Mensch mit Maschine: Es geht nur gemeinsam

Die Entwicklung rund um Künstliche Intelligenz (KI) und Robotic Process Automation (RPA) hilft, weitreichend Effizienz zu steigern und die Qualität zu verbessern. Viele Unternehmen sehen sich im Wettbewerb unter Druck, stehen der Technologie aber oft noch recht skeptisch gegenüber. Doch nicht die (überholten) Ängste und Bedenken rund um das „ob“ zählen jetzt – vielmehr müssen sich Unternehmen fragen, „wie“ sie ihre Geschäftsmodelle mit intelligenter Automatisierung zukunftsfähig gestalten, ihre Belegschaften abholen und entsprechend weiterentwickeln können.

Aufgaben von heute und morgen stehen in der Wirtschaft Lösungskonzepten von gestern gegenüber: Die Notwendigkeit nach Agilität trifft häufig auf starre mehrjährige Pläne. Das funktioniert nicht mehr. Wer erfolgreich sein möchte, muss seine Entwicklungsgeschwindigkeit erhöhen. Das Beispiel der Automobilindustrie zeigt das: Während einige Technologieführer bereits die Teilautomatisierung (Stufe 2) des autonomen Fahrens erreicht haben und Stufe 3 (Hochautomatisierung – Fahrer überwachen das System nicht mehr dauernd) bald einführen werden, sind andere noch ganz am Anfang – weil sie innovativen Technologien zu lange nicht vertraut und an ihren starren Schemata festgehalten haben. So mögen Bedenken etwa in Bezug auf Sicherheit dominiert haben. Dies ist ein nicht zu vernachlässigender Punkt, er darf jedoch kein Hemmschuh sein.

Die „German Angst“ mit ihrer Cloud- und Digital-Skepsis hat dazu geführt, dass die Unternehmen hierzulande derzeit nur selten an der Speerspitze der Technologieführer stehen: Unter den 50 wertvollsten Unternehmen der Welt befindet sich 2017 kein deutsches Unternehmen mehr. Das ist fatal, da jetzt ein weltweiter Umbruch stattfindet und Technologieführerschaft ein entscheidender Faktor ist. Der Transformationsbedarf ist also da.

Das zeigt auch die Tatsache, dass derzeit viele Unternehmen auf etablierten Produktivitätslevels feststecken, an denen klassische Optimierungsprozesse nichts mehr bewirken – hier setzen die Möglichkeiten intelligenter Automatisierung (IA) an. Unternehmenslenker und Verantwortliche müssen jedoch kulturelle Bedenken zerstreuen, wie eine weltweite Studie von Avanade aus dem Jahr 2017  gezeigt hat. 79 Prozent der Befragten sehen in ihrem Unternehmen demnach Vorbehalte gegenüber Veränderungen, die für die erforderlichen Implementierungen von KI nötig sind. Diese Zahl ist mit 84 Prozent in Deutschland nochmals leicht höher als im Rest der Welt. 31 Prozent der Firmen nutzen bereits intelligente Automatisierung, wobei sich dieser Anteil bis 2020 verdoppeln wird. Deutschland liegt hier mit nur 22 Prozent aktueller Nutzung deutlich zurück.

Unternehmen profitieren stark von intelligenter Automatisierung

Die Diskussion um intelligente Automatisierung beschreibt fälschlicherweise noch häufig einen
Dualismus: Es entsteht der Eindruck, dass es um „Mensch oder Maschine“ geht. Doch es reift zunehmend die Erkenntnis, dass „Mensch mit Maschine“ die optimale Lösung ist.

