Omni-Channel: Big Bang ist keine Option! – “Think big, start small, learn fast”

Auch im B2B-Bereich werden Service und Convenience immer mehr zum   Erfolgsfaktor. Kunden und Kosten setzen die Unternehmen stark unter Druck und zwingen sie, im Hinblick auf  Abläufe und Ausgaben innovativ zu sein. In dieser Situation erscheint  Omni-Channel die logische Fortsetzung des Multi-Channel-Ansatzes zu sein, um einen langfristigen Mehrwert für Kunden und Unternehmen zu schaffen. Die Umsetzung einer Omni-Channel-Strategie ist für ein B2B-Unternehmen eine anspruchsvolle, aber lohnende Aufgabe, wie die Erfahrungen der Deutschen Telekom Europe zeigen.

Der Hauptunterschied zwischen dem Multi-Channel- und Omni-Channel-Ansatz besteht in der Position des Kunden: Im Falle einer Multi-Channel-Strategie ist der Kunde eher in einer passiven Rolle; er wird über verschiedene Vertriebs- und Servicekanäle bedient (zum Beispiel Call Center, Shops, Social Media, Online, Partner, Außendienst), basierend auf der Entscheidung des Verkäufers, wie er seine Ressourcen einsetzt. Im Falle einer Omni-Channel-Strategie ist der Kunde selbst aktiv. Er sitzt  quasi auf dem „Fahrersitz“ und kann selbst verschiedene, manchmal sogar parallele Kanäle wählen, um seine Bedürfnisse zu befriedigen.

Der Einzelhandel als Benchmark

Die Realisierung einer Omni-Channel-Strategie ist keine triviale Aufgabe; sie erfordert fortschrittliche Technologie, neue Prozesse und eine neue Organisationsstruktur. Bei der Deutschen Telekom Europe haben wir vor vier Jahren mit einer Marktuntersuchung begonnen. Dabei verglichen wir uns mit dem Einzelhandel, da diese Branche als führend beim Thema Omni-Channel galt. Sehr schnell lernten wir vom Einzelhandel, auf die folgenden Aspekte besonders zu achten: einheitliche Marketingbudgets und Echtzeitinventur mit Radiofrequenz-Identifikation (RFID), einheitliche Ziele über alle Vertriebs- und Servicekanäle hinweg, die Notwendigkeit, die IT-Budgets deutlich zu erhöhen (viermal höher als zuvor).

Wir entwickelten eine umfassende Omni-Channel Customer Journey, die wir vor allem mit Blick auf folgende Aspekte gestalteten: Produktschulungen, personalisierte Angebote, Chat-Support, virtuelle Warenkörbe.

Produktschulungen

Eine unserer Tochtergesellschaften gründete eine Online-Akademie für soziale Medien, die Tutorials darüber anbietet, wie die Digitalisierung die Realität in den Kundenbranchen ändert. Das führte zu erheblichen Veränderungen in unserer Werbe- und Markenpolitik, die jetzt zweckorientierter und inhaltsbezogener ist als in der klassischen Werbung. Daraus entstanden ist ein Ökosystem aus Partnern und IT- sowie Cloud-Dienstleistern unter einem Dach. Die Ergebnisse waren beeindruckend: monatlich mehr als 50.000 Unique User bei monatlich acht neuen Lernvideos, 24 neuen Artikeln, zwölf neuen Übungen mit Unterstützung von mehr als 25 lokalen Business-Experten, die als Sparringspartner für unsere kleinen und mittleren Unternehmen fungieren.

Personalisierte Angebote

Jeder einzelne Kunde wurde mit einem personalisierten Angebot angesprochen. Dieses Angebot berücksichtigte die Ergebnisse einer detaillierten Bewertung der Nutzungsgewohnheiten der Produkte und Dienstleistungen der Deutschen Telekom sowie andere interessante Statistiken zum Kaufverhalten. Hierfür nutzen wir intensiv die Möglichkeiten von Big Data, Advanced Analytics und Machine Learning. Daraus generierten wir mehr als 250 unterschiedliche Angebotstypen, was zu 50 bis 150 Prozent mehr Durchschnittsumsatz pro Kunde führte.

Chat-Support

B2B-Kunden haben in der Regel viele Fragen im Zusammenhang mit Geschäftsangeboten und dem Post-Sales-Prozess (zum Beispiel Lieferfrist, Installationen, erstmalige Nutzung usw.). In dieser Phase ist eine gute und proaktive Unterstützung entscheidend, um die Angebotsphase erfolgreich abzuschließen. Ein wesentlicher Aspekt ist hier die Hotline: Unsere Chat-Assistentin Tinka wurde entwickelt, um die Kundenerfahrung an dieser Stelle zu verbessern. Tinka ist ein Machine-Learning-Roboter, der die Geschichte eines Kunden versteht, rund um die Uhr sofort erreichbar ist und gleich die richtigen Antworten liefert. Endlose Call Center-Warteschlangen gehören seitdem der Vergangenheit an. Die Ergebnisse von Tinka waren erstaunlich: Mehr als 80 Prozent aller Anfragen konnten automatisch erledigt werden. Die Sales- Conversion-Rate verdoppelte sich bei Kunden, die den Chat-Support nutzten.

Virtueller Warenkorb

Wir boten unseren Kunden die Möglichkeit, den Kaufprozess nicht sofort abschließen zu müssen, sondern eine Zusammenfassung der Einkaufsliste per E-Mail zu erhalten. Die Kunden können sich etwas später entscheiden, wie sie kaufen möchten: entweder die Transaktion online abzuschließen oder die Geräte im Telekomshop abzuholen (Click &  Collect-Option).

Erkenntnisse

Als „Learnings für die Zukunft“ lassen sich folgende Aspekte festhalten, die eine schnelle Omni- Channel-Implementierung behindern:

  • Das Fehlen einer digitalen Transformation macht Omni-Channel unmöglich.
  • Apps auf Handys sind ein Muss, da Kunden in erster Linie ihre Mobiltelefone nutzen, um mit uns zu interagieren.
  • Automation führt zu Kommunikation über und mit Robotern, die fachlich stark sind, aber leider vorerst kein Einfühlungsvermögen haben.
  • Die IT-Budgets müssen erheblich aufgestockt werden, um eine digitale Integration von Plattformen und Prozessen zu ermöglichen.
  • Die Organisationsstruktur muss angepasst werden, um besser auf Omni-Channel-Anforderungen reagieren zu können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir innovativ waren und schnell gelernt haben. Wir werden unsere digitale Reise als führender europäischer Telekommunikationsanbieter fortsetzen, bei dem die Customer Experience an erster Stelle steht.

Die Autorin:  Corina Hannes ist Head of SMB Multi-Channel & Cloud Go-To-Market for Europe der Deutschen Telekom AG. In den letzten fünf Jahren leitete sie den Vertrieb des Telekommunikationsgeschäfts für kleine und mittlere Märkte sowie das Cloud-Geschäft für Europa mit einem MultiChannel-Ansatz, auf den rund 50 Prozent des B2B-Umsatzes in Europa entfallen.