Juristische und steuerrechtliche Herausforderungen bei der Bereitstellung von Software-Assets über Plattformen

Wenn Unternehmen innerhalb der eigenen Unternehmensgruppe oder aber auch mit Unternehmen außerhalb Software-/Datenbestände („Software-Assets“) teilen und monetarisieren wollen, kann dies durch den Einsatz einer Plattform umgesetzt werden. Entscheidender Faktor dabei ist, dass eine Bereitstellung und ein nahtloser Handel der Software-Assets über alle teilnehmenden Unternehmen und Abteilungen hinweg ermöglicht werden. Bei der Umsetzung gilt es u.a., die folgenden juristischen (I.) sowie steuerrechtlichen (II.) Herausforderungen zu beachten und zu lösen.

I. Juristische Themenstellungen

Die juristischen Fragestellungen bei der Bereitstellung von Software-Assets drehen sich im Schwerpunkt um den Schutz des Rechts am eigenen geistigen Eigentum („IP-Rechte“) sowie um die Vermeidung von Rechtsverletzungen der IP-Rechte Dritter. Daneben spielt die interessengerechte Abbildung der gesamten Rechtsbeziehungen eine wichtige Rolle, was gerade bei der Weiterverwendung von Software-Assets innerhalb einer Unternehmensgruppe unterschätzt wird und im weiteren Verlauf dann ungewünschte Konsequenzen nach sich zieht. Neben diesen Punkten sind die jeweils im konkreten Fall relevanten (zwingenden) gesetzlichen Vorgaben (insb. Datenschutz und Kartellrecht) zu identifizieren und deren Umsetzung zu gewährleisten.

a. IP-Rechte an den Software-Assets

Um die IP-Rechte ausreichend zu schützen, empfiehlt sich ein mehrstufiges Vorgehen: In einem ersten Schritt muss im Rahmen einer Bestandsaufnahme ein belastbarer Überblick über die in dem jeweiligen Software-Asset enthaltenen IP-Rechte (insbesondere die Urheberrechte am Source Code) erfolgen. Denn nur wenn ein klares Verständnis darüber besteht, ob die IP-Rechte  bei dem bereitstellenden Unternehmen oder einem Dritten (im Fall von Open Source Software („OSS“) sogar bei einer ganzen Community) liegen, kann nachfolgend eine rechtssichere Weitergabe bzw. Bereitstellung erfolgen. Anschließend sind in einem zweiten Schritt der Empfänger und die Anforderungen zu bestimmen und durch entsprechende Lizenzbestimmungen sicherzustellen, dass es zu keiner Rechtsverletzung kommt.
Auf die leichte Schulter darf dies nicht genommen werden, da bei Verletzung der IP-Rechte Schadensersatzansprüche, Unterlassungsklagen oder sogar strafrechtliche Konsequenzen drohen. Neben den unmittelbaren finanziellen Schäden stellen insbesondere die Unterlassungsansprüche, also das Verbot der Nutzung der IP-Rechte, ein Risiko für Unternehmen dar, da von dem einen auf den anderen Tag ein strafbewehrtes Nutzungsverbot verhängt werden kann, welches die weitere Nutzung des Software-Assets ausschließt. Gerade bei unternehmenskritischen Funktionen kann dies zu erheblichen Herausforderungen im Unternehmensbetrieb führen, die bis zum Stillstand reichen können.
Mittels eines (technologieunterstützen) Software-Asset-Managements („SAM“) und korrespondierender Prozesse und Governance-Regelungen können diese Risiken erfasst und mitigiert werden. Dabei ist neben der Betrachtung von proprietären IP-Rechten auch ein ausreichendes Augenmerk auf die Verwendung von OSS zu legen. Wenn auch deren Einsatz in der Softwareentwicklung nicht mehr wegzudenken ist, stehen dem aufgrund der oft unklaren Lizenzbedingungen sowie des drohenden Verlusts von IP-Rechten bei sogenannten Copyleft-Lizenzen auch erhebliche rechtliche Herausforderungen entgegen, die wohlbedacht gelöst werden müssen (und können).

