Open Source Software (OSS) ist längst kein Nischenphänomen mehr. In nahezu jedem Unternehmen spielt sie eine Rolle. Daher ist die Bewertung von Open-Source-Komponenten ein Pflichtbestandteil der Due Diligence bei M&A-Transaktionen. Unzureichende Compliance, kritische Lizenzbedingungen, unklare IP-Rechte oder fehlende Dokumentation können den Wert des Assets maßgeblich beeinflussen. Für Entscheider gilt: Wer die Chancen von Open Source kennt und Risiken früh identifiziert, schafft Mehrwert und vermeidet teure Überraschungen.
Open Source als Deal-Faktor
Aus Käuferperspektive stehen zwei Fragen im Fokus: Welche Rechte gehen am Technologie-Stack über und welche Verpflichtungen und Risiken erwerbe ich mit? Unklare Lizenzlagen, fehlende Dokumentation oder Copyleft-Verstöße können zu Nachlizenzierungen, Offenlegungspflichten oder Unterlassungsansprüchen führen und den Wert der Software-Assets sowie die Integrationsstrategie beeinträchtigen. Aus Verkäufersicht erhöht ein lückenlos dokumentierter und lizenzkonformer OSS-Einsatz die Glaubwürdigkeit der technischen Darstellung und reduziert das Risiko von Preisabschlägen.
Die typischen Risikofelder
OSS ist in modernen Softwarearchitekturen unerlässlich, auch in Hardware eingebettete Komponenten sind betroffen. Die Nutzung bringt spezifische Risiken mit sich. Um diese zu erkennen und zu steuern, ist die Berücksichtigung typischer Risikofelder essenziell.
- Lizenzen & Copyleft-Exposition
Nicht alle OSS-Lizenzen sind gleich: Permissive Lizenzen wie MIT, BSD oder Apache erzeugen meist überschaubare Pflichten, während Copyleft-Lizenzen wie GPL oder AGPL bei statischer oder bestimmter dynamischer Kopplung Offenlegungspflichten auslösen können. Der Copyleft-Effekt bedeutet, dass Veränderungen eines Werks unter derselben Lizenz veröffentlicht werden müssen. Im Worst Case müssten dadurch proprietäre, wertbildende Software-Assets offengelegt werden. Auch Beschränkungen der kommerziellen Nutzung sind zu beachten, insbesondere Creative-Commons-Lizenzen untersagen oder beschränken diese häufig. - Dokumentation & SBOMs
Oft ist die Dokumentation der eingesetzten Open-Source-Komponenten unvollständig. SBOMs (Software Bill of Materials) existieren nicht oder sind lückenhaft. Dadurch sind Lizenz- und Sicherheitsrisiken schwer einschätzbar und realisieren sich häufig in der Integrationsphase. - IP-Clearance & Contributor Rights
Zu prüfen ist die Herkunft des Codes: Liegen CLAs (Contributor License Agreements) oder anderweitige, rechtlich belastbare Rechteübertragungen vor und sind diese dokumentiert – insbesondere bei externen Partnern und Community-Contributions? Fehlt eine lückenlose Rechtekette, bestehen Unterlassungs- oder Nachlizenzierungsrisiken, die zentrale Module und Funktionen gefährden können? - Governance & Prozessreife
Gibt es ein OSPO (Open Source Program Office) oder klare Richtlinien, die Einsatz und Freigabe von OSS, Lizenzprüfungen, Schwachstellenmanagement, Dokumentation und Community-Engagement steuern? Ausgereifte Prozesse sind ein Indikator für niedrige Deal-Risiken und ermöglichen risikoorientierte Entscheidungen.
OSS-Due-Diligence: Key Factors
Eine wirkungsvolle Prüfung ist zielgerichtet und risikoorientiert. Sie verbindet forensische Code-Analyse mit rechtlicher Bewertung und kommerzieller Einordnung. Der Scope orientiert sich an der Relevanz für das Zielproduktportfolio und die maßgeblichen Werttreiber.
- Datenvalidierung als Grundlage
Am Anfang steht die vollständige Identifikation und technische Validierung der OSS-Komponenten: Toolgestützte Scans (inklusive Lizenzen, Snippets, Abhängigkeiten) werden mit Entwickler-Interviews, Repository-Reviews und SBOM-Checks kombiniert. - Rechtliche Analyse
Identifizierte Komponenten werden auf Lizenzen, Kompatibilität, Offenlegungspflichten und Einschränkungen geprüft. Von zentraler Bedeutung ist, wer an welchen Software-Assets welche Rechte hält. Proprietäre Software wird gemeinsam mit den OSS-Komponenten betrachtet. Ausgehend von Beschreibungen der wertbildenden Assets und Interviews wird geprüft, ob die Rechte exklusiv beim Unternehmen liegen und kommerziell verwertet werden können. Es wird geprüft, wer an der Entwicklung beteiligt war und wie Rechte vertraglich gesichert sind (etwa in Arbeits-, Freelancer- oder Software-Entwicklungsverträgen). - Kommerzielle Einordnung
Die kommerzielle Einordnung antizipiert Effekte auf Kaufpreis, Deal-Struktur, Integrationsaufwand und zukünftigen Revenue und quantifiziert sie idealerweise.
Verkäufer: Den Deal sichern durch Offenheit und Vorbereitung
Wer sich früh mit Open Source auseinandersetzt, verbessert seine Verkaufschancen. Ein Gesundheitscheck der eingesetzten OSS und der Risikofelder – idealerweise 6 bis 9 Monate vor dem geplanten Verkauf – erhöht die Transparenz, reduziert Risiken und steigert die Deal-Readiness. Die Bereitstellung gut aufbereiteter SBOMs, Lizenzhinweise, Architekturdokumentationen sowie Informationen zu Prozessen signalisiert den Käufern Verlässlichkeit. Das führt zu transparenten Datenräumen, beschleunigten Due-Diligence-Prozessen, geringeren unerwarteten Risiken und einer stärkeren Verhandlungsposition.
Käufer: OSS-Due-Diligence systematisch angehen
Käufer sollten Open Source strukturiert prüfen und kritische Themen mit klaren Eskalationskriterien priorisieren. Red Flags sind Copyleft-Exposition, Einschränkungen der kommerziellen Nutzbarkeit des Kern-IP und fehlende Rechteketten. Bei relevanten Findings sind belastbare Mitigationsmaßnahmen – vor Signing/Closing oder im Nachgang – sowie passende Garantien und gegebenenfalls Freistellungen erforderlich. Die Mitigation sollte eng mit der technischen Due Diligence erfolgen, um realisierbare Lösungen zu finden (z. B. Austausch kritischer Bibliotheken, Anpassung des Linking-Modells, Lizenzwechsel, kommerzielle Subscriptions). Die kommerzielle Bewertung der Findings ist entscheidend, um Auswirkungen auf den Asset-Wert und den Kaufpreis zu prüfen.
Fazit
Der bewusste Umgang mit Open Source ist eine zentrale Erfolgsgröße für solide Bewertungen, sichere Transaktionen und reibungslose Integration. Open Source ausschließlich defensiv zu betrachten, verschenkt Potenzial. Eine professionelle OSS-Due-Diligence bietet Rechtssicherheit und schafft Mehrwert: Sie liefert belastbare Entscheidungs- und Handlungsoptionen. Sind Copyleft-Exposition und Rechte an den Software-Assets geklärt, SBOMs vollständig und Governance-Modelle vorhanden, steigt die Deal-Readiness. Werden Defizite identifiziert, können sie mitigiert und so ein nachhaltiger Wertbeitrag erzielt werden.
