Künstliche Intelligenz (KI) ist Realität und hat bereits begonnen, das Gesundheitswesen grundlegend zu verändern. KI-Werkzeuge verbessern Diagnosen, beschleunigen die Wirkstoffentwicklung und unterstützen bei administrativen Tätigkeiten. KI-Modelle sind jedoch nur so gut wie die Daten, auf denen sie basieren. Multimodale Daten, die aus verschiedenen Quellen stammen (wie klinische, histologische oder genetische Informationen), spielen eine entscheidende Rolle. Im Gesundheitswesen ermöglichen die Integration und Analyse dieser Datenquellen präzisere Diagnosen, personalisierte Medizin und innovative Forschung. KI ist dabei der Schlüssel, um das volle Potenzial dieser Daten auszuschöpfen.
Wie Wissenschaft und große Technologiekonzerne einander helfen können
Kliniker und akademisch-medizinische Wissenschaftler sind Experten auf ihrem Gebiet. Sie diagnostizieren, behandeln, überwachen täglich Patienten und sammeln dabei eine große Menge wertvoller Informationen. Dadurch erhalten sie einen umfassenden Überblick über die Bereiche, in denen dringend neue bahnbrechende Behandlungsmethoden für stark gefährdete Patientengruppen entwickelt werden müssen. Um hier entsprechende Therapien und Wirkstoffe zu entwickeln, ist ein Datenaustausch und eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie essenziell.
Die Kooperation zwischen Wissenschaft und Industrie bündelt Ressourcen wie Finanzmittel, Rechenleistung und spezialisierte Ausrüstung. Durch die Generierung neuer Daten und die Standardisierung existierender Informationen wird die KI-Forschung vorangetrieben. Diese Zusammenarbeit maximiert das Forschungspotenzial, fördert ethische Standards und senkt Kosten. Zudem ermöglicht sie die Lösung komplexer Probleme durch die Kombination unterschiedlicher Fachkenntnisse, die individuelle Möglichkeiten übersteigen.
Ethik und Datenschutz und die Notwendigkeit einheitlicher Datenschutzregelungen
Die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie ist bei der Entwicklung von KI-Modellen zwar wichtig, aber nicht unproblematisch. In Europa bestehen häufig Bedenken hinsichtlich des Datenaustausches zwischen akademischen Einrichtungen bzw. Krankenhäusern und der Industrie. Die größten Bedenken gelten hier dem Datenschutz.
Der Datenschutz ist ein zentraler Aspekt beim Umgang mit sensiblen Patientendaten. Basis hierfür ist in der EU die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die in Deutschland durch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) umgesetzt wurde. Aufgrund der föderalen Struktur in Deutschland hat jedoch jedes Bundesland sein eigenes Landesdatenschutzgesetz. Hinzu kommt, dass das Thema Datenschutz sogar auf Ebene der akademischen Institute innerhalb eines Bundeslandes unterschiedlich umgesetzt wird, so dass die zu ergreifenden Datenschutzmaßnahmen selbst auf Institutsebene variieren können.
Diese Struktur erschwert die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie. Entsprechend sollten zukünftig gemeinsame Anstrengungen unternommen werden, um ethische Richtlinien und Rahmenwerke für KI-Forschung dahingehend weiterzuentwickeln, dass sie DSGVO-Konformität und Standardisierung über Länder- bzw. Institutionsgrenzen hinweg gewährleisten. Denn einheitliche Datenschutzregelungen sind essenziell, um die Zusammenarbeit in der medizinischen Forschung zu erleichtern. Forschungsprojekte und klinische Studien umfassen oft internationale Partner. Ohne einheitliche Standards kann die Handhabung und der Austausch von Daten zwischen Ländern komplex und risikoreich sein. Hier würde eine globale Harmonisierung helfen.
Ist der Aufwand den Ertrag wert?
Die Freigabe solch großer Datensätze kann mit großem Aufwand verbunden sein und birgt das Risiko eines Imageschadens. Aber der Aufwand sollte aus folgenden Gründen dennoch nicht gescheut werden:
- Große Technologieunternehmen können akademische Forschungsprojekte finanzieren, die ihren Interessen und ihren Fachkenntnissen entsprechen. Dadurch wird die Spitzenforschung an den Universitäten unterstützt und der Zugang zu den Ressourcen der Industrie ermöglicht.
- Beide Sektoren können ihr Fachwissen bündeln, um bei akademischen Publikationen und Präsentationen auf Konferenzen zusammenzuarbeiten. Forschungsergebnisse können so einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.
- Die gemeinsame Entwicklung von Open-Source-KI-Projekten fördert die Transparenz und den Austausch von Wissen und Werkzeugen innerhalb der breiteren KI-Gemeinschaft.
Konsortien und Partnerschaften zwischen Industrie und Wissenschaft
Der Zugang zu Daten aus unterschiedlichen Quellen ist für das Training und die Validierung robuster KI-Modelle von entscheidender Bedeutung. Transnationale Konsortien, an denen mehrere Universitäten und KI-Unternehmen beteiligt sind, können wichtige Initiativen vorantreiben, sind aber auch mit Herausforderungen verbunden. Klare Führung, juristisches und IT-Fachwissen sowie ausreichende Finanzierung sind erforderlich, damit diese Partnerschaften erfolgreich sind.
Ein Beispiel für die Nutzung großer Datensätze ist das MOSAIC-Projekt von Owkin, das den weltweit größten multimodalen Datensatz im Bereich der räumlich aufgelösten Einzelzell-Transkriptomik aufbaut. Nach intensiven Verhandlungen mit klar definierten Projektzielen konnten fünf Universitätskliniken aus vier Ländern zusammengebracht werden: Universitätsklinikum Erlangen (DE), Charité – Universitätsmedizin Berlin (DE), Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CH), Gustave Roussy (FR) und University of Pittsburgh (USA). Nach nur einem Jahr legt das Konsortium erste Ergebnisse vor. Ziel des MOSAIC-Projektes ist es, mithilfe von KI und der Analyse riesiger Datenmengen neue Therapieansätze für schwer behandelbare Krebsarten zu finden.
Was kommt als Nächstes?
Während das Potenzial der KI allmählich realisiert wird, verfügen Universitäten und Krankenhäuser über eine beispiellose Fülle an Daten, die die nächste Revolution im Gesundheitswesen vorantreiben werden. Durch Initiativen wie den Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) gewinnt die Sammlung, Strukturierung, Standardisierung und Bereitstellung von Patientendaten für die Forschung zunehmend an Bedeutung. Die positiven Auswirkungen auf die künftige Entwicklung neuer Medikamente, Diagnoseinstrumente und Behandlungsstrategien werden enorm sein.
Datenschutz und -Sicherheit sollten dabei weiterhin immer im Mittelpunkt stehen. Er ist es aber wichtig, einen ausgewogenen Ansatz zwischen dem Schutz personenbezogener Daten und der Förderung des wissenschaftlichen Fortschritts im Bereich KI zu finden, um den Datenaustausch und KI-Projekte zwischen Forschung, Industrie und medizinsicher Versorgung zu erleichtern und sicherzustellen, dass wir KI und deren Potenzial weiterhin als Change sehen – zum Nutzen der Patienten wie das Beispiel des MOSAIC-Projektes zeigt.