Vertikale Integration als Game Changer: Warum es sich für Faber-Castell lohnt, sein eigener Holzlieferant zu sein.
Schwarzes Gold – so nannte man im 18. und 19. Jahrhundert Graphit. Es war begehrt bei den Bleistiftfabrikanten Nürnbergs und teuer erkauft aus England, um daraus Bleistiftminen herstellen zu können. Lothar von Faber, vierte Generation der Unternehmerfamilie, hatte jedoch anders als seine Wettbewerber genügend unternehmerisches Gespür, um sich von englischen Lieferanten unabhängig zu machen. Anno 1856 erwarb er Schürfrechte an einer Graphitmine in Sibirien. In einem logistischen Kraftakt – auf Mauleseln und per Kähnen – ließ er fortan das schwarze Gold um die halbe Welt transportieren, um „das Beste zu machen, was auf der Welt gemacht werden kann“: die ersten Qualitäts- und Markenbleistifte der Welt.
Die Idee der vertikalen Integration begleitet seit Mitte des 19. Jahrhunderts das Unternehmen Faber-Castell. Eine der wohl weitreichendsten unternehmerischen Entscheidungen war dabei die Aufzucht und der Erwerb eigener Kiefernwälder in den 1980er Jahren. Das Unternehmen bewirtschaftet in Prata, Minas Gerais (Brasilien) etwa 10.000 Hektar eigene Wälder und ist so in der Lage, in einem Zyklus aus Pflanzung, Pflege und Ernte den Holzbedarf für knapp 2 Milliarden Blei- und Buntstifte jährlich zu decken – und damit für über 80 Prozent der weltweiten Fertigungskapazität.
Echte Nachhaltigkeit erfordert einen langen Atem
Neben den wirtschaftlichen Aspekten wie der Sicherstellung der Holzqualität, der Autonomie von Zulieferern und somit der Planbarkeit des Holzpreises spielten bei der Forstwirtschaft in Eigenregie von Anfang an auch Umweltüberlegungen eine entscheidende Rolle: Faber-Castell ließ seine 10.000 Hektar Wald früh nach dem Zertifizierungssystem Forest Stewardship Council (FSC) zertifizieren und begann Anfang der 1990er Jahre mit einem umfassenden Umweltmanagement zu den Aspekten Artenerhalt, Brandprävention, Überwachung der Wasser- und Bodenqualität sowie Umweltsensibilisierung der ländlichen Bevölkerung. Die Bewaldung auf zwei Drittel und die Renaturierung auf einem Drittel des firmeneigenen Landes bewirkte dort das exponentielle Anwachsen der endemischen Flora und Fauna des Cerrado – einem der wichtigsten Ökosysteme Brasiliens, das durch exzessive Landwirtschaft und Entwaldung im Laufe der Jahrzehnte zunehmend erodierte und versteppte.
Auch wenn das Wort des „nachhaltigen Managements“ in den 1980er Jahren noch nicht geboren war, so beruht das Selbstverständnis eines fairen Umgangs mit Mensch und Natur auf einem jahrhundertealten Werteverständnis der Unternehmerfamilie. Kurzfristiges Gewinnstreben stand für sie nie im Fokus, eine langfristige Denke ermöglichte Investitionen, die sich – wie in der Forstwirtschaft – erst nach Jahrzehnten rechnen.
Forstwirtschaft als Diversifizierungsmerkmal
Die erfolgreiche Waldbewirtschaftung wurde zu einem Diversifizierungsmerkmal gegenüber dem Wettbewerb, gleichzeitig etablierte das Unternehmen sukzessive weitere Kriterien nachhaltigen Managements: Energiemanagement, Kunststoff- und Abfallvermeidung, lokales gesellschaftliches und soziales Engagement. Die Fortschritte wurden ab 2009 im jährlich erscheinenden Nachhaltigkeitsbericht publiziert. Ein Meilenstein war der Ausbau erneuerbarer Energien an den globalen Standorten durch die Installation von Solaranlagen, wie in den Werken in Indien und Malaysia, durch den Einsatz von Geothermie und Wärmerückgewinnung wie am Standort in Österreich, oder durch den Einsatz einer neuen Wasserturbine zur Stromerzeugung am Stammsitz in Stein. Im jüngsten Nachhaltigkeitsbericht 2022 beträgt der Anteil erneuerbarer Energien in den Gesellschaften der Faber-Castell Gruppe bereits zu 87 Prozent.
Einbindung der Akteure schafft Akzeptanz
Um die Unterstützung der internen und externen Stakeholdergruppen für die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsinitiativen zu gewinnen, führt Faber-Castell seit 2016 Befragungen durch. Sie sind Grundlage für die Wesentlichkeitsanalyse, um daraus Ziele und Maßnahmen zur Leistungsverbesserung abzuleiten. Die Umfrageergebnisse werden mit der globalen und funktionalen Perspektive der internen Gremien abgeglichen und die relevante Schnittmenge eruiert.
Um sein Engagement weltweit sichtbar zu machen und größtmögliche Akzeptanz für die Bedeutung von umweltfreundlichen Produkten und -initiativen zu erhöhen, hat Faber-Castell im Jahr 2022 die globale Awareness-Kampagne „Change needs creativity“ ins Leben gerufen. Damit möchte das Unternehmen Konsumentinnen und Konsumenten über das generationenübergreifende und zukunftsgerichtete Engagement des Unternehmens informieren.
Ausblicke in eine bunte Zukunft
Dem Unternehmenszweck folgend wurde Nachhaltigkeit als eine der sieben strategischen Säulen definiert, mit denen Faber-Castell seit Anfang 2022 seine globale Unternehmensstrategie „ONE Faber-Castell – Creating a Colorful Future“ implementiert. Im Mittelpunkt steht der Anspruch, die globale Nachhaltigkeitsführerschaft weiter auszubauen. Hierfür hat sich das Unternehmen für die nächsten fünf bis zehn Jahre ehrgeizige Ziele gesetzt. So soll der Anteil an alternativen Kunststoffen in den Produkten auf 55 Prozent erhöht und der globale CO2-Fußabdruck des Unternehmens durch den Umstieg auf weitere erneuerbare Energiequellen und immer energieeffizientere Produktion bis 2029/30 um 55 Prozent im Vergleich zum Geschäftsjahr 2019/20 gesenkt werden.
Die Autorin:
Sandra Suppa ist internationale Kommunikationsexpertin und Journalistin. Sie ist seit über 30 Jahren auf Konsumgüter und Familienunternehmen spezialisiert. Seit 1999 arbeitet sie als Head of Corporate Communications für Faber-Castell.
Faber-Castell ist mit über zwei Milliarden Blei- und Farbstiften pro Jahr und rund 6.500 Mitarbeitern der bedeutendste Hersteller von holzgefassten Stiften weltweit.