Übergreifende Netzwerke als Game- changer im globalen Wettbewerb – ein Trend verstärkt sich

In einer Welt, die von digitaler Transformation, exponentieller Entwicklung des technischen Fortschritts und geänderten Bedürfnissen der Menschen an Arbeits- und Lebensmodelle geprägt ist, wird deutlich, dass ortsgebundene Arbeits- und Zusammenarbeitsmodelle zunehmend an Bedeutung verlieren. Die Ära der isolierten Abläufe weicht einem neuen Paradigma: flexibles Arbeiten von Menschen sowie der netzwerkbasierten Zusammenarbeit von Menschen und Organisation.

Die digitale Kommunikation prägt längst unseren Alltag. Es wird deutlich, wie stark Netzwerke an Relevanz in unserem Leben gewonnen haben: Soziale Netzwerke und Plattformen wie Xing, LinkedIn, Instagram oder WhatsApp, Forschungs-, Energie-oder Lieferkettennetzwerke oder denken wir an das ursprünglichste aller Netzwerke: die Familie.
Wer kennt das folgende Sprichwort nicht? „Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“ So schafft man es, dass Kinder sich nicht nur mithilfe der Eltern entwickeln, sondern über ein größeres soziales Gefüge. Warum nicht auch ein ganzes Dorf über jegliche Abteilungs- und Unternehmensgrenzen hinweg im Arbeitskontext aufbauen?

Wer es versteht, übergreifende Netzwerke zu schaffen und zu nutzen, erschließt zusätzliches Wissen und profitiert von der Dynamik der Zusammenarbeit (Martin, A. & van Bavel, R., 2013). Für ortsungebunden arbeitende Menschen entsteht durch vernetztes Arbeiten ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zu allen im Netzwerk beteiligten Personen und somit auch das Commitment hinsichtlich der Organisation. Eine zielgerichtete netzwerkbasierte Zusammenarbeit hat damit das Potenzial, im Unternehmen Innovationskraft, Effizienz und Produktivität zu steigern und somit Wettbewerbsvorteile zu erzielen (Neto et al., 2016).

Ein herausragendes Beispiel zeichnet die Kooperation zwischen Apple und Nike aus. Ihre gemeinsame Vision war es, den perfekten Laufpartner zu schaffen. Hierbei vereinte Apple seine technologische Expertise, insbesondere die Apple Watch, mit Nikes jahrzehntelanger Erfahrung in der Sportbekleidung. Durch den Austausch von Expertise und Ressourcen konnten sie das Nike+ System und die Apple Watch Nike+ entwickeln, und somit den Läufern ein nahtloses Nutzererlebnis und umfangreiche Daten bieten.

Dieses Beispiel illustriert eindrucksvoll, wie die gezielte netzwerkbasierte Zusammenarbeit Unternehmen zu Innovationen und damit zu Wettbewerbsvorteilen verhelfen kann.

Die Kunst der Netzwerkbildung: Alles eine Frage der Haltung?

Netzwerke bilden sich nicht von allein. Es ist für jeden einzelnen von uns gar nicht so leicht zu erkennen, in welchen Momenten es sinnvoll ist, andere hinzuzuziehen und gegebenenfalls ein übergreifendes Netzwerk zu initiieren. Dafür bedarf es Achtsamkeit sowie der Fähigkeit, über den Tellerrand zu blicken. Eine neugierige Haltung ermöglicht es, offen für neue Ideen, Perspektiven und Menschen zu sein. Aufrichtig neugierige und proaktive Menschen ergreifen daher ganz natürlich die Chance des Austausches. Sie lassen sich inspirieren und lernen ganz informell dazu.

Faktoren, die über den Erfolg der Netzwerkbildung entscheiden. Quelle: Marie Manu, Senior Consultant bei MHP

 Der Grundsatz des Gebens und Nehmens bildet dabei das Fundament jeder erfolgreichen Netzwerkbildung. Wer in seinem Netzwerk aktiv Wissen teilt, Ratschläge gibt und anderen hilft, wird im Gegenzug auf ein starkes Unterstützungsnetzwerk zählen können, das sich bereits durch dieses Grundprinzip ein Stückweit von allein bildet (Borgatti, S. P., & Li, X., 2009).

Es ist dabei entscheidend, den Fokus auf den Aufbau echter Beziehungen und Vertrauen zu legen, anstatt nur oberflächliche Kontakte zu knüpfen. So wie man auch ein Dorf rund um die eigenen Kinder genaustens unter die Lupe nehmen würde, sollte man Zeit investieren, um neue Kontakte im beruflichen Kontext tiefer kennenzulernen. Das Verständnis für die Bedürfnisse und Perspektiven anderer Menschen ist entscheidend. Empathie ermöglicht es, authentische Verbindungen aufzubauen und Beziehungen auf einem Fundament des gegenseitigen Respekts zu entwickeln.

