ansatz und die Entwicklung zu einer Benchmark-IT.
Die Neugestaltung ermöglicht eine effiziente Transformation in einem Schritt. Dazu werden beide Unternehmen auf eine neue, gemeinsame Plattform migriert. Im Rahmen der Neugestaltung werden historisch gewachsene Prozesse und Systeme konsequent ausgetauscht und häufig auf den Industriestandard gehoben. Diese zukunftsorientierte Methode bietet die Möglichkeit, Altlasten und Ineffizienzen zu beseitigen. Der Ansatz ist mit einem hohen Change-Management-Aufwand verbunden. Da im Rahmen einer Transaktion ohnehin eine Überarbeitung der Prozesse und Systeme erforderlich ist, stellt dieser Ansatz eine wesentliche Beschleunigung der Transformation dar.
Der Beitrag von Constantin Hellweg (Deloitte) beschreibt, wie die SAP S/4HANA Cloud Public Edition eine beschleunigte Transaktion in wenigen Monaten ermöglicht.
4. Strategische Planung zur Priorisierung der wertschaffenden Initiativen
Strategische Planung ist unerlässlich, um eine erfolgreiche Transformation im gesetzten zeitlichen Rahmen zu gewährleisten. Die Initiativen müssen entsprechend ihres potenziellen Wertbeitrags priorisiert werden. Es müssen adäquate Ressourcen bereitgestellt, realistische Zeitpläne festgelegt und Verantwortlichkeiten zugewiesen werden. Die größte Herausforderung liegt typischerweise im Management der Abhängigkeiten zwischen den Arbeitspaketen.
5. Disziplinierte Umsetzung mit Einbindung der Mitarbeiter
Damit die Transaktionspartner die Stärken und Schwächen beider Organisationen besser einschätzen und von den besten Fähigkeiten lernen können, müssen sie das Geschäftsmodell, die Geschäftsprozesse, die Daten und die Systemlandschaften genau kennen. Diese sollten über die erforderlichen technischen und fachlichen Fähigkeiten verfügen, Erfahrungen mit Transformationsprozessen mitbringen, den Willen zum Wandel haben und in der Lage sein, ihre Mitarbeiter für das Neue zu begeistern und auf die Reise mitzunehmen. Die aktive Einbindung der Mitarbeiter in die Transformationsmaßnahmen ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Transformation.
Wir sind zuversichtlich, dass Sie durch die folgenden Beiträge wertvolle Einblicke für Ihre eigenen Transaktionen und Transformationsprojekte gewinnen werden.
Mehr über Einblicke in M&A-Transaktionen erfahren unter: www.deloitte.com
Der Autor:
Dr. Marcus Pankow, Partner bei Deloitte Strategy, Analytics und M&A, leitet das Market Offering M&A IT. Seit 2007 berät er Unternehmen in Branchen wie Energie, Automobil, Chemie, High-Tech und Life Sciences an der Schnittstelle von Business und Technologie. Mit seinem Team unterstützt er bei der strategischen Planung und Steuerung von M&A-Projekten entlang des gesamten Lebenszyklus, mit Fokus auf Wertsteigerung durch technologischen Wandel und digitale Transformation.
Mitwirkende an dieser Publikation:
Johanna Frey, Binbin Lian Hung, Paul Axmann, Christopher Blegen, Deloitte Consulting