Working Capital Management (WCM) ist nicht neu und sollte in jedem Unternehmen fest verankert sein. Das gilt vor allem bei Unternehmen, deren Geschäft einer starken saisonalen Schwankung unterliegt. Der bayerische Sportbelagshersteller SPORT GROUP stellt sich dieser Herausforderung mit einem ganzheitlichen WCM-Ansatz. Dieser basiert auf hoher Datentransparenz durch BI-Tools, fest definierten Prozessen und konsequenter Umsetzung.
Die SPORT GROUP entwickelt, produziert, vertreibt und installiert weltweit Kunststoff- und Kunstrasenbeläge im Sport- und Freizeitbereich. Dabei kommt es zum Beispiel aufgrund der klimatischen Verhältnisse sowie Einbauzeiträumen in den Ferien zu einer natürlichen saisonalen Verlaufskurve des Geschäfts. Dies stellt grundsätzlich kein Problem dar, bedingt jedoch eine zusätzliche Komponente im WCM , der die Unternehmensführung Rechnung tragen muss. Verstärkt wird dieser Umstand durch die Verwerfungen in den globalen Supply Chains
der letzten Jahre. Angefangen bei den Auswirkungen der COVID Pandemie auf die Weltmärkte bis hin zum Krieg in der Ukraine.
Diese Entwicklungen können mögliche Zielkonflikte von CEO, COO und CFO verstärken. So kann z.B. eine gut gefüllte Sales Pipeline hohe Vorratsbestände rechtfertigen, gleichzeitig jedoch den Mindestliquiditätsanforderungen des Unternehmens widersprechen. Ein ganzheitlicher Working-Capital-Optimierungsansatz setzt deshalb einen bereichsübergreifenden Schulterschluss aller unternehmensübergreifender Prozesse voraus. Dieser muss zwangsläufig beim Top-Management beginnen.
Sales and Operations Planning als übergreifendes Management-System
Die SPORT GROUP hat einen global standardisierten Sales- & Operational Planning Process (S&OP) eingeführt, um das Working Capital zu optimieren. Dieser umfasst einen monatlich rollierenden Performance-, Demand- und Supply-Review. Entscheidend dabei sind die Transparenz und die Abstimmung aller Beteiligten von Vertrieb, Einkauf und Produktion anhand eines einheitlichen Plans. Engpässe in der Supply Chain oder auch in der Produktion werden frühzeitig sichtbar, so dass mit Hilfe von Szenarien Maßnahmen getroffen werden können. Das Produktionsprogramm wird somit besser an die Lieferungen angepasst. So konnten durch Einführung der sogenannten „Frozen Zone“ – also die Fixierung der Produktionsaufträge für zwei Wochen – Rüstvorgänge signifikant reduziert werden. Die Produktivität wurde um bis zu 40 Prozent gesteigert.
Herausforderungen und Lösungsansätze des integrierten Bestandsmanagements
Disruptive Supply Chains der Rohmateriallieferanten speziell im Bereich Polymere und Polyurethane, Preisschwankungen sowie das starke Saisongeschäft bei der Installation der Sportbeläge haben in der Vergangenheit immer zu überhöhten Sicherheitsbeständen geführt.
Daher wurde als erste Maßnahme ein Einkaufsstopp auf Commodity-Ebene mit globalem Freigabesystem durch das Management eingeführt. Im zweiten Schritt hat die SPORT GROUP ein globales Bestandscockpit (BI-System mit Integration ins ERP-System) auf SKU-Level (stock keeping unit) aufgebaut. Dadurch wurden Minimum- / Maximum-Bestände auf SKU-Level definiert und eine „Systemfüllung“ für die Werke berechnet, d.h. ein Minimumbestand, der eine effiziente Produktion der Fabriken gewährleistet. Flankierend wurde eine Ein- und Auslaufsteuerung von Neuprodukten oder Varianten eingeführt. Hierdurch konnten die Altbestände von Garnen und Kunstrasenteppichen um bis zu 30 Prozent reduziert werden. Erfolgsfaktor analog zum Sales and Operations Planning (S&OP)-Prozess ist, Bestände zur „Chefsache zu erklären“ und wöchentliche Reportingtermine mit Beteiligung der regionalen CEOs zu etablieren.
Liquiditäts-Management als Grundlage für Management-Entscheidungen
Voraussetzung für die Umsetzung der genannten Maßnahmen ist eine detaillierte Kenntnis der Liquiditätssituation. Daher müssen die beschriebenen Prozesse stets vor dem Hintergrund der verfügbaren Kapitalausstattung ablaufen. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, deren Liquidität allein aufgrund saisonaler Schwankungen regelmäßig einen unterjährigen Minimalpunkt erreicht.