Wer echtes Interesse an Projekten, Visionen und Zielen des Gegenübers zeigt, schafft es, tiefere Beziehungen aufzubauen. Echte Beziehungen sind weitaus wertvoller als eine lange Liste von oberflächlichen Verbindungen. Authentizität ist der Schlüssel zu diesen echten und langfristigen Beziehungen. Netzwerke, die auf Echtheit basieren, sind robuster und widerstandsfähiger. Stellen Sie sicher, dass Ihre Kontakte Sie als Person, nicht nur als Geschäftsbeziehung, wahrnehmen. Offenheit und Ehrlichkeit schaffen Vertrauen, das wiederum die Grundlage für erfolgreiche Kooperationen bildet.

Die Kunst des Netzwerkerhaltens – So gelingt das Fortbestehen von Netzwerken

Wir haben in diversen Netzwerkkonstellationen wiederkehrend ähnliche Probleme und Restriktionen beobachtet. Im Folgenden wird beschrieben, worauf es wirklich ankommt.   

Faktoren, die über den Erfolg des Netzwerkerhalts entscheiden. Quelle: Marie Manu, Senior Consultant bei MHP

Das Vorhandensein eines gemeinsamen Mindsets und einer gelebten Netzwerkkultur bildet die Basis für einen produktiven Austausch. Der Umgang mit unterschiedlichen Unternehmens- oder Abteilungskulturen (Subkulturen) sowie länderspezifischen Sitten ist dabei ein entscheidender Faktor.

Kulturelle Unterschiede können zu Missverständnissen und Konflikten führen. Daher ist es wichtig, auf eine (interkulturelle) Sensibilität zu setzen. Es geht dabei um ein grundlegendes Verständnis für Unterschiedlichkeit und einen neutralen Umgang damit. Sollte die Grundlage noch nicht vorhanden sein, ist ein Workshop zur Sensibilisierung unabdingbar.

Ein respektvoller Umgang mit Differenzen und die effektive Nutzung von (kulturellen) Unterschieden verbessert die Effektivität und Zusammenarbeit. Im Grundsatz ist es so: Je heterogener das Team des Netzwerkes, desto kreativer sind die Arbeitsergebnisse. Allerdings nur, wenn man sich im Vorfeld auf gemeinsame Werte verständigt und committet hat.

Eine klare Vision und daran angeknüpft konkret formulierte Ziele sind entscheidend für den Aufbau und die Aufrechterhaltung eines erfolgreichen Netzwerkes. Diese muss dabei nicht nur allgemeine Ziele, sondern auch einen konkreten Nutzen für alle Beteiligten deutlich machen. Ohne eine klare Ausrichtung verliert das Netzwerk an Bedeutung und die Menschen driften
auseinander.

Die Vision dient als Zielbild, um sicherzustellen, dass alle Aktivitäten innerhalb des Netzwerkes auf das Erreichen der Vision ausgerichtet sind. Besonders erfolgsversprechend sind Visionen/Zielbilder, die mit echten Emotionen verbunden sind. Wenn einem regelrecht das Herz aufgeht, allein bei dem Gedanken, die Vision eines Tages erreicht zu haben, dann ist sie genau richtig!

Eine regelmäßige Überprüfung und mögliche Anpassung der daran angeknüpften Ziele ist dabei von großer Bedeutung, um sicherzustellen, dass sie weiterhin den aktuellen Bedürfnissen und der Vision der Netzwerkmitglieder entsprechen. In unseren Praxisbeispielen wird deutlich, dass eine gemeinsame Vision gleich zu Beginn der Zusammenarbeit und die Verknüpfung mit einem gemeinsamen Wertesystem maßgeblich zum Erfolg beigetragen haben.

Vor dem Hintergrund, dass menschliche Wesen in den Netzwerken agieren, spielt, wie eingangs geschrieben, das Vertrauen untereinander eine zentrale Rolle. Neben dem Aufbau von Vertrauen ist es überaus wichtig, das Vertrauen auch aufrecht zu halten.

Eine offene und transparente Kommunikation ist dafür der erste Schritt. Wenn genügend Vertrauen untereinander vorhanden ist, kann offen und ehrlich über Ideen, Bedenken und Herausforderungen gesprochen werden.

Die Bereitstellung regelmäßiger Updates und klarer Informationen ist eine weitere Schlüsselkomponente. Wenn Mitglieder über den Fortschritt, die Ziele und die Entwicklungen des Netzwerks gut informiert sind, fühlen sie sich befähigt und ermutigt, sich aktiv einzubringen. Dies schafft eine Atmosphäre des Engagements und der Mitverantwortung, in der die Mitglieder motiviert sind, gemeinsam an der Verwirklichung der Vision mitzuwirken.

