Gemeinnützige Unternehmen sind ein wichtiger, oft vernachlässigter oder auch falsch interpretierter Wirtschaftsfaktor in Deutschland. In Absetzung zu weiter gefassten Non-Profit-Unternehmen schütten sie keine erwirtschaften Gewinne aus und fördern auch nicht mittelbar wirtschaftliche Interessen – wie etwa die großen Wirtschaftsverbände. Dennoch ist das Thema Wirtschaftlichkeit für gemeinnützige Organisationen genauso essenziell wie für „normale“ Unternehmen. Sie sind nämlich ebenso abhängig von der Finanzierbarkeit ihrer Aktivitäten wie die Wirtschaft. Dabei haben sie über die Jahre gelernt, dass Nachhaltigkeit als übergeordnetes Wirtschaftsprinzip überlebensnotwendig ist.
Die Guten
Wer gemeinnützig hört, denkt als erstes „die machen doch was Gutes“; seien es Umweltschutz, karitative Zwecke oder das Rettungswesen. Der Sinn und Zweck vieler gemeinnütziger Organisationen ist ja eben genau das: Man hilft demjenigen, der sich nicht selbst helfen kann und festigt damit die Gemeinschaft.
Weil hinter einer sinnvollen und sinnstiftenden Arbeit meist entsprechend motivierte und engagierte Menschen stehen, gipfelt die finanzielle Betrachtungsweise gemeinnütziger Organisationen nicht selten in der Haltung „die bringen doch sicher noch Geld mit oder werden vom Staat finanziert“. Das greift viel zu kurz. Es wird schlicht vergessen, dass diese Organisationen prinzipiell denselben Marktbedingungen und wirtschaftlichen Zwängen unterliegen beziehungsweise sich in ihnen behaupten müssen wie Wirtschaftsunternehmen. Sie müssen reüssieren und sich mit ihren Rahmenbedingungen wandeln. Finanziert werden sie zumeist aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und vor allem auch durch den Ertrag für erbrachte Leistungen, die zum Beispiel der Staat nicht direkt erbringen kann oder bewusst an Dritte vergeben hat. Zuwendungen genauso wie der Gewinn öffentlicher Ausschreibungen sind aber – genau wie in privatwirtschaftlichen Wettbewerbsfeldern – keine festen Größen, die stabil zu prognostizieren sind. Sie sind vielmehr ebenso volatil und leistungsabhängig wie etwa die Zuneigung des Kapitalmarktes. Es gilt also klug zu kalkulieren und zu budgetieren in gemeinnützigen Unternehmen.
Folgerichtig müssen gemeinnützige Unternehmen, um ihrem Zweck nachzukommen, der eben in ihrer ureigenen Tätigkeit liegt und nur indirekt im Erwirtschaften von Erträgen, die zur Verfügung stehenden Mittel und Erträge sehr zielgerichtet und besonders nachhaltig einsetzen. Im Bereich des Rettungswesens muss man mit viel medizinischem und technischem High-tech und absolut state-of-the art agieren sowie die besten Köpfe gewinnen und binden. Dabei stehen sie im Wettbewerb mit vielen unterschiedlichen privatwirtschaftlichen Marktbegleitern.
Nichts geht ohne tadelloses Image
Jeder kennt die vereinzelten großen Skandale namhafter Marken und Hersteller. Sie führen nicht selten zu Kurseinbrüchen, personellen Rochaden und deutlichen Absatzverlusten. Allein: Wirtschaftsunternehmen durchschreiten ein solches Tal in der öffentlichen Wahrnehmung meist schneller. Der Verbraucher vergisst gern, und auch Anleger haben ein kurzes Gedächtnis sowie ein ausgeprägtes Ertragsbewusstsein und kein Interesse an der nachhaltigen Schädigung ihres Investments. Die allgemeine Öffentlichkeit, wie auch öffentliche Träger, haben mit Blick auf gemeinnützige Organisationen, die sie in Teilen über Spenden oder Aufträge finanzieren, zurecht weitaus höhere moralische Ansprüche. Nirgendwo ist der Spruch „ein positives Image aufzubauen braucht Jahre – es zu zerstören fünf Minuten“ angebrachter als hier. Die, die Gutes
tun, müssen selbst auch besonders gut sein und in ihrem Handeln immer und überall untadelig.
