Vom immobilen Betongold zum Werthebel der industriellen Transformation
Florian Schwalm
Marcello Zhang

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Die deutsche Wirtschaft steckt in einer tiefen Transformation, die Investitionen und finanzielle Spielräume erfordert. Unternehmensimmobilien gewinnen dabei einen neuen, strategischen Stellenwert: Sie können als Hebel zur Finanzierung der Transformation dienen. Viele Unternehmen schöpfen dieses Potenzial jedoch noch nicht aus. Nur durch professionelles Corporate Real Estate Management (CREM) lassen sich die vollständigen Wert- und Renditepotenziale von Immobilien erschließen – für kurzfristige Effizienzgewinne und langfristige Wettbewerbsfähigkeit.

Die deutsche Industrie im Transformationsdruck

Die deutsche Industrie befindet sich in einer historischen Umbruchphase und sieht sich dabei einem zunehmend komplexen Marktumfeld gegenüber. In Schlüsselbranchen wie der Automobil- und Konsumgüterindustrie sowie dem Maschinenbau schrumpfen die Umsätze und Gewinne deutlich – bedingt durch internationale Lohnkostenunterschiede und eine intensivierte Wettbewerbssituation. Gleichzeitig erfordert die ökologische, technologische und geopolitische Transformation hohe Investitionen: Allein die Dekarbonisierung verschlingt jährlich rund 220 Milliarden Euro – bei immer kürzeren Produktzyklen und wachsender Unsicherheit.

Doch während der Kapitalbedarf steigt, verschärfen sich die Finanzierungsbedingungen. Banken vergeben Kredite restriktiver, vor allem in zyklischen Branchen – klassische Finanzierungswege werden zunehmend zum Engpass. Die Konsequenzen sind bereits sichtbar: Die Insolvenzen von Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern stiegen 2024 um über 44 Prozent: der höchste Stand seit der Finanzkrise.

Unternehmen, die Immobilien aktiv steuern, erschließen Kapital, erhöhen Effizienz und schaffen die finanziellen Spielräume für
Transformation.

Parallel dazu verändert sich die Standortlandschaft grundlegend. Getrieben durch Lohnkostendruck, Energiekosten und neu geordnete Lieferketten, planen 45 Prozent der Industrieunternehmen Verlagerungen ins Ausland. Das Resultat: Ein massiver Flächenüberhang am Standort Deutschland mit über 6,7 Millionen Quadratmetern verfügbarer Fläche, allein in den größten Büromärkten. In vielen Unternehmen stellen betriebliche Immobilien somit sowohl ungenutzte Vermögenswerte als auch eine fortlaufende Kostenbelastung dar.

Für Unternehmensentscheider stellt sich daher die zentrale Frage: Wo lassen sich kurzfristig Mittel freisetzen, um die notwendige Transformation zu finanzieren, ohne dabei in eine Finanzierungsfalle zu tappen?

Warum Unternehmen jetzt ihre Immobilienstrategie überdenken müssen

In Unternehmen sind Immobilien oft der letzte große, häufig ungenutzte Hebel zur Wert- und Leistungssteigerung. Sie stellen einen der größten Vermögens- und Kostenblöcke dar, werden in vielen Fällen jedoch nicht berücksichtigt.

Bei einem durchschnittlichen Unternehmen der verarbeitenden Industrie sind ca. 10-20 Prozent der Gesamtkosten immobilienbezogene Kosten, und etwa 7-15 Prozent der Vermögenswerte sind in Grundstücken und Gebäuden investiert. Dies bildet ein enormes Potenzial zur finanziellen Sicherung des Unternehmenserfolgs. Zusätzlich haben Immobilien auch einen großen Hebel auf Produktivität und Innovationskraft im Unternehmen.

Doch viele Immobilienstrategien sind nicht auf die Dynamik heutiger Geschäftszyklen ausgerichtet: Investitionen sind träge, Nutzungszyklen lang, Flexibilität gering. Doch wie lässt sich dieses Potenzial konkret erschließen? Ein Blick auf die zentralen Handlungsfelder zeigt, wo Unternehmen jetzt ansetzen können und welche Maßnahmen schnell Wirkung zeigen.

Schnelle Wirkung und langfristige Effekte: Die Hebel im Überblick

Die Abbildung unten zeigt eine Auswahl verschiedener Optionen, die der kurz- und langfristigen Gewinn- und Cash-Optimierung des Unternehmens dienen.

Bewertung ausgewählter Immobilienhebel zur Performance-Steigerung. Quelle: EY-Parthenon

  • “Quick Wins“ dienen der kurzfristigen Kostenoptimierung oder Liquiditätsgenerierung und sind in der Regel innerhalb eines Jahres umsetzbar. Hierzu zählen beispielsweise „Sale-and-Lease-Back“-Transaktionen und die Restrukturierung bestehender Mietverträge.
  • Kurz- bis mittelfristig (1-3 Jahre) können durch die Optimierung des Einkaufs von Facility- und Property-Management-Leistungen, inklusive der Konsolidierung und Neuverhandlung von Serviceverträgen, sowie durch die Einführung moderner Workplace-Strategien, große Einsparmaßnahmen erzielt werden.
  • Langfristig (2-5 Jahre) wirken die größten Hebel: Die Bereinigung des Standortportfolios sowie die Transformation der Immobilienorganisation und -strategie. Diese Maßnahmen beanspruchen den größten Aufwand, bieten aber auch den höchsten Return on Investment (ROI).

Fünf Handlungsfelder für mehr Wertschöpfung

Im Folgenden werden fünf strategische Handlungsfelder aufgezeigt, in denen Unternehmen darüber hinaus schnell und wirkungsvoll ansetzen können. Diese werden in den nachfolgenden Beiträgen dieses Specials vertieft.