b. Intelligente Prozess- und Vertragsgestaltung

Damit die vorhandenen Software-Assets kein Schattendasein führen, sondern auch von der Zielgruppe angenommen werden, kommt der Prozess- und Vertragsgestaltung im Rahmen der Beschaffung eine entscheidende Rolle zu. Konkret kann dies durch eine standardisierte und modulare Gestaltung der Verträge erreicht werden, bei der die passenden Vertragselemente szenarienbasiert und entsprechend den tatsächlichen Anforderungen intelligent beigesteuert werden. Dabei gilt selbst dann, wenn die Software-Assets nur innerhalb einer Unternehmensgruppe bereitgestellt werden, ein „Arm’s Length“-Prinzip. Das bedeutet, dass zumindest im Hinblick auf die wesentlichen Rechte und Pflichten klare vertragliche Bestimmungen vereinbart werden müssen, wenn auch zumindest im Fall der Bereitstellung nur innerhalb der Unternehmensgruppe an der einen oder anderen Stelle auf eine Regelungsdichte verzichtet werden kann, die bei der Bereitstellung auch für Dritte anzulegen ist.
Dieser Gedanke ist auch bei der Prozessgestaltung aufzugreifen, wobei ein Kompromiss  zwischen den (gerade in der Europäischen Union strengen) gesetzlichen Vorgaben rund um den E-Commerce, etwa im Hinblick auf die Gestaltung der Bestellprozesse, und die Nutzerfreundlichkeit sowie die Niederschwelligkeit des Zugangs gefunden werden muss.
Spätestens an dieser Stelle müssen sich Unternehmen aber auch mit der Frage auseinandersetzen, ob sie neben der Bereitstellung von Software-Assets weitergehende Leistungen, wie etwa deren Implementierung, Betrieb und Pflege, anbieten möchten. Ist dies der Fall, sind die Verträge und Prozesse um entsprechende Elemente zu ergänzen. Bevor eine solche Entscheidung getroffen wird, sollten sich gerade Unternehmen, die einen ganz anderen Schwerpunkt als das Angebot von IT-Leistungen haben, das Angebot solcher zusätzlichen Leistungen gut überlegen, da der dahinterliegende Aufwand oft unterschätzt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Angebot auch auf Unternehmen außerhalb der eigenen Gruppe  ausgeweitet werden soll.

c. Compliance

Je nach Ausgestaltung der angebotenen Software-Assets bzw. unterstützenden Leistung und der konkreten Situation muss frühzeitig eruiert werden, ob zwingende gesetzliche Vorgaben oder sektor- bzw. unternehmensspezifische Vorgaben (etwa Finanz- oder Gesundheitswesen) eingehalten werden müssen. Idealerweise bereits während der Entwicklungsphase, ansonsten aber spätestens vor dem Angebot der Software-Assets müssen beispielsweise auf Fragen rund um Datenschutz (etwa die Privacy-by-Design oder -by-Default-Prinzipien der Datenschutz-Grundverordnung) oder IT-Sicherheit (z.B. Datentrennung, Geheimnisschutz usw.) nicht nur eine Antwort, sondern auch eine Lösung gefunden worden sein.
Werden unterstützende Leistungen wie etwa der Betrieb der Software-Assets angeboten, können bei einer Qualifikation als Auslagerung weitere sektorspezifische rechtliche (z.B. MaRisk und BAIT im Bankensektor) und technische (z.B. Schnittstellenanforderungen im Gesundheitssektor) Vorgaben gelten.

II. Steuerrechtliche Herausforderungen

Die Einhaltung steuerlicher Compliance-Vorgaben erfordert regelmäßig eine genaue Analyse des Sachverhalts. Diese ermöglicht im Anschluss die Identifikation der relevanten Vorschriften und der erforderlichen Schritte zu deren Einhaltung. Compliance-Vorgaben können sich auf Deklarationspflichten beziehen, wie die Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen oder -anmeldungen. Sie können aber auch formale Vorgaben etwa zur Ausstellung von Rechnungen betreffen, insbesondere im Zusammenhang mit Umsatzsteuerregelungen. Nicht zuletzt können die Preise selbst – also für die Nutzung des Marktplatzes oder der Software-Assets – steuerlichen Vorgaben unterliegen, jedenfalls dann, wenn die betreffenden Transaktionen innerhalb einer Unternehmensgruppe stattfinden. Im Folgenden werden beispielhaft einzelne steuerliche Aspekte dargestellt.

a. Herausforderung: steuerliche Verrechnungspreise

Finden alle Transaktionen zwischen unverbundenen Unternehmen statt, sind steuerliche Verrechnungspreise in der Regel kein Thema. Im Konzernverbund sieht das anders aus: Insbesondere, wenn die Unternehmen steuerlich in unterschiedlichen Ländern ansässig sind, greifen regelmäßig steuerliche Vorschriften, die bei der Preissetzung ein Verhalten „wie unter fremden Dritten“ vorgeben. Die Vorschriften sind meist sehr dezidiert und beziehen sich auf die Preissetzung ebenso wie spezielle Dokumentationsanforderungen. Für die Verletzung der Vorgaben sind in vielen Ländern Strafen vorgesehen, wie eine zum Teil drastische Erhöhung der lokalen steuerlichen Bemessungsgrundlage oder Strafzahlungen. Es drohen also die Verringerung von Nach-Steuer-Gewinnen ebenso wie negative Cashflow-Effekte.
Bei Software-Assets ist daher die Bepreisung der Assets samt nachgelagerter Dienstleistungen im Einklang mit den Vorgaben durchzuführen – ebenso die Vergütung für den oder die Marktplatzbetreiber.
Konzerninterne Preise dienen in der Regel als Steuerungsinstrument, um Anreizsysteme zu schaffen sowie eine optimale Ressourcenallokation und die Maximierung des Konzerngewinns zu ermöglichen. Es ist oft eine Herausforderung, diese operativen Konzernziele mit den steuerlichen Vorgaben in Einklang zu bringen.