Wenn die gemeinsame Richtung mithilfe des einheitlichen Wertesystems und der entwickelten Vision festgelegt ist, sollte auch über ein einheitliches Zusammenarbeitsmodell gesprochen werden. Wie auch in unseren Praxisbeispielen deutlich wird, setzen viele Best Practices auf das „Scaled Agile Framework“ (SAFe). SAFe ist ein lean-agiles Organisationsmodell, ein bewährter Methodenkoffer, der es ermöglicht, agile Prinzipien und Praktiken über Grenzen
hinweg zu skalieren. Dies erfolgt durch festgelegte gemeinsame Rollen, Routinen und Artefakte.

Agile Methoden fokussieren darauf, dass Entscheidungen dort getroffen werden, wo die Wertschöpfung entsteht und das entsprechende Expertenwissen vorhanden ist. In der neuen Ära der netzwerkbasierten Zusammenarbeit kann SAFe eine Schlüsselrolle spielen, indem die Vorteile digitaler Netzwerke effektiv genutzt werden und gleichzeitig die Agilität und Anpassungsfähigkeit gestärkt wird.

Unser Praxistipp: Kreieren Sie zuallererst einen Safe Space, in dem sich alle Netzwerkmitglieder wohl fühlen. In diesem können Sie die Bedürfnisse und Werte der einzelnen Mitglieder besprechen, die gegenseitigen Erwartungen klären und das gemeinsame Zielbild zusammen erarbeiten.

Netzwerke aufzubauen und zu pflegen, erfordert klare organisatorische Rahmenbedingungen, personelle Ressourcen mit klar definierten Rollen und gegebenenfalls finanzielle Investitionen. Dies kann die Einführung von Netzwerk-Plattformen und -Richtlinien einschließen, um den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, sich zu vernetzen und Wissen unternehmensweit oder sogar darüber hinaus auszutauschen.

Der regelmäßige Austausch auf persönlicher Ebene ist essenziell. Durch die ortsungebundene Zusammenarbeit ist dieser auf digitaler Ebene gleichermaßen wichtig.

Digitale Plattformen und übergreifende Datenökosysteme sind daher im Trend. Eine gemeinsame Plattform und Datenökosystem bieten die Möglichkeit, Erfahrungen zu teilen, Synergien zu identifizieren, einen gemeinsamen Datenablageort zu haben, auf den alle zugreifen können, und gleichzeitig an Themen zu arbeiten.

Die aktive Wahrnehmung der Rollen „Netzwerktreiber“, „Koordinator“ und „Entscheidungsträger“ sind für das erfolgreiche Betreiben eines Netzwerkes zentral. Haben alle Netzwerkmitglieder die allgemeine Verantwortung gleich verteilt, verringert sich automatisch die des Einzelnen – und die Wahrscheinlichkeit zur Übernahme der Gesamtorganisation, Koordination und allgemeinen Hilfestellung sinkt.

Netzwerken auf drei Ebenen: Teamebene, abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit, unternehmensübergreifende Netzwerke. Quelle: Marie Manu, Senior Consultant bei MHP

Aller guten Dinge sind drei: die Ebenen der netzwerkbasierten Zusammenarbeit

Den Nutzen von organisatorischen Netzwerken beobachten wir auf drei Ebenen: auf Teamebene, in der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit und bei unternehmensübergreifenden Netzwerken.

Wie ist Ihr Status Quo in punkto Netzwerkgestaltung?

  • Nutzen Sie bereits aktiv Netzwerke in Ihrer Organisation (z. B. fachliche Kooperationen, Communities, abteilungsübergreifende Zusammenarbeitsmodelle etc.)?
  • Haben die Menschen in Ihrer Organisation das notwendige Mindset, Netzwerke aktiv zu nutzen?
    Gibt es in Ihrer Organisation den Rahmen und die Möglichkeit zum Netzwerken (finanziell, personell, motivational)?
  • Wie bereit sind Sie in Ihrer Organisation, andere Unternehmen aktiv in Ihre Herausforderungen mit einzubeziehen?
  • Auf einer Skala von 1 bis 10 (1 sehr unzufrieden, 10 sehr zufrieden), wie zufrieden sind Sie mit dem Status Quo in Ihrer Organisation in Bezug auf die Nutzung von Netzwerken?
  • Ist Ihnen bewusst, wo die Stolperfallen liegen und wie Sie einen Schritt vorankommen?

