Instore-Technologie im stationären Handel ist in aller Munde. Doch im Vergleich zu asiatischen Multinationals gelingt es bis dato hierorts nur wenigen Händlern, diese erfolgreich einzusetzen. Wann macht die Einführung neuer Technologien tatsächlich Sinn? Bieten Technologien alleine eine Antwort auf die wachsenden Herausforderungen im Zeitalter der Digitalisierung? Oder sind vielmehr die veränderten Kundenbedürfnisse und Verhaltensmuster die wahren Treiber dieser Disruption?
Haupttreiber der Digitalisierung im Handel
Kaum eine Thematik prägt den Wandel in Retail-Unternehmen in den letzten Jahren so sehr wie die Digitalisierung. Dabei sind es zwei Treiber, die diese Transformation maßgeblich beeinflussen: technologischer Fortschritt und veränderte Kundenbedürfnisse.
Gerade Letztere – also die Verhaltensmuster und Bedürfnisse der Kunden – erfordern tiefgreifende Veränderungen und eine neue Form des Handels. Insbesondere die rasante Entwicklung in der Nutzung von mobilen Endgeräten bietet Retailern völlig neue Möglichkeiten. Über Smartphones etwa kann der Kunde einen Nutzen aus digitalen Offerten ziehen und eine im Zielbild individuelle und „seamless“ Shopping Experience genießen.
Für Händler eröffnet sich eine neue Palette an Wachstumschancen. Die Digitalisierung bedeutet nicht, dass der stationäre Handel ausstirbt, sondern erlaubt im Gegenteil, diesen zu revitalisieren und über hybride Shoppingmöglichkeiten in die Omnikanalwelt des Kunden einzubinden. Vorreiter hier sind Handelsgiganten wie Alibaba, der mit seinem Ladenkonzept „Hema“ den Kunden entlang der gesamten Einkaufsjourney online als auch offline einbindet, oder Amazon mit seinem vollautomatisierten „Amazon Go“ Store.
Warum ist der Erfolg von Instore-Technologien dennoch eingeschränkt?
Effizienzgewinne, zufriedene Kunden – das klingt vielversprechend. Insbesondere in Asien wird derzeit durch kundengetriebene Innovationen wie Tencents „We Chat“ der Handelsmarkt auf den Kopf gestellt. Warum also greifen nicht auch europäische Retailer vermehrt zu technologischen Innovationen? Die Antwort findet sich in der Betrachtung der Einstellungen beider Märkte zur Digitalisierung. Während der asiatische Markt von einer hohen Digital-Affinität seiner Kunden und leger aufgesetzten Datenschutzrichtlinien profitiert, ist das Umfeld in Europa ein anderes und zwingt zur Vorsicht bei der leichtfertigen Einführung neuer Technologien.
Neben einem strikter regulierten Handelsumfeld sind es auch die europäischen Kunden, die digitalen Innovationen mit mehr Vorbehalten und Zurückhaltung entgegenstehen und an einem klassischen Einkaufserlebnis festhalten. Hinzu kommt der oftmals noch am Anfang stehende Reifeprozess vieler Anwendungen. Es bedarf also einer genauen Auswahl der Technologien, damit sie in ihrem derzeitigen Entwicklungsstand einen tatsächlichen Mehrwert in der heutigen Customer Experience bieten können. Je besser der Kunde und seine Bedürfnisse verstanden werden, desto passgenauer können die digitalen Anwendungen eingesetzt werden.
Was genau sind Instore-Technologien?
Instore-Technologien lassen sich in zwei übergreifende Bereiche gliedern:
Technologien, die dazu dienen, die Customer Experience zu verbessern und so zu höherer Kundenzufriedenheit, Conversion, Loyalität und höherem Umsatz führen, wie z. B.:
- Augmented-Reality-Technologien wie z.