In diesem Fall ist die Definition einer Minimum-Liquidität erforderlich. Diese stellt jene Ausstattung mit liquiden Mitteln dar, mit der das Unternehmen und seine Teileinheiten nachhaltig steuerbar sind. Dazu bedarf es sowohl einer genauen Analyse der Zahlungsströme der Vergangenheit als auch einer möglichst genauen Prognose künftiger Ein- und Auszahlungen. Eine reine Extrapolation von Vergangenheitsdaten wird hier regelmäßig zu bestandsgefährdenden Risiken führen, weil kein Geschäftsjahr dem anderen gleicht und auch keine Saisonkurve exakt über die der Vorperioden gelegt werden kann. Deshalb muss die Minimum-Liquidität einem rollierenden Test mit Hilfe einer 13-Wochen-Liquiditätsprognose unterzogen werden, die dezentral in den jeweiligen Unternehmenseinheiten mit Daten befüllt und zentral vom Group Treasury zusammengefahren und gechallenged wird.
Forderungs-Management als integrierter Bestandteil des Liquiditäts-Managements
Dabei kommt es nicht darauf an, mit einer einfachen Rechenübung den Vorjahreswert vorzutragen, sondern die konkreten Erkenntnisse über künftige Einzahlungen und Auszahlungen zu erfassen. Dies wird bei der SPORT GROUP mit Hilfe eines gruppenweiten Forderungs- und Verbindlichkeiten-Managements sichergestellt.
Startpunkt ist ein integrierter täglicher Cash-Report, der sowohl konsolidiert als auch auf Ebene sämtlicher Teileinheiten die verfügbaren Mittel aufzeigt. Auf dieser Basis werden auf einer gemeinsamen Plattform sämtliche offenen Posten im Bereich der Accounts Receivables (A/R) und Accounts Payables (A/P) analysiert und die überfälligen Posten an die jeweiligen Teileinheiten zurückgespielt. Jeder fällige Posten wird in dieser Datenbank kommentiert, geclustert und bewertet. Daraufhin festgelegte Next Steps werden wöchentlich in einer kaskadierenden Meeting-Struktur mit den Verantwortlichen durchgesprochen. Das Ganze mündet schließlich in einem wöchentlichen Cash Desk, an dem das vollständige Senior Management, inkl. des Group-C-Levels, beteiligt ist.
Die Ergebnisse dieser Analyse werden wiederum automatisiert in die 13-Wochen-Liquiditätsvorschau übernommen. Weiter in der Zukunft liegende Perioden werden mit Schätzwerten aufgefüllt, die sich am aktuellen Geschäftsverlauf und kurzfristigen Erfolgsprognosen bemessen. Aus dieser Systematik ergibt sich so ein integriertes Bild der aktuellen und künftigen Liquiditätssituation, das es dem Management ermöglicht, Entscheidungen unter massiver Reduzierung der Unsicherheit zu treffen.
Zusammenfassung und Lessons Learned
Working-Capital-Potenziale zu identifizieren und erfolgreich umzusetzen bedingt eine hohe Transparenz durch BI-Systeme und einen Teamspirit aller Funktionen, der vom C-Level vorgelebt werden muss. Entscheidend ist dabei die Operationalisierung: also Ziele und Meilensteine zu definieren, eine Erfolgskontrolle durch C-Level-Beteiligung zu etablieren und eine regelmäßige Kommunikation innerhalb des Kernteams und zu den Mitarbeitern sicherzustellen. Gelingt diese Balance aller Ebenen, hat man eine Cash-Kultur im Unternehmen verankert.
Die Autoren:
Christoph von Nitzsch ist CEO der SPORT GROUP. Er ist als Verantwortlicher auf Turnarounds und komplexe Transformationsprozesse im internationalen Umfeld spezialisiert.
Dr.-Ing. Klaus Hauschulte ist als COO der SPORT GROUP verantwortlich für R&D, Operations, Supply Chain, Quality and Recycling. Zuvor war er CEO bei Scholz Recycling und Operations-Chef bei Siemens Windpower und Benteler Automotive.
Mathias Schwägerl ist CFO der SPORT GROUP und verantwortet die Bereiche Finance, HR, Legal, PMO und IT. Zuvor arbeitete er bei PwC und studierte in Ingolstadt und London.