Der Eintritt in das industrielle Metaversum erfolgt schrittweise über agile, für sich wertschöpfende Entwicklungsprojekte. Diese bauen zunächst auf bestehenden Daten und Werkzeugen auf und integrieren diese mit neuen Technologien in eine übergreifende Architektur. Den Kristallisationskern bilden dabei 3D-Daten, die mit anderen Datenquellen zu digitalen Zwillingen kombiniert werden und als Basis für eine effiziente und sichere Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens sowie mit Kunden und Partnern dienen.
Im Zentrum des Industrial Metaverse steht die durchgängige Bereitstellung, Nutzung und Integration von digitalen Zwillingen der Produkte und Anlagen eines Unternehmens. Häufig liegt der Fokus dabei auf der Produktion und der anschließenden Betriebs- und Wartungsphase. Um den größtmöglichen Nutzen aus einem digitalen Zwilling ziehen zu können, muss jedoch die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet werden.
Der Schlüssel zur Erstellung digitaler Zwillinge liegt meist bereits in der Produktentwicklungsphase – schließlich entstehen hier die Produktmodelle einschließlich der 3D-Daten als Kern des digitalen Zwillings.
3D-Daten bilden den Kern eines digitalen Zwillings
Die Erstellung und das Management von 3D-Modellen in der modernen Industrielandschaft erfordert nach wie vor den Einsatz umfangreicher Expertenwerkzeuge in den Bereichen Computer-Aided Design (CAD) und Product-Lifecycle-Management (PLM). Diese Werkzeuge sind unerlässlich, um die erforderliche Präzision und Detailgenauigkeit in den Entwürfen sicherzustellen und bilden somit das Fundament für die Entwicklung komplexer Produkte.
Für den Datenaustausch sowie für die Weiterverarbeitung und Anreicherung von 3D-Daten werden etablierte Austauschstandards verwendet. Standards wie JT sind entscheidend für die Sicherstellung der Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen und tragen wesentlich zur Integrität und Wiederverwendbarkeit der Daten bei.
Für die Nutzung im Metaversum reichen diese Technologien und Standards jedoch nicht aus, da die entsprechenden Werkzeuge meist nur von wenigen Experten genutzt werden können, teure Lizenzen erfordern und nur an wenigen Arbeitsplätzen verfügbar sind.
Was das Metaversum speziell macht
Im Vergleich zu einer „traditionellen“ integrierten Anwendungslandschaft zeichnet sich das industrielle Metaversum vor allem durch die interaktive Online-Kollaboration aus. Insbesondere die Zusammenarbeit an 3D-Modellen über alle Prozessbeteiligten und die gesamte Wertschöpfungskette hinweg stellt einen signifikanten Mehrwert dar. Durch diese Zusammenarbeit können neuartige Anwendungsfälle realisiert und Abstimmungszyklen drastisch verkürzt werden, was zu erheblichen Zeit- und Kosteneinsparungen führt.
Voraussetzung für diese Zusammenarbeit ist die Zugänglichkeit industrieller 3D-Modelle jeglicher Größe. Diese Modelle müssen auf einer Vielzahl von Geräten effizient visualisiert und verarbeitet werden können: von mobilen Endgeräten über Desktop-Computer bis hin zu VR- und AR-Brillen. Dies sichert eine breite Nutzungsbasis und fördert die interdisziplinäre Zusammenarbeit, indem Barrieren zwischen unterschiedlichen Plattformen und Nutzererfahrungen verringert werden.
Technologien für das Metaversum
Um Daten im Metaversum verfügbar zu machen, besteht der erste Schritt meist darin, sie über definierte Standardschnittstellen bereitzustellen und damit aus ihren Tool-Silos zu befreien. Perspektivisch bieten sich dann insbesondere Linked-Data-Ansätze und Wissensgraphen an. Sie erlauben es, konfigurativ neue Beziehungen und Regeln aufzusetzen und die Informationen in sicheren Datenräumen bereitzustellen. Wissensgraphen eignen sich auch besonders als Informationsquelle für KI-Verfahren.
