Infolge der Corona-Pandemie und insbesondere des Ukraine-Kriegs ist die Nachfrage nach smarten Energielösungen im privaten Bereich förmlich explodiert. Auf Seiten der Unternehmen hingegen ist die Nachfrage nach intelligenten Energielösungen überraschenderweise rückläufig. Das zeigt eine KI-gestützte Analyse repräsentativer Suchanfragen bei Google, die von der Strategieberatung Advyce und den KI-Analyseexperten Hase & Igel durchgeführt wurde.
In zwei Jahren Pandemie hat sich die Zahl der Suchen zu smarten Energielösungen insbesondere im privaten Bereich verdoppelt – während sie auf betrieblicher Seite noch stagnierte. Dies ist besonders auf zwei Aspekte zurückzuführen: Durch den Lockdown geriet der Fokus auf die Modernisierung der eigenen vier Wände, in denen nun deutlich mehr Zeit als vorher verbracht wurde. Zum anderen waren mit ausbleibenden Ausgaben für Urlaube oder Ähnliches mehr Rücklagen für derartige Investitionen verfügbar.
Mit der drohenden Energieknappheit und deutlich gestiegenen Gas- sowie Strompreisen hat sich die Zahl der Abfragen nun als Folge des Ukraine-Konfliktes in nur 1,5 Monaten noch einmal verdoppelt. Im ersten Monat des Krieges wurden neun Millionen Anfragen über die größte Suchmaschine gestellt. An der Spitze lagen Prosumer-Lösungen wie kleine Photovoltaikanlagen, gefolgt von erdgasfreien Heiztechnologien (zum Beispiel Wärmepumpen) und Energiesparlösungen. Trotz des Preisschocks an den Zapfsäulen hat die Nachfrage nach Elektromobilitätslösungen leicht nachgelassen. Am Ende der Skala finden sich Smart Home-Lösungen, Gebäudesanierung und Ökostrom, die deutliche Nachfragerückgänge hinnehmen mussten.
Während es in der Vergangenheit die Anbieter waren, die – insbesondere bei kommunalen Strukturen auch aus Compliance-Gründen – moderne Energielösungen auf den Markt brachten, die aber oft wenig nachgefragt wurden, gibt es aktuell eine Nachfrageexplosion, die aufgrund von Lieferkettenschwierigkeiten, Material- und Personalknappheit kaum mehr von Anbieterseite bedient werden kann. Interessant ist auch, dass der Fokus meist auf große Lösungen wie eine Umstellung der Energieerzeugung oder Heiztechnologie abzielt, die erhebliche Investitionen und zeitlichen Vorlauf erfordern. Smarte, digitale Lösungen zur intelligenten Steuerung, die mit weniger Investitionen einen schnelleren Energiespareffekt hätten, werden leider deutlich vernachlässigt.
Balkonkraftwerke und Wärmepumpen gefragt, digitale Lösungen vernachlässigt
Es sind vor allem so genannte Mini-PV-Anlagen („Balkonkraftwerke“) und Wärmepumpen, die die Nachfrageexplosion bedingen. Angesichts eines Nachfrageanstiegs um zum Teil mehr als das Zehnfache ist absehbar, dass Lieferketten und Handwerksbetriebe hier zu einem stark limitierenden Faktor werden. Auch der lange in der Nachfrage stagnierende regenerative Energieträger Biogas erfährt mit der Preisexplosion sowie Lieferunsicherheiten bei Erdgas einen massiven Beliebtheitsschub.
Erstaunlich: Der Anstieg der Abfragen zur intelligenten Steuerung und innovativen Lösungen im Erzeugungsmanagement sank in der Pandemiephase. Mit Beginn des Ukraine-Krieges konnten zwar „Power to Gas“-Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff oder synthetischem Erdgas mit überschüssigem Wind- und Sonnenstrom eine stärkere Nachfrage verzeichnen; das Interesse an der optimalen Steuerung bestehender, dezentraler Anlagen in virtuellen Kraftwerken sank hingegen sogar. Ebenfalls rückläufig war die Nachfrage nach intelligentem Energiemanagement in den Betrieben sowie nach Smart Home und Smart Metering-Lösungen.
Unternehmen sind aktuell mehr denn je gefordert, ihr Energiemanagement strategisch umzustellen. Hierbei gilt es nachhaltige Lösungen zu identifizieren, die für den Unternehmenserfolg entscheidend sind. Viele Unternehmen setzen derzeit fälschlicherweise auf kurzfristige Effekte, indem sie große Anlagen ordern. Unter den aktuellen Entwicklungen laufen sie damit zudem in große Lieferengpässe. Stattdessen sollten smarte, digitale Lösungen in den Vordergrund gestellt werden, die einen viel schnelleren Effekt im zweistelligen Prozentbereich hätten. Kluge Strategien finden genau jetzt die Balance zwischen raschen Dekarbonisierungs-Effekten und nachhaltigem Energiemanagement. Die Digitalisierung ist auch hier der Schlüssel.
Deutliche regionale Unterschiede
Auffällig ist der regionale Nachfrage-Unterschied zwischen den alten und neuen Bundesländern. Mit Ausnahme von Bremen ist die Nachfrage in den westlichen Bundesländern sehr viel höher als im Osten Deutschlands. Die Gründe hierfür liegen nach der Analyse nicht in kulturellen oder politischen Unterschieden. Vielmehr lässt sich der Unterschied aus der niedrigeren Kaufkraft sowie anderen Eigentums- und Gebäudestrukturen erklären.
Die Autoren:
Jan Schoenmakers (39) ist Gründer und Geschäftsführer von HASE & IGEL. Das „innovativste Tech-Unternehmen in DACH“ (German Stevie Awards 2022) entwickelt KI-gestützte Softwarelösungen für die integrierte Analyse von Markt- und Unternehmensdaten. Vor der Gründung von HASE & IGEL verantwortete Schoenmakers neun Jahre lang Marketing- und Kommunikationsbereiche in der Energiewirtschaft, zuletzt bei der EWE AG.
Fabian Dawin (36) ist Principal bei ADVYCE und verantwortet den Bereich Energy & Utilities. Er berät seit über neun Jahren das Management von Stadtwerken und Energieversorgern in strategischen Fragestellungen. Seine Schwerpunkte liegen im Aufbau neuer Geschäftsfelder und -produkte, der digitalen Transformation und der Entwicklung von Organisationen im Kontext eines zunehmenden Wettbewerbs im Energiesektor.