b. Herausforderung: weitere steuerliche Aspekte

Viele der relevanten Leistungen, insbesondere Lizenzzahlungen, werden von einer Quellensteuerpflicht betroffen sein. Dann obliegt es dem Vergütungsschuldner, einen Teil der Vergütung einzubehalten, bei der Finanzbehörde seines Staates anzumelden und abzuführen. Unterbleibt ein notwendiger Quellensteuerabzug bei Zahlung, haftet der Vergütungsschuldner  für die Quellensteuer. Abhängig von den vertraglichen Vereinbarungen und den faktischen Rückgriffsmöglichkeiten kann die Quellensteuer dann bei ihm zu einer zusätzlichen und definitiven Belastung werden. Bei korrektem Einbehalt verringert sich aus Sicht des Lizenzgebers die Vergütung – ob und in welcher Höhe er ggfs. eine Erstattung oder  Anrechnung der Quellensteuer erhalten kann, hängt vom Einzelfall ab. Damit kann es dann aber auch dazu kommen, dass jedenfalls ein Teil der Quellensteuer definitiv wird und den Nach-Steuer-Gewinn ebenso wie den Cashflow reduziert.
Auch umsatzsteuerlich ist der Sachverhalt genau zu klären, damit die korrekten steuerlichen Schlussfolgerungen gezogen werden können: Ist die Transaktion umsatzsteuerlich als Lieferung oder Leistung anzusehen, wer ist Leistungsempfänger, gelten besondere Regelungen aufgrund der Art der Transaktion, welche formalen Vorgaben sind einzuhalten? Bei korrekter Erfassung und Einhaltung der relevanten Vorgaben wird sich hier in der Regel keine definitive Steuerbelastung ergeben, aber die Fallstricke sind zahlreich.
Bestimmte Tätigkeiten könnten zudem eine steuerliche Betriebsstätte auslösen, die regulatorischen Vorgaben unterliegt und für die steuerliche Gewinnermittlungen ebenso wie Steuererklärungen zu erstellen und einzureichen sind. Wird dies versäumt, kann es zu Doppelbesteuerung kommen, also der zweimaligen Einkommensbesteuerung der Betriebsstättengewinne, und zu zusätzlichen Strafen. Auch hier drohen also eine Verringerung des Nach-Steuer-Gewinns sowie negative Cashflow-Effekte.
Auf internationaler Ebene (OECD, EU) wurden in der jüngeren Vergangenheit diverse Empfehlungen bzw. Vorgaben zur Verhinderung von Steuervermeidung erarbeitet. Deren Umsetzung hat bereits zu zahlreichen Änderungen der lokalen Steuervorschriften in vielen Staaten geführt. Dies kann insbesondere Transaktionen über die Nutzung von Software und nachgelagerten Dienstleistungen betreffen, ebenso wie die Leistungen des Marktplatzbetreibers. Zudem gibt es derzeit Bestrebungen, darüber hinaus noch weitere steuerliche Anknüpfungspunkte für digitale Geschäftsmodelle zu schaffen. Die betreffenden Diskussionen sind schon weit fortgeschritten und lassen erwarten, dass sich jedenfalls für Unternehmen bestimmter Größenordnungen zusätzliche Compliance-Anforderungen ergeben werden.

c. Lösung: frühzeitige Einbindung von Experten

Die relevanten steuerlichen Vorgaben sind umfassend und betreffen unterschiedliche Bereiche. Gleichzeitig können sie sich gegenseitig beeinflussen und auch für nicht-steuerliche Aspekte (z.B. operative Steuerung) eine Rolle spielen. Zudem unterliegen die steuerlichen Vorgaben derzeit einem starken Wandel, wodurch die vorausschauende Planung noch anspruchsvoller wird. Um diese verschiedenen Ebenen von Komplexität zu beherrschen, empfiehlt sich die frühzeitige Einbindung von Experten, die mit den steuerlichen Themen ebenso wie den Besonderheiten für SaaS-Geschäftsmodelle vertraut sind. Sie können dabei unterstützen, für die Ausrichtung an operativen Zielen die gleichzeitige steuerliche Compliance sicherzustellen.

Die Autoren:
Claudia Lauten ist Partnerin bei der Deloitte GmbH WPG im Bereich Tax Transfer Pricing. Für „Industrial Products & Construction“ hat sie die Leitung für Tax & Legal Deutschland. Sie verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in steuerlichen Verrechnungspreisfragen, insbesondere zum Thema Streitbeilegung.

 

 

 

Dr. Till Contzen ist Partner bei Deloitte Legal und berät Mandanten zu allen rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Digitalen Transformation, der Auslagerung von IT-Infrastruktur und Geschäftsprozessen sowie der Entwicklung, Implementierung und dem Vertrieb von komplexen IT-Lösungen.