  1. Wie Politik und Wirtschaft die Trans­formation gemeinsam treiben können
    Immobilien gehören zu den größten Vermögenswerten von Unternehmen und sind ein wichtiger strategischer Hebel für notwendige Transformationen. Doch regulatorische Hürden wie:
    › komplexe Vorschriften
    › langsame Planungs- und Genehmigungsverfahren
    Lösung: ein modernes, innovationsfreundliches, regulatorisches Umfeld. Denn ohne gezielte Impulse aus der Politik, kann die Wirtschaft die notwendige Transformation nicht allein bewältigen. Dafür braucht es gezielte Impulse aus der Politik. So kann das Immobilienmanagement seine Rolle als strategischer Erfolgsfaktor voll entfalten – für Wettbewerbsfähigkeit, nachhaltige Standorte und die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
  2. Immobilienmanagement als strategischer ­Enabler des Unternehmenserfolgs
    Viele Immobilienverwaltungen arbeiten noch dezentral ohne klare Steuerungsstrukturen oder Verantwortlichkeiten. Die organisatorische Verankerung des Corporate Real Estate Managements (CREM) entscheidet über den Erfolg.
    Maßnahmen:
    › Zentrale Steuerungsmechanismen einführen
    › Klare Ziele und Erfolgskennzahlen definieren
    › Immobilien als produktive Ressource messen und steuern
    Erst so entfaltet CREM seinen strategischen Nutzen.
  3. Workplace-Strategie zur Optimierung des ­Unternehmensergebnisses
    Die Pandemie hat gezeigt, wie flexibel Arbeitsmodelle sein müssen – doch viele Flächen lassen sich nur schwer an neue Anforderungen anpassen. Professionelle Workplace-Strategien senken nicht nur Kosten, sondern steigern Produktivität, Attraktivität als Arbeitgeber und unterstützen ESG-Ziele.
    Maßnahmen:
    › Intelligente Flächennutzung und Desksharing (bis zu 20 Prozent Einsparung)
    › Digitale Steuerungssysteme(zusätzlich ca. 10 Prozent Einsparung bei Betriebskosten)
    › Räume für Innovation, Zusammenarbeit und Unternehmenskultur gestalten
    So wird der Arbeitsplatz zum strategischen Instrument für Effizienz, Motivation und Wettbewerbsfähigkeit.
  4. Digitalisierung in Real Estate – Vom Buzzword zur tatsächlichen Umsetzung
    Ohne valide Daten lassen sich Effizienzpotenziale nicht erkennen und Entscheidungen nicht fundiert treffen. Viele Unternehmen haben keine konsolidierte Sicht auf:
    › Immobilienbestände und Flächennutzung
    › Kostenstruktur und Vertragslaufzeiten
    › Zuständigkeiten und Schnittstellen zu HR oder Investitionen
    Lösung: Zentrales Immobiliencontrolling, klare KPIs und digitale Systeme schaffen Transparenz und ermöglichen gezielte Optimierungen.
  5. Mit Immobilien-Leasing Liquidität und Handlungsspielraum gewinnen
    Unternehmen halten oft stille Reserven in ihren Immobilien, die ungenutzt bleiben. Sale-and-
    Lease-Back-Modelle oder Immobilien-Leasing aktivieren diese Werte, ohne den Standort oder Betrieb zu gefährden.
    Vorteile:
    › Kapital freisetzen für Investitionen im Kerngeschäft
    › Bilanz entlasten und Finanzierungsspielräume erweitern
    › Flexibilität erhöhen und strategische Steuerung stärken
    Immobilien-Leasing wird so vom Finanzierungsinstrument zum strategischen Hebel.

Jetzt handeln, um morgen zu bestehen

Die Handlungsfelder zeigen: Immobilienmanagement ist längst kein reines Verwaltungsthema mehr, sondern ein zentraler Treiber von Liquidität, Effizienz und Transformation. Entscheidend ist ein systematischer Ansatz, der kurzfristige Effekte („Quick Wins“), wie Flächeninventuren oder Mietvertragsoptimierungen, mit mittel- und langfristigen Maßnahmen, wie dem Aufbau professioneller Steuerungsstrukturen und Datenplattformen, kombiniert. Unerlässlich ist dabei eine frühzeitige Integration von Immobilienstrategien mit Wachstums- und Konsolidierungsstrategien, um Kostenfallen durch leerstehende Flächen zu vermeiden.

Fallbeispiel – Effekt der Senkung von Immo­bilienkosten auf die Umsatzrendite bei einem durchschnitt­lichen verarbeitenden Unternehmen in Deutschland.
Quelle: EY-Parthenon

 

Hebelwirkung von Immobilienkosten

Ein Beispiel: Bei einem durchschnittlichen Industrieunternehmen liegt die Umsatzrendite bei rund 6 Prozent, der Anteil immobilienbezogener Kosten etwa bei 15 Prozent.

Bei der Reduktion der Immobilienkosten um 20 Prozent, steigt die Rendite nahezu um fast 50 Prozent.

Hebelwirkung: Schon kleine Einsparungen bei Immobilienkosten können die Unternehmensrendite massiv steigern – ein starkes Argument, sich intensiver mit Corporate Real Estate Management zu beschäftigen.

Betriebliche Immobilien bieten damit ein deutlich größeres Potenzial als allgemein angenommen. Sie sind Kapitalquelle und strategischer Hebel zugleich – vorausgesetzt, sie werden integrativ in die Unternehmensstrategie eingebunden.

Auch die Politik ist gefordert: Ein unterstützender regulatorischer Rahmen ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Unternehmen ihre Immobilienstrategien erfolgreich umsetzen können.