Software-Roboter werden lernfähig

Ob im Bereich Finanzen, im Personalmanagement, in der Steuerabteilung, im Einkauf oder im Vertrieb – immer öfter übernehmen Software-Roboter die Aufgaben von Sachbearbeitern und Fachkräften. In Kombination mit Künstlicher Intelligenz erlangt das Konzept der Robotic Process Automation (RPA) nun eine neue Dimension: Die RPA-Systeme werden lernfähig.

„Zunehmend werden auch Methoden der künstlichen Intelligenz im RPA erprobt und erfolgreich angewendet“, beobachtet der Unternehmer und Vordenker Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer. „Der Roboter kann dann natürliche Sprachen verstehen, erkennt und interpretiert strukturierte und unstrukturierte Daten und verfügt über kognitive Lernfähigkeiten.“

Die künstliche Intelligenz wird damit zum Innovationstreiber in der Verwaltung. Scheer spricht von einer „intelligenten RPA“, mit der nun auch komplexere Geschäftsprozesse automatisiert werden können. Software-Roboter sind zum Beispiel in der Lage, einfache Kundendialoge zu übernehmen, etwa um Servicetermine zu vereinbaren oder Kundenwünsche zu identifizieren. Es können auch mehrere Roboter zusammenarbeiten und einander Aufgaben zuteilen: Ein steuernder Roboter analysiert zum Beispiel eingehende E-Mails nach Anhaltspunkten für Beschwerden, Bestellungen oder Änderung von Wartungsterminen und weist die Mails dann zur Bearbeitung den zuständigen Roboter-Kollegen zu.

Die Autoren dieses Specials greifen unterschiedliche Aspekte der intelligenten Automation auf. Wie sich RPA als Einstieg nutzen lässt, um das Unternehmen und seine Mitarbeiter in ein neues Zeitalter der Digitalisierung zu führen, beschreibt Marc Ennemann, Partner bei KPMG. Am Beispiel seines Unternehmens zeigt Jörg Vollmer, CEO von Swiss Post Solutions, wie Robotic und künstliche Intelligenz zusammenspielen und welche Möglichkeiten daraus entstehen. Auf die Einbeziehung der Mitarbeiter geht Robert Gögele, Geschäftsführer der Avanade Deutschland GmbH, in seinem Beitrag ein. Seine Devise: Mensch mit Maschine – es geht nur gemeinsam!

Worauf müssen sich Entscheider beim Thema „Softwareroboter“ jetzt einstellen? Eine Einschätzung von Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer.

Herr Prof. Scheer, welche Dimension hat das Thema Robotic Process Automation (RPA)?

Scheer: Neben dem Einsatz von Standard-Unternehmenssoftware gibt es viele Bedienungs-, ad-hoc- und sehr individuelle Tätigkeiten, die bisher noch nicht automatisiert sind. Diese als „long Tail“-Anwendungen bezeichneten Tätigkeiten machen häufig über 50 Prozent der Unternehmensfunktionen aus und sind Gegenstand der Automatisierung durch RPA. Damit eröffnet sich ein neuer Markt für IT-Anwendungen.

Software-Roboter sind noch billiger als Mitarbeiter in Niedriglohnländern. Lohnt es sich, einfache Tätigkeiten jetzt wieder zurückzuholen? Ist ein Trend zum Insourcing absehbar?

Scheer: Gerade die Bedienung von Standardsoftware für Rechnungswesen, Personalabrechnung, Steuerung von IT-Infrastruktur und Service wurde in den letzten Jahren in Niedriglohnländer verlagert. Diese können nun durch RPA automatisiert und zurückgeholt werden. Es entsteht ein klarer Trend zum Insourcing.

Wenn menschliche Arbeitsleistung durch Software- Roboter ersetzt wird: Wer ist betroffen? Welche Perspektiven gibt es für die betroffenen Mitarbeiter?

Scheer: Natürlich ist mit RPA ein Rationalisierungseffekt verbunden. Viele Praxisbeispiele zeigen aber, dass die freigesetzten Mitarbeiter höherwertigen Aufgaben zugeteilt werden, zum Beispiel in der intensiveren Kundenbetreuung.

Durch RPA-Tools lassen sich bereits heute einfache, sich wiederholende Prozesse automatisieren. Worauf kommt es jetzt an?

Scheer: Der Einsatz von Software-Robotern ist eine strategische Entscheidung. Es gilt daher, das Management mit den Potenzialen der RPA zu konfrontieren. Wie hoch ist der Anteil der betroffenen Prozesse im Unternehmen? Kann RPA ein wertschöpfender Treiber im Geschäftsmodell sein, insbesondere in der Kundenbetreuung? Wie verändert sich die eigene Branche unter Einsatz von RPA? Welche Mitarbeiter sind für diese Projekte einzusetzen?

Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer ist einer der prägendsten Wissenschaftler und Unternehmer der deutschen Wirtschaftsinformatik und Softwareindustrie. Als Unternehmer und Protagonist der Zukunftsprojekte „Industrie 4.0“ und „Smart Service World“ der Bundesregierung arbeitet er aktiv an der Ausgestaltung der Digital Economy. Prof. Scheer hat mehrere IT- Unter-  nehmen mit den Schwerpunkten Software- Entwicklung und IT-Beratung gegründet. Zu dem gegenwärtigen Unternehmensnetzwerk mit fast 1.000 Mitarbeitern gehört auch die Scheer GmbH, die mit rund 600 Mitarbeitern IT-Beratungs- und Implementierungsprojekte durchführt. Mit der Software „Scheer RPA“ bietet die Scheer GmbH eine modellgestützte Plattform für RPAAnwendungen an (www.scheer-group.com/ robotic-process-automation).