Mit Product Mining zum resilienten und nachhaltigen Unternehmen

Produktvielfalt, dazu die Anforderungen an Nachhaltigkeit und Resilienz treiben die Komplexität in die Höhe – und machen Entscheidungen schwieriger und langsamer. In Zeiten von Polykrisen und rasanten Marktveränderungen braucht es jedoch schnelle und wirkungsvolle Reaktionen. Product Mining ist hier eine wichtige Schlüsseltechnologie für das Management.

„Wir sind Vollsortimenter“. „Wenn wir das Produkt nicht mehr anbieten, wechselt der Kunde zur Konkurrenz“. „Wir liefern die beste Lösung, erfüllen alle Kundenwünsche“. Es gibt viele Gründe, warum Produktportfolios in der Industrie stets wachsen, aber selten kleiner werden.

Wenn Komplexität zunimmt, werden Unternehmen langsam

Produktvielfalt erhöht die Komplexität in der Lieferkette, in internen Prozessen und in den Vertriebskanälen. Tendenziell kleinere Losgrößen und Nachfrageschwankungen führen zu breiteren und insgesamt höheren Beständen, Unterbrechungen und Effizienzverlusten. Eine Kernaufgabe der Unternehmen ist es, das richtige Maß an Komplexität abzuwägen. Gute Komplexität stärkt die Differenzierung zum Wettbewerb, während schlechte Komplexität unnötige Kosten und Zeitverlust entlang des gesamten Wertstroms verursacht.
Portfoliopflege ist nicht trivial und wird oft vermieden, da wortwörtlich Millionen von Abhängigkeiten berücksichtigt werden müssen, um kluge Entscheidungen zu treffen. Viele Unternehmen haben Altlasten, sind historisch gewachsen, teilweise fehlen marktgerechte Strukturen im Portfolio.
Eine Spirale dreht sich hoch: (unkontrolliert) wachsende Komplexität im Portfolio, vermiedener Aufwand für die Portfoliopflege, Rückstau dringender Entscheidungen und wachsende Kosten entlang der Wertströme. Noch zu wenige setzen auf Digitalisierungslösungen, um diese Spirale zu durchbrechen. Unternehmen werden langsamer, der Handlungsdruck nimmt zu.

Das geht nicht mehr mit klassischen Bordmitteln

Die Zeit drängt, denn bereits heute kommen zwei wesentliche Herausforderungen dazu: Resilienz und Nachhaltigkeit. Beide Themen steigern zusätzlich die Komplexität und erschweren  den Umgang mit dem Produktportfolio.
Allein in den letzten Jahren mussten betriebliche Abläufe schnell an immer neue Krisensituationen angepasst werden. Das Unternehmen resilient aufzustellen, gewinnt an existentieller Bedeutung. Unternehmen müssen flexibler werden, um größere Schwankungen in Supply Chain und Absatzmärkten optimal für sich zu nutzen, anstatt durch Turbulenzen in Mitleidenschaft gezogen zu werden.
Ein nachhaltiger Umgang mit Ressourcen ist neben den Umweltschutzaspekten auch immer mehr eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Damit steigt auch die Informationsflut: Lieferketten werden mit zusätzlichen Nachhaltigkeitskriterien organisiert und auch Kunden stellen schärfere Anforderungen an ein nachweisbar grüneres Produktportfolio. Zudem werden im Zuge einer Kreislaufwirtschaft Lebenszyklen nicht mehr nur auf Produkt- oder Einzelerzeugnis-Ebene gemanagt, sondern auch auf Modul- und Einzelteilebene.
All dies erfordert ein neues Level an Transparenz, Vorausschau, Reaktionsgeschwindigkeit und Umsetzungsstärke. Wenn in einem Unternehmen ein Ereignis eintritt, werden oft erst mit Verzögerung detaillierte Erkenntnisse gewonnen, was zu Verzögerungen bei der Entscheidungsfindung und beim Ergreifen von (Gegen-)Maßnahmen führt 1).  Je länger es dauert, desto weniger wirkungsvoll sind die Maßnahmen. Da die Komplexität durch unternehmensinterne und äußere Faktoren weiter zunimmt, ist die Digitalisierung folgender Schritte entscheidend:

  • Schneller und zielgerichteter Handlungsfelder erkennen und priorisieren.
  • Aufwändige manuelle Einzelanalysen automatisieren.
    Beteiligten eine einheitliche Faktenbasis zur Verfügung stellen, Diskussionen zentral orchestrieren und damit Entscheidungen beschleunigen.
  • Durch Einsatz von Prozessautomatisierung die operative Umsetzung von Maßnahmen verkürzen.

