Um möglichst bald das Potenzial von SAP S/4HANA für ihre digitale Zukunft in vollem Umfang zu erschließen, erwägen viele SAP-Bestandskunden derzeit die Rückkehr zum SAP-Standard. Denn das erleichtert die Einführung, Wartung und Aktualisierung der neuen Lösungsgeneration und wirkt sich auch auf die Agilität des Unternehmens insgesamt positiv aus. Gleichzeitig benötigen Unternehmen, um sich im Wettbewerb zu unterscheiden, jedoch stets individuelle Anpassungen und Erweiterungen an ihrem ERP-System. Ein Dilemma – für das die Kombination aus SAP-Standard und Low-Code einen Ausweg bieten kann.
Es ist das Kernsystem für Geschäftsprozesse auf der ganzen Welt: Über drei Viertel aller Transaktionsumsätze werden mithilfe von SAP abgewickelt. Die Software aus Walldorf ist damit aus den Unternehmensprozessen hunderttausender Unternehmen nicht wegzudenken. Mit S/4HANA läutet SAP nun den nächsten Schritt in der Evolutionsstufe der digitalen Transformation seiner Kunden ein. Umso bald wie möglich von der neuen Softwaregeneration aus Walldorf inklusive optimierter Leistung und gestiegener Effizienz zu profitieren, suchen viele Unternehmen derzeit nach Möglichkeiten, den erforderlichen Aufwand für ihren Migrationsprozess zu minimieren. Denn gerade eine hohe Menge an individuellen Anpassungen kann diesen stark ausbremsen.
Migration mit leichtem Gepäck
Im Laufe der Jahre ist die SAP-Nutzung bei vielen Unternehmen organisch gewachsen: Durch zahlreiche individuelle Anpassungen und Modifikationen haben sich viele Unternehmen nach und nach vom SAP-Standard entfernt. Viele der Anpassungen dienen dazu, die individuellen Prozesse im Unternehmen möglichst passgenau abzudecken, um so die Einzigartigkeit des Unternehmens auch in den Geschäftsprozessen abzubilden. Damit tragen sie entscheidend zur Effizienz der täglichen Arbeit bei und sind in vielen Fällen unerlässlich geworden. Der Wunsch nach schneller S/4HANA-Migration, ohne dabei auf die so zentral gewordenen Anpassungen zu verzichten, wird für IT-Verantwortliche dadurch zum Dilemma.
Ausweglos ist die Situation deswegen aber noch lange nicht. Denn durch den Einsatz von Low-Code ist die Rückkehr zum SAP-Standard möglich, ohne auf die passgenauen Funktionalitäten der Anpassungen verzichten zu müssen. Mithilfe von Low-Code können Unternehmen ihre individuellen Anpassungen in externe Applikationen ausgliedern, die sich anschließend unmittelbar an das vorhandene SAP-System anbinden lassen und die erforderliche Funktionalität bereitstellen. So können Unternehmen ihre SAP-Implementierung Schritt für Schritt von den Teilen bereinigen, die eine Migration auf S/4HANA verlangsamen könnten – und gleichzeitig zu einer sauberen Standardversion von SAP zurückkehren, mit deren Hilfe sie das Effizienzpotenzial der neuen SAP-Generation im Tagesgeschäft maximal ausschöpfen und die sie einfach warten können.
Schritt für Schritt zum sauberen Kern
Um die Ausgliederung von Anpassungen per Low-Code anzugehen, gilt es zunächst, die Ausgangslage zu analysieren und vor allem in Bezug auf die individuellen Anpassungen des SAP-Standards einige Fragen kritisch zu beantworten: Warum war die jeweilige Anpassung erforderlich? Ist sie auch heute noch notwendig? Warum wurde sie auf genau diese Weise im System realisiert? Ist dies weiterhin so erforderlich oder wären Anpassungen und Optimierungen sinnvoll?
Anschließend kommt die Low-Code-Technologie ins Spiel. Im Gegensatz zur klassischen „High-Code“-Entwicklung ermöglicht sie, Funktionen und Anwendungen auf Basis einer visuellen Modellierung zu erstellen: Die Nutzer stellen die geplanten Abläufe der Applikation in der Entwicklungsumgebung visuell – quasi nach dem Drag-and-Drop-Prinzip – zusammen. Das manuelle Schreiben von Quellcode ist dabei nicht erforderlich, sodass sich die Anwendungserstellung deutlich beschleunigt.
Das Zauberwort lautet „BAPI“
Die Grundlage für die nahtlose Integration in SAP bilden wiederum verschiedenste Standard- sowie benutzerdefinierte SAP-Funktionen auf Basis der SAP Business Application Programming Interfaces („BAPIs“), die den Nutzern der Low-Code-Plattform zur Verfügung stehen. Auch umfassende SAP-Schnittstellentypen sind darin in Form von leicht anpassbaren Parametern realisiert.
Die BAPI-Definitionen stehen innerhalb des Systems als visuelle Elemente bereit. Um sie zu nutzen, ziehen die Low-Code-Anwender sie auf die grafische Entwickleroberfläche und ordnen sie dort in der übrigen Logik der Applikation an. Dabei übernimmt die Low-Code-Plattform Validierungen und Sicherheitseinstellungen automatisch aus SAP und vererbt sie an die erstellte Funktion weiter. Um sicherzustellen, dass die Integrationslogik in jedem Fall korrekt funktioniert, dokumentiert das System alle gegenüber SAP durchgeführten Transaktionen. So lassen sich Probleme – falls erforderlich – unmittelbar analysieren und beheben.
Das Maximum aus S/4HANA herausholen
Der Umstieg auf S/4HANA läutet ein völlig neues Zeitalter der Geschäftsprozessbearbeitung ein. Um möglichst bald von den Vorteilen der neuen Software aus Walldorf zu profitieren, sehen sich Unternehmen möglicherweise in der Zwickmühle, zum Standard zurückkehren zu wollen, während gleichzeitig ihre individuellen Anpassungen unerlässlich scheinen – spiegeln sie doch wider, was das Unternehmen einzigartig macht.
Effiziente Softwareentwicklungsmethoden wie Low-Code bieten hier einen Ausweg. Sie ermöglichen die Ablösung der Anpassungen, von der Unternehmen gleich doppelt profitieren: Die Rückkehr zum SAP-Standard legt den Grundstein für eine aufwandsarme und schnelle Migration, die Zeit spart und Kapazitäten schont, und stellt eine optimale Nutzung und Wartung von S/4HANA auch in Zukunft sicher. Gleichzeitig bleibt durch die ausgelagerten Funktionen die passgenaue Abbildung der Geschäftsprozesse erhalten, die sich dank der Flexibilität der Low-Code-Technologie auch künftig beliebig weiterentwickeln und damit jederzeit effizient an neue Anforderungen des Unternehmens anpassen lassen.
Der Autor:
Christoph Volkmer ist Regional Vice President EMEA Central beim Low-Code-Spezialisten OutSystems. Vor seinem Wechsel zu OutSystems bekleidete er unter anderem den Posten des Vice President EMEA Central bei dem Anbieter für Risk- und Compliance-Management Tanium und leitete über vier Jahre lang als Senior Director Sales die DACH-Vertriebsaktivitäten bei dem IT-Service-Management-Spezialisten ServiceNow.