Komplexität in der Entwicklung neuer Therapien bindet immer Kapazitäten bei allen beteiligten Partnern, Forschern, Industrie und Behörden. Ein Teufelskreislauf, der über Partner hinweg eingegrenzt werden sollte.
Die klinische Entwicklung pharmazeutischer Produkte ist stark reguliert, um die Sicherheit dieser Produkte für Patientinnen und Patienten zu gewährleisten und Risiken zu minimieren. Daraus ergibt sich eine weltweit zunehmende Anzahl lokaler und regionaler Regularien und Behördenanforderungen wie zum Beispiel durch über greifende Leitbehörden wie die U.S. Food & Drug Administration (FDA) oder die European Medicines Agency (EMA).
Dieser Trend führt für forschende Pharmaunternehmen, die die Entwicklung neuer, innovativer Therapien vorantreiben, seit vielen Jahren zu einem beträchtlichen Komplexitätszuwachs. So wird beispielsweise eine Vielzahl von internen Prozessen und Regelwerken geschaffen, sogenannte Standard Operating Procedures (SOPs), die behördliche Vorgaben erfüllen, Risiken minimieren oder entstandene Sicherheitslücken schließen sollen. Diese internen Prozesse unterliegen kontinuierlicher Auditierung – auch über Vertragspartner hinweg – und führen damit zu Komplexität in der Unternehmensstruktur und Ressourcenaufwand. Diese Komplexität wiederum spiegelt sich dann in internen Entscheidungswegen wider: Da es viele relevante Mitspieler gibt, brauchen Entscheidungen gern auch einmal länger. Trotz voranschreitender Digitalisierung und Automatisierung in der klinischen Entwicklung verzögern behördlich vorgeschriebene Schritte zur Validierung und Qualitätssicherung von Prozessen, Systemen und klinischen Daten die Marktreife neuer Produkte. Dies treibt dann seltsame Blüten bis hin zur Schaffung externer Gremien und Konsortien zur Konsultierung für spezielle Themen im Kontext von Forschung & Entwicklung.
Nicht zuletzt trägt auch ein komplexer Einreichungsprozess bei den Behörden selbst dazu bei, dass wichtige medizinische und pharmazeutische Produkte die Patientinnen und Patienten erst Monate oder gar Jahre später erreichen.
Dieser bürokratische Mehraufwand führt zu einem „Teufelskreislauf“ und verlagert unseren Fokus zunehmend auf interne Abläufe, kostet wertvolle Zeit, und hält uns letztlich von dem ab, was unsere Patientinnen und Patienten dringend brauchen: schnell verfügbare, neuartige oder wissenschaftlich weiterentwickelte Therapiemöglichkeiten.
Wie will die klinische Entwicklung dieser Komplexität begegnen?
Der bewusstere Umgang mit internen Prozessen und Regularien, insbesondere solcher zur Erfüllung behördlicher Auflagen, kann helfen, zukünftig unnötige Komplexität – wo auch immer möglich – zu drosseln. Eine klare und kontinuierliche Risikoabwägung muss einhergehen mit dem ständigen Willen, Entscheidungsprozesse zu verkürzen. Dies kann gelingen, wenn wir beispielsweise frühzeitig mehrere klinische Entwicklungsszenarien für neue Therapien mit einem Fokus auf Schnelligkeit und Effizienz simulieren.
Doch bedingt der Fortschritt in neuen, noch wenig erforschten und komplexen Feldern wie der Zell- und Gentherapie wiederum andere neue Regularien, im Besonderen bei klinischen Studien,
nicht nur über Ländergrenzen hinweg. Hier müssen alle beteiligten Parteien – Behörden, Prüfärzte und forschende Pharma-Unternehmen – gemeinsam ein Aktionsfeld aufbauen. Die Diskussion hierzu ist in vollem Gange, liefert bislang aber nur wenige Antworten.
Das zukünftige Portfolio von Bayer Pharma fokussiert sich auf personalisierte Medizin sowie Zell- und Gentherapien. Zusätzlich zur Kenntnis der jeweiligen Therapiegebiete verlangen diese Herangehensweisen und Mechanismen ein fundiertes wissenschaftliches Verständnis, um überhaupt neue und sinnvolle Therapien möglich zu machen. Um diese neuen Therapieansätze mit weniger Komplexität durch die klinische Entwicklung zu bringen, müssen hier erst verstärkt intensive Netzwerke mit Wissenschaftlern und Prüfärzten etabliert werden. Es müssen integrierte klinische Ansätze verfolgt werden, die zum Beispiel bereits verfügbare klinische Daten und Patientenbedürfnisse direkt in das Design klinischer Studien einbeziehen. Nur so kann Zeit gespart und die Zulassung neuer innovativer Therapien beschleunigt werden.
Fazit
Der schnelle und erfolgreiche Weg zu neuen Therapien braucht neue Denkmodelle und nicht den Weg des Altbekannten. Prozesse müssen vereinfacht und umgedacht werden, bestehende interne Regeln und Entscheidungswege in Frage gestellt und vereinfacht werden. Eine stärkere Vernetzung der beteiligten Parteien und die Kombination interner und externer Expertise in der
Entwicklung sind Grundvoraussetzungen. Unsere medizinischen und wissenschaftlichen Experten müssen mehr in den Dialog gehen, neue Technologien müssen zum Einsatz kommen, um schneller neue Ergebnisse zu erzielen.
Dies bedeutet für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Pharmaunternehmen, dass sie die Möglichkeit haben, nicht nur erlernte Wege zu verlassen, sondern auch Neuland zu beschreiten, nicht nur umzudenken und flexibler zu arbeiten, sondern auch Eigenverantwortung neu- und umzugestalten, um Therapien schneller zu entwickeln.
Nicht zuletzt bedeutet dies, die Entwicklungssubstanz und Patientinnen und Patienten in den Fokus zu stellen und die Entwicklung vollständig nur darauf auszurichten.
Wir sind uns sicher, dass wir mit diesem gezielt veränderten Vorgehen auch hoch-spezialisierte Behandlungen für Patientinnen und Patienten schneller entwickeln können.
Das Autorenteam:
Dr. Christoph Koenen, Head Global Clinical Development & Operations Bayer Pharma Research and Development.
Dr. Tobias Ludwig, Head Strategy and Performance in Global Clinical Development and Operations.
Astrid Scherer, Head Clinical Data & Performance Excellence in Global Clinical Development and Operations.
Über Bayer: Bayer ist ein weltweit tätiges Unternehmen mit Kernkompetenzen in den Life-Science-Bereichen Gesundheit und Ernährung. Getreu seiner Mission „Health for all, Hunger for none“ möchte das Unternehmen mit seinen Produkten und Dienstleistungen Menschen nützen und die Umwelt schonen – indem es zur Lösung grundlegender Herausforderungen einer stetig wachsenden und alternden Weltbevölkerung beiträgt. Bayer verpflichtet sich dazu, mit seinen Geschäften einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Gleichzeitig will der Konzern seine Ertragskraft steigern sowie Werte durch Innovation und Wachstum schaffen. Die Marke Bayer steht weltweit für Vertrauen, Zuverlässigkeit und Qualität. Im Geschäftsjahr 2023 erzielte der Konzern mit rund 100.000 Beschäftigten einen Umsatz von 47,6 Milliarden Euro. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung beliefen sich bereinigt um Sondereinflüsse auf 5,8 Milliarden Euro. Weitere Informationen sind im Internet zu finden unter www.bayer.com/de