Product Mining als Entscheidungsplattform im komplexen Umfeld

Product Mining ist eine Schlüsseltechnologie für zentrale Managementaufgaben, insbesondere für die produktzentrische Unternehmenssteuerung 2). In Abgrenzung zum Process Mining konzentriert man sich auf die Vielfalt bei Geschäftsobjekten, weniger um Prozessvarianten. Herzstück ist die Product Mining Plattform, die drei Technologien zusammenführt:

  • Verteilte Unternehmensdaten wie Stücklisten, Absatzzahlen, Lieferantendaten etc. werden in einen Enterprise Digital Twin geladen. Somit entsteht ein End-to-end-Netzwerk als Datenbasis vom Lieferanten über Produkte hin zum Kunden.
  • Auf dieser Datenbasis kommt die Value-Pattern-Technologie zum Einsatz. Mit intelligenter Mustersuche werden die sprichwörtlichen Nadeln im Heuhaufen gefunden, bewertet und priorisiert als Handlungsfelder aufgelistet.
  • Wichtiger dritter Bestandteil sind digitalisierte Entscheidungsprozesse. Alle Beteiligte greifen auf eine konsistente Faktenbasis zu und nutzen Features für effiziente Entscheidungsfindung.

Die Plattform ist hoch skalierbar und flexibel anpassbar. Performante Graph-Technologie erlaubt massenhafte Auswertungen in Sekundenschnelle, Auswirkungs- und Was-wäre-wenn-Analysen. Somit können Reaktionszeiten und Verzögerungen erheblich reduziert werden.
Führende Unternehmen setzen die Technologie heute ein und profitieren von schnelleren Entscheidungen, Fokussierung auf das Kerngeschäft, Verbesserung der Lieferfähigkeit und Bestandsführung – mit positiven Auswirkungen auf das Working Capital und Verbesserung des Betriebsergebnisses.

Product Mining in der Kreislaufwirtschaft

Product Mining leistet auch einen wichtigen Beitrag für eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft. Beschaffung bei nachhaltig wirtschaftenden Lieferanten, Verwendung nachhaltiger Rohstoffe, Verringerung des Energieverbrauchs und Minimierung von Abfällen sind grundlegend für ein nachhaltigeres Produktportfolio und können mit entsprechenden Daten automatisiert bewertet und Verbesserungsmaßnahmen identifiziert werden.
Beispielsweise durch die Portfoliostraffung werden Altprodukte reduziert und durch energieeffizientere, ressourcenschonendere Produkte ersetzt. Varianten mit höherer  Wiederverwendung und modularen Produktstrukturen können effizienter und mit weniger Sonderaufwänden hergestellt werden.
Im Sinne der Kreislaufwirtschaft werden Wiederbenutzung, Reparatur oder Recycling möglichst vieler Produktanteile angestrebt. Wenn die Skalierbarkeit und Aggregationsfähigkeit der Product-Mining-Technologie genutzt wird, können auch Module, Baugruppen oder Komponenten mit unterschiedlichen Lebensdauern betrachtet werden.
Somit gelingt es, fundierte Entscheidungsgrundlagen für ein planetenfreundliches und wirtschaftliches Produktportfolio zu entwickeln.

1)Acatech 2020: Industrie 4.0 Maturity Index – Managing the Digital Transformation of Companies

2)Friedl und Blaschke (2022): Product Mining – Das Produkt als zentrale Stellgröße strategischer Entscheidungen in Zeitschrift für Controlling 4/22

Der Autor:
Dr.-Ing. Maximilian Kissel ist Gründer, Geschäftsführer und Chief Growth Officer der Soley GmbH in München. Er promovierte an der Fakultät Maschinenwesen der Technischen Universität München. Seit über 15 Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema Komplexitätsmanagement mit dem Ziel, dass Menschen mit Hilfe innovativer Softwarelösungen in der Industrie bessere Entscheidungen treffen können.