Angefangen auf der Teamebene kann im Kleinen durch dezentrale Teams und im Größeren über rollenfokussierte Arbeit in Teams die netzwerkbasierte Zusammenarbeit genutzt werden. Die Teammitglieder tauschen sich über den Tellerrand hinaus aus, haben Vertrauen ineinander und agieren auf Basis des erlebten Netzwerkes. Besonders gut funktioniert das Netzwerken z.B. in agilen Teams, wenn Teammitglieder ihre Rollen und die agile Arbeitsweise verstehen und schätzen. Meistens bilden sich diese Netzwerke durch Mitglieder, die ein offenes, neugieriges und positives Mindset teilen und ähnliche Ziele verfolgen. Außerdem ist es auch hier erfolgsentscheidend, dass sich das Netzwerk zu Beginn der Zusammenarbeit auf gemeinsame Werte und eine Vision geeinigt hat.

Darüber hinaus erleben wir ein zentrales Ziel aller Unternehmen, wenn auch unbewusst: die netzwerkbasierte Zusammenarbeit der Abteilungen. Bei mehr als 100 Beschäftigten erschweren es Strukturen oft, Wissen zu teilen und Probleme gemeinsam zu lösen. Abteilungsübergreifend bringen wir Menschen in ihren Rollen zusammen und schärfen Zusammenarbeitsmodelle. An dieser Stelle erleben wir es auch immer wieder als Schlüsselmoment, wenn die Dokumentenablage unternehmensweit einheitlich geregelt und on demand verfügbar ist.

Zusätzlich beobachten wir zunehmend die Bildung unternehmensübergreifender Netzwerke in technologischen Bereichen. So sind Hackathons eine kollaborative Veranstaltung, bei der Teams innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens intensiv an der Entwicklung von innovativen Projekten, Softwareanwendungen oder Lösungen arbeiten, um Problemlösungen zu fördern und neue Ideen zu generieren. Dadurch wird die Schwarmintelligenz der Zielgruppe auf ein gemeinsames Ziel gelenkt und die unterschiedlichen Erfahrungen und Wissensstände helfen, ein breiteres und tieferes Lösungsbild zu kreieren.

In der deutschen Automobilbranche zeichnet sich für uns klar der Trend zu netzwerkbasierter Zusammenarbeit auf allen drei Ebenen ab. Wir bei MHP setzen selbst auf eine zielorientierte Zusammenarbeit. Da kommt es nicht selten vor, dass Teammitglieder unterschiedlicher Teams
gemeinsam an der Ausarbeitung eines Portfoliothemas oder zusammen an der Gestaltung eines Angebotes arbeiten. So kommen verschiedene Perspektiven und Erfahrungen zu einem Thema oder Kunden zusammen.

Für dieses Special haben wir drei unserer Partner gebeten, uns einen Einblick in ihre gelebte Praxis des Netzwerkens zu geben: Catena-X, Porsche und MHP als Partner einer Digital Family
und die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) als Vorreiter der Mobilitätswende durch agile Netzwerke stehen beispielhaft für ein offenes Datenökosystem in der Automobilindustrie. Mehr dazu finden Sie in den folgenden Beiträgen.

Literatur
Borgatti, S. P., & Li, X. (2009). On social network analysis in a supply chain context. Journal of Supply Chain Management, 45(2), 5-22. https://doi.org/10.1111/j.1745-493X.2009. 03166.x
Neto, S. M., et al (2016). Relational structure in the global automotive industry: groups, networks and fields. Revista Brasileira de Gestão de Negócios, 18, 505-524. https://doi.org/10.7819/rbgn.v18i62.2798
Martin, A., & van Bavel, R. (2013). Assessing the benefits of social networks for organizations. Retrived December. doi:10.2791/89039

Die Autoren:
Dr. Sarah Lange, Herausgeberin dieses Specials, ist Managerin mit Fokus auf Personalentwicklung bei MHP.

 

 

 

 

Thomas Spantig, Herausgeber dieses Specials, ist Associated Partner bei MHP mit Schwerpunkt auf organisationsübergreifende Zusammenarbeitsmodelle.

 

 

 

 

Sarah Merz, Herausgeberin dieses Specials, ist Managerin mit Schwerpunkt auf Organisationsentwicklung bei MHP.

 

 

 

 

Mitautorinnen:
Angelina Gonser (Consultant im Bereich Organisationsentwicklung) und Pia Klinke (Consultant im  New Work Kontext).

Die MHP Management- und IT-Beratung GmbH ist eines der führenden Beratungsunternehmen und eine Tochtergesellschaft der Porsche AG. Als Technologie- und Businesspartner digitalisiert MHP die Prozesse und Produkte seiner Kunden und begleitet sie bei ihren IT-Transformationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Weltweit betreut MHP über 300 Kunden, darunter führende Konzerne, innovative Mittelständler und disruptive Start-Ups.