Motivation und Haltung sind so denn auch wichtige Triebfedern in Non-Profit-Unternehmen.
Dies geht einher damit, dass der Sinn dieser Organisation klar und eben „gut“ ist. Das motiviert
nicht nur Spender und Förderer, sondern treibt auch die Mitarbeiter an. Einen Rettungshubschrauber zu fliegen, im Einsatz für das Leben, unter Druck high-end-medizinische Leistungen zu vollbringen, gelingt nur, wenn das Personal absolut top und eingespielt ist. Das gleiche gilt natürlich für die technische und medizinische Ausrüstung. Beides kommt nicht von ungefähr und muss aus den Mitteln, die zur Verfügung stehen, nachhaltig sichergestellt werden. Dies stets mit dem Ansatz „besser werden“ und nicht nur bewahren! Entsprechend ist Innovation eines der wichtigsten Nachhaltigkeitselemente für gemeinnützige Organisationen.
Strenger staatlicher Blick
Während privatwirtschaftliche Unternehmen vornehmlich internen Kontrollen durch einen Aufsichts- oder Beirat sowie der Aktionäre unterliegen, bewegen sich gemeinnützige Organisationen in einem Geflecht komplexer rechtlicher und politischer Vorgaben und Pflichten. Neben der oben erwähnten moralischen Komponente mit Blick zum Beispiel auf die Image-Aspekte bzw. die ethischen Anforderungen an eine Organisation gibt es zusätzlich dezidierte Vorgaben, die die Gemeinnützigkeit selbst betreffen. Eine Verletzung oder Missachtung dieser Vorgaben hat dramatische Konsequenzen zur Folge. Das gilt für das Image einer Organisation genauso wie für ihre finanzielle Situation, da hier eben beide Faktoren sehr eng zusammenhängen.
Zu dieser Komplexität treten vermehrt taxonomische Aspekte mit Blick auf den Klimaschutz hinzu. Genauso wie bei Wirtschaftsunternehmen wird hier zunehmend die gesamte Kette des Handelns – vom Lieferanten bis zur eigentlichen Erbringung der Leistung – im Zusammenhang mit dem ökologischen Fußabtritt auf den Prüfstand gestellt.
Nachhaltig aufforsten
Um nachhaltig professionell arbeiten zu können, müssen Non-Profit-Unternehmen eben gerade besonders wirtschaftlich agieren. Nur so können sie ihre Leistung vom Personal bis zur Technik state-of-the art und damit relevant halten. Mit dieser Maxime entsprechen sie genau dem Ursprung des Nachhaltigkeitsbegriffs aus der skandinavischen Forstwirtschaft, nämlich nur so viel an Ressourcen zu verbrauchen, dass immer genügend nachwächst.
Dabei gehen sie eigentlich noch einen Schritt weiter, müssen nämlich ihre eigenen Ressourcen ständig innovieren, verbessern und mehren. Im Fall der DRF Luftrettung sind dies nicht Bäume, sondern medizinische und technische Innovationen, die es morgen ermöglichen, Menschenleben zu retten, die eventuell heute noch verloren gehen. Der unternehmerische „Profit“, der ausgeschüttet wird, ist ein gesellschaftlicher Nutzen. Ein echtes Tabuthema bleibt dabei allerdings die Monetarisierung eines Menschenlebens: Aber genau dieses Menschenleben immer und überall retten zu können, ist Anspruch und Ansporn – auch für das nachhaltige Wirtschaften.
Der Autor:
Dr. Krystian Pracz (53) ist Vorstandsvorsitzender (CEO) der DRF Stiftung Luftrettung gemeinnützige AG. Der promovierte Physiker verantwortet die Aktivitäten der führenden
Luftrettungsorganisation in Europa. Pracz ist zudem Lehrbeauftragter an der Universität zu Köln mit den Schwerpunkten Internationales Management, Unternehmensentwicklung, Digitale & Agile Geschäftsmodelle.