Kollaboration als digitaler Erfolgsfaktor

Aktuelle Kundenbedürfnisse stehen im Fokus moderner, digitaler Produkte. Was wir im privaten Umfeld von anderen Dienstleistern bereits für selbstverständlich halten, muss nun auch innerhalb der Versicherungsunternehmen etabliert werden. Die ersten Weichen dafür sind gestellt, denn Digitalisierung ist für die Branche nicht mehr länger nur ein Buzzword.

Moderne Technologien und innovative Lösungen sind in aller Munde und bieten der Versicherungswirtschaft vielfältige Chancen. Diese proaktiv zu nutzen, ist für den zukünftigen Erfolg der einzelnen Unternehmen ausschlaggebend. Das Bewusstsein hierfür steigt stetig, was sich beispielsweise durch die Etablierung interner Innovationsabteilungen in Versicherungsunternehmen ausdrückt.

Doch anstatt ausschließlich unternehmensintern an neuen Produktideen zu arbeiten, lohnt sich der Blick über den Tellerrand. Denn die stetig wachsende InsurTech-Szene bietet der Versicherungsindustrie mit ihren kreativen, technologie-getriebenen Lösungen und digitalen Talenten eine erfolgsversprechende Grundlage für die eigene Weiterentwicklung. In 14 unterschiedlichen Kategorien vereinen sich mittlerweile über 1.500 junge Unternehmen weltweit, die als „Insurance Technology“ oder auch „InsurTech“ klassifiziert werden können. Und das Interesse an ihnen ist groß: Im Jahr 2018 flossen laut des Venture Scanners 28 Milliarden US-Dollar von mehr als 1.300 Investoren in InsurTech-Startups. Somit ist das Investitionsvolumen zum Vorjahr erneut gestiegen (1). Dieses große Potenzial wartet darauf, von etablierten Versicherungsunternehmen genutzt zu werden.

Innovation Hubs: Gemeinsam mehr erreichen

Innovation Hubs wie das InsurLab Germany unterstützen Wirtschaft, Wissenschaft und Startups dabei, sich Kooperationen gegenüber zu öffnen, Partnerschaften zu schließen und gemeinsam Projektideen in die Realität umzusetzen. Sie dienen sowohl als Austauschplattform als auch als Ideenschmiede, Begegnungsraum und Förderumgebung. Als einer von zwölf Hubs der Digital Hub Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie bietet das InsurLab Germany mit seinem Netzwerk aus Startups, Versicherungsexperten und Partnern hierfür ein breites Angebot. Im Mai 2017 gegründet, konnte das InsurLab Germany bis heute 77 Unternehmen für sich gewinnen, die gemeinsam mit einem Startup-Netzwerk aus über 250 Startups weltweit an der Zukunft der Versicherungsbranche arbeiten.

Kooperationen, die aus dem InsurLab Germany entstanden sind, sind beispielsweise ein „SelfIdent“-Projekt zwischen dem Startup Nect und der R+V Versicherung, ein Amazon Alexa-Skill der VGH mit dem Startup Future of Voice sowie eine Kooperation zwischen dem Startup KASKO und der Zurich, die innerhalb von nur drei Tagen nach den ersten Gesprächen geschlossen wurde. Insgesamt konnte das „Insurtech-as-a-Service“-Startup KASKO bereits 15 Projekte mit vier Mitgliedsunternehmen beginnen.

Digitale Ökosysteme prägen die Zukunft

Die Zukunft der Branche wird sich um den Aufbau starker digitaler Ökosysteme drehen, die ohne kollaborative Ansätze nicht existieren können. Um dem Kunden der Zukunft komfortable, schnelle, maßgeschneiderte und sichere Lösungen bieten zu können, müssen Versicherer, Technologieexperten, Startups und Forschung eng zusammenarbeiten und in einem regen, transparenten Austausch miteinander stehen. Ein vielversprechendes Zielbild ist es, sich vom passiven Kostenerstatter zum aktiven Lebensbegleiter zu entwickeln. Prävention sowie individualisierte Kundenbetreuung und Produktentwicklung werden zukünftig einen wichtigen Platz in der Versicherungswirtschaft einnehmen. Aus diesem Grund fördert das InsurLab Germany intensiv den Austausch zwischen seinen Mitgliedsunternehmen und ruft eine Vielzahl an Formaten und Projekten ins Leben, die von den Mitgliedsunternehmen aktiv vorangetrieben werden.