3D Data Streaming ist eine innovative Cloud-Technologie, die eine effiziente Bereitstellung und Verarbeitung von 3D-Daten auf mobilen Endgeräten sowohl innerhalb eines Unternehmens als auch extern gegenüber Geschäftspartnern ermöglicht. Dies geschieht ohne Kompromisse bei der Datensicherheit, so dass Unternehmen ihre Prozesse flexibler und sicherer gestalten können.
Projekte für das Metaversum erfolgreich starten und durchführen
Für eine effektive Umsetzung von Projekten im Metaversum ist ein strukturierter, schrittweiser Ansatz entscheidend. Vor allem in der Start- und Orientierungsphase eines Metaversum-Vorhabens ist es essenziell, agil und flexibel vorzugehen und die Projekte so klein und fokussiert wie möglich zu halten:
- Identifikation von Anwendungsfällen:
Beginnen Sie mit der Identifizierung relevanter Anwendungsfälle, in denen verschiedene Akteure zusammenarbeiten, die bisher aufgrund technischer Einschränkungen nicht dazu in der Lage waren. Ein Beispiel wäre das Einholen eines frühen Feedbacks von Wartungsfachleuten zu einem 3D-Konstruktionsentwurf in einer interaktiven Web-Sitzung. - Datenmodellierung und Schnittstellendefinition:
Identifizieren und modellieren Sie die benötigten Daten und die Zusammenhänge zu bereits bestehenden Kerndaten des digitalen Zwillings, inklusive des Bezugs zum 3D-Modell. Damit kann bereits abgeschätzt werden, ob der Anwendungsfall auf Basis der verfügbaren Daten unterstützt werden kann und was für die Datenbereitstellung und die Integration in die Gesamtarchitektur erforderlich ist.
-
Definition eines fokussierten PoC-Projekts:Nachdem ein relevanter Anwendungsfall identifiziert wurde, definieren Sie ein kleines, fokussiertes Proof-of-Concept-(PoC)-Projekt. Stellen Sie dabei sicher, dass das Team gemeinsam über ein umfassendes und tiefgehendes Verständnis der Wertschöpfungskette und der technologischen Möglichkeiten verfügt.
-
Entwicklung durch Rapid Prototyping:Entwickeln Sie Demonstratoren und PoCs, die den direkten Nutzen der Anwendungsfälle veranschaulichen. Setzen Sie dabei auf innovative Technologien und agile Vorgehensweisen, um sowohl die Machbarkeit als auch den Mehrwert zu demonstrieren.
Nach der Demonstration der Machbarkeit und des Nutzens werden die entwickelten Demonstratoren ausgehärtet und weiter ausgebaut, bei gleichzeitiger Skalierung des Entwicklungsteams.
Wachstumspfade nachhaltig verfolgen
Dieses methodische Vorgehen ermöglicht es Unternehmen, innovative Metaversum-Projekte flexibel und erfolgreich zu planen und durchzuführen. Das agile Vorgehen sorgt dabei für ein schnelles Verständnis der Kosten- und Nutzenpotenziale des industriellen Metaversums. Darauf aufbauend können wiederum Projektportfolio und Roadmap sowie die Definition des Nordsterns geschärft und angepasst werden, um eine einheitliche Vision zu schaffen und diese dann nachhaltig und konsequent umzusetzen.
Der Autor:
Dr. Klaus Bergner ist einer der Gründer und Geschäftsführer der 4Soft GmbH.
4Soft unterstützt Unternehmen bei der Transformation und Digitalisierung ihrer Planungs-, Entwicklungs- und Wartungsprozesse durch die Einführung innovativer Technologien und die Umsetzung in agilen, kommunikationsintensiven Entwicklungsprojekten.