Ein Beispiel liefert die Finanzbranche: Hier können RPA-Systeme mit KI die Kreditvergabe deutlich weiter automatisieren. Doch es wird weiter definierte Eskalationsszenarien geben, in denen der Mensch übernehmen muss – insbesondere wenn erhöhter Kommunikationsbedarf entsteht, der etwa über den Umfang von Chat-Bots hinausgeht. Solche Prozesse sind auch in anderen Branchen anwendbar. So hat etwa Accenture für ein Handelsunternehmen IA-Lösungen genutzt, um die Rechnungslegung zu optimieren. Bei 100 Prozent Genauigkeit ließ sich die Zahl der Transaktionen um 40 Prozent steigern.

Gemäß der Avanade-Studie sehen in Deutschland 53 Prozent der Befragten eine Gefahrenstelle für Arbeitsplätze. Das ist jedoch keine zwangsläufige Konsequenz. Vielmehr ergibt sich so die Chance, Menschen werthaltigere Tätigkeiten ausführen zu lassen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist es ohnehin geboten, Mitarbeiter von stetig wiederholenden administrativen Tätigkeiten zu entlasten. Finanzunternehmen können sich so zum Beispiel wieder mehr auf Beratung fokussieren, Handelsunternehmen ihre Geschäftsmodelle stärken und schneller digitalisieren. Nicht umsonst hat eine Vielzahl der Unternehmen, die auf intelligente Automatisierung setzten, ihre Belegschaft konstant gehalten oder gar ausgebaut. Fraglos ist jedoch eine entsprechende fachliche (Weiter-)Qualifikation hierfür erforderlich – eine der Aufgaben, der sich Entscheider stellen müssen.

Eine weitere große Herausforderung besteht darin, die richtige Entscheidung zu treffen: Welche Aufgaben kann intelligente Automatisierung übernehmen, welche der Mensch? In einer Expertenrunde wurde neulich genau dieser Aspekt diskutiert, anschaulich am Beispiel einer Fluggesellschaft. Die klare Aussage: 90 Prozent Sicherheit reichen nicht, darum werden auch weiterhin Piloten in den Flugzeugen sitzen, definierte Aufgaben manuell ausführen und bestimmte Entscheidungen treffen. Die Festlegung, wer was macht, bestimmen in diesem Szenario der Gesetzgeber sowie die Erfahrung und Best Practices aus der Vergangenheit. Zudem
ist das Potenzial auch abhängig von der Branche und jeweiligen IA-Funktion. Analytische Kompetenz spielt bei der Entscheidung eine große Rolle, weshalb Unternehmen bei der Einführung von IA-Lösungen auf erfahrene Partner setzen sollten.

Fazit: Visionen und Strategien für eine KI­-geprägte Welt

Die Arbeitswelt der nahen Zukunft wird also über gemischte Belegschaften verfügen, um neue Produktivitätslevel zu erreichen. Daher müssen Führungskräfte ihren Mitarbeitern jetzt zeigen, dass die teilweise vorhandene Furcht unbegründet ist. Um künftig am Markt wettbewerbsfähig zu sein, ist das Management folglich in der Pflicht, Visionen und Strategien für eine KI-geprägte Welt zu entwickeln. Dazu zählt übrigens auch, Mitarbeiter gemäß dieser neuen Chancen auszubilden und zu trainieren. Unternehmen sollten daher eine Roadmap entwickeln, die Konversationen auf Management-Niveau ermöglicht und Diskussionen mit der gesamten Belegschaft anstößt, was KI-Technologien und intelligente Automatisierung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeuten. Mensch mit Maschine – es geht nur gemeinsam.

Der Autor: Robert Gögele ist seit 1. Juni 2014 Geschäftsführer der Avanade Deutschland GmbH. Er verantwortet die Geschäftsentwicklung in den Bereichen digitale Dienste, Business-Lösungen und designorientierte Anwendungen. Digitale Technologien wie Künstliche Intelligenz, Robotic Process Automation, Analytics und Machine Learning sowie Mobile, Cloud und das IoT bestimmen über das Gelingen heutiger Unternehmensstrategien. Die Transformation herkömmlicher zu digitalen Geschäftsmodellen ist Robert Gögele daher ein besonderes Anliegen.