Um Kundenerlebnisse dieser Art gewährleisten zu können, müssen sich Versicherer nicht nur innerhalb der eigenen Branche für Kooperationen öffnen, sondern zudem auch cross-industrielle Partnerschaften und Kooperationsmodelle anvisieren. Letztlich möchten sich Kunden zukünftig nicht mehr nur selbstständig mit verschiedenen Versicherungsangeboten auseinandersetzen, sondern direkt beim Kauf eines Produkts oder Inanspruchnahme einer Dienstleistung an ihre Bedürfnisse angepasste Absicherungsmöglichkeiten aufgezeigt bekommen. Beim Leasing eines Mietwagens oder einer Reisebuchung kann der Ökosystem-Gedanke bereits in seinen Ansätzen wahrgenommen werden. Direkt bei der Buchung werden dem Kunden bereits selbstverständlich Versicherungsmöglichkeiten aufgezeigt, die ideal auf den aktuellen Kontext des Kunden zugeschnitten sind.

Diese Art der Zusammenarbeit ist aber nur der Anfang einer neuen Ära an Kooperationen. Immermehr Versicherer suchen sich starke Partner anderer Industrien, um gemeinsam an innovativen Produkten und Services zu arbeiten, die über Plattformen und Web-Angebote hinausgehen. Die ersten „Smart Home“-Angebote rund um das vernetzte Zuhause sind erst der Anfang im Markt. Beispielsweise arbeiten Gothaer und Bosch seit kurzem eng zusammen, um einen digitalen Alltagshelfer rund um die Sicherheit des Kunden zu kreieren (2). Die Provinzial Rheinland und die Gothaer-Versicherung bieten ihren Kunden in Deutschland Wassersicherheitssysteme von GROHE an (3). Ziel ist es, frühzeitig Schäden und Wasserrohrbrüche bei Kunden des Versicherers zu erkennen und zu verhindern. In der Krankenversicherung ergänzen eHealth-Angebote die reine Versicherungsleistung zu einer echten Gesundheitsdienstleistung. In Kooperation mehrerer Versicherer wie z.B. Allianz, Gothaer und Barmenia bietet etwa vivy eine Gesundheitsakte für die Versicherten .

Grundsätzlich eröffnet sich hier großes Potenzial durch die Kooperation mit Startups, die kundenorientierte Lösungen und neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), IoT und Blockchain in die Entwicklung neuer Produkte und Services einfließen lassen können.

Alles in allem können wir den Service-Standard, den wir im Privatleben bereits von anderen Dienstleistern gewöhnt sind, in der Versicherungswirtschaft nur gemeinsam erreichen. Digitalisierung bietet der Versicherungsbranche die Chance, neue Lebensbereiche und Produkt-/Service-Segmente zu besetzen. Aus diesem Grund ist die Kollaboration mit Startups, Tech-Unternehmen und anderen Industrien ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Das InsurLab Germany steht als Plattform dafür, sich genau diesen Themen anzunehmen.

Die Autoren:

Dr. Mathias Bühring- Uhle ist Vorstandsvorsitzender InsurLab Germany e.V. und Vorstand für IT, Operations und Digitalisierung Gothaer Konzern. Er ist seit Januar 2009 Vorstand im Gothaer Konzern und verantwortet dort neben der IT, Operations und Digitalisierung die Bereiche Allgemeine Verwaltung, Zahlungssysteme, Informationslogistik, Konzernorganisation und Datenmanagement. 

 

Sebastian Pitzler, MBA, ist Geschäftsführer InsurLab Germany e.V. – der Plattform für die Vernetzung von Versicherern und InsurTech Startups in Deutschland. Das InsurLab Germany ist als Teil der sogenannten Digital Hub Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie InsurTech Kompetenzstandort in Köln.

 


(1)  https://www.venturescanner.com/blog/tags/venture%20scanner%20insurtech

(2)  https://www.versicherungsbote.de/id/4879485/Gothaer-will-mit-Bosch-zum-digitalen-Alltagshelfer-werden/

(3) https://www.grohe.com/de/corporate/news/category_news/pressreleases/pressrelease/news_5120.html