Produktentwicklung bestimmt CO2-Fußabdruck der Industrie

Bei der Transformation zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem kommt der fertigenden Industrie eine Schlüsselrolle zu. Ihre Produkte müssen nicht nur energieeffizienter im Betrieb sein, vielmehr rückt die gesamte Wertschöpfungskette von den Zulieferern über die Herstellung bis hin zur Entsorgung der Produkte ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Produktentwicklung nimmt dabei eine zentrale Rolle ein.

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erzeugt einen hohen Handlungsdruck, zunächst einen Sustainability Report zu erstellen, der zum einen den aktuellen CO2-Fußabdruck des Unternehmens ausweist und zum anderen Ziele und Maßnahmen zu dessen Reduzierung beschreibt, z. B. auf Basis der Science Based Targets Initiative. Die CSRD rückt einen solchen Nachhaltigkeitsreport auf dieselbe Stufe wie den Finanzbericht.

In der fertigenden Industrie entfällt ein Großteil der CO2-Emissionen auf den Einkauf von Material und Komponenten sowie auf den späteren Betrieb der Produkte. Nur ein kleiner Teil – meist weniger als 10 Prozent – entsteht im eigenen Unternehmen.

Die Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie erfordert dementsprechend die Umgestaltung des gesamten Produktlebenszyklus, von den zur Herstellung benötigten Materialien über die Verbräuche im Betrieb bis hin zum Recycling des Produkts.

Produktentwicklung neu denken

Eine besondere Rolle kommt der Produktentwicklung zu: Laut des EU Science Hub und weiteren Studien werden 80 Prozent der umweltbezogenen Eigenschaften eines Produkts entlang seines Lebenszyklus bereits in dieser frühen Phase festgelegt. Nachfolgende Prozesse können diese nur noch graduell beeinflusst werden.

Produktmanagement und Ingenieure bestimmen durch ihre Entscheidungen eine Vielzahl von Aspekten:

  • Die Art und Herkunft der verwendeten Materialien
  • Die Auswahl der benötigten Teile und Zulieferer
  • Die erforderlichen Herstellprozesse für Einzelteile und das Gesamtprodukt
  • Die Art und Menge der im Betrieb der Produkte benötigten Energie und gegebenenfalls weiterer Verbrauchsstoffe.

Die in der Entwicklung definierten Eigenschaften eines Produkts gehen deutlich über die eigentliche Funktion des Produkts hinaus – und damit auch über die traditionellen Aufgaben des Ingenieurs. Dazu gehören zum Beispiel:

  • CO2-Fußabdruck: Die Auswahl und Menge der Rohmaterialien (z. B. Stahl) und zugelieferten Komponenten bestimmen oft den Großteil des CO2-Fußabdrucks eines Produkts.
  • Gefahrstoffe und kritische Substanzen: Gerade komplexere, insbesondere elektronische Komponenten, enthalten potenziell auch kritische Substanzen (z. B. Blei, Zinn, Nickel, usw.), die über Standards wie REACH oder RoHS reguliert sind.
  • Lieferkettenrisiken: Entscheidungen in der Produktentwicklung bestimmen häufig auch die Lieferantenauswahl und Lieferwege – und damit Risiken, die Unternehmen in Bezug auf ihre Materialversorgung eingehen, sowie Aspekte der Governance, die ebenfalls in den Nachhaltigkeitsreport eingehen müssen.

Während zu Beginn der Produktentwicklung noch viele Wahlmöglichkeiten bestehen, werden diese durch jede Designentscheidung weiter reduziert. Zum Ende der Produktentwicklung sind Wirkmechanismen, Komponenten und Produktionsverfahren so weit festgeschrieben, dass ein herstellbares und funktionierendes Produkt im vorgegebenen Kostenrahmen hergestellt werden kann. Nachträgliche Änderungen und Optimierungen sind mit hohen Aufwänden und langen Laufzeiten verbunden. Denn die Funktion, Herstellbarkeit und Kosten des Produkts müssen wieder neu validiert werden.

 

Hersteller müssen ihren CO2-Fußabdruck über den gesamten Produktlebenszyklus weiter reduzieren. Das geht nicht, ohne dass sie ihr Augenmerk auf die Produktentwicklung richten. Quelle: PTC

 

Designentscheidungen müssen auf Unternehmensziele einzahlen

Für die Umstellung des Produktportfolios auf nachhaltige Produkte müssen zunächst geeignete Ziele aus der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens abgeleitet werden. Bereits in frühen Phasen der Produktentwicklung ist eine Überprüfung der Designentscheidungen erforderlich, um den CO2-Fußabdruck zu optimieren, die Einhaltung von wichtigen Normen wie Reach und RoHS sicherzustellen und Lieferkettenrisiken z. B. durch Alternativteile zu reduzieren.
Ähnlich zu Methoden wie dem Target Costing sind Auswirkungen von Designentscheidungen auf das Gesamtziel über die gesamte Produktentwicklung in einem vorausschauenden Lebenszyklus-Assessment zu bewerten und daraus Handlungsfelder und Maßnahmen zu identifizieren.

Grundlage hierfür ist eine Systeminfrastruktur, die es Unternehmen erlaubt

  • Ziele für Entwicklungsprojekte zu setzen und deren Erreichung zu prüfen
  • kontinuierlich den Entwicklungsprozess zu verfolgen, um Abweichungen zu erkennen und entsprechend gegenzusteuern
  • reale Verbräuche in der Produktion zu erkennen und zu optimieren
    Verbräuche im Betrieb der Produkte zu erfassen und mit den Zielen abzugleichen, um Verbesserungen zu erzielen.

Ein weiterer großer Schritt zur Reduktion der CO2-Emissionen ist die Umstellung zu einem zirkulären Produktlebenszyklus mit dem Ziel einer möglichst hochwertigen Wiederverwendung von Komponenten und Rohstoffen. Die Weichen hierfür werden ebenfalls bereits in der Produktentwicklung gestellt.
Um die ehrgeizigen Ziele bis 2050 zu erreichen, werden die genannten Punkte einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Nachhaltigkeit leisten.

Der Autor:

Dr. Florian Harzenetter, Global Advisor Industrials and EHT (Electronics and High Tech) bei PTC, unterstützt Industrieunternehmen dabei, ihre Industrie-4.0-Strategie voranzutreiben. Dabei konzentriert er sich auf Funktionen entlang des Produktlebenszyklus. Information zu PTC: www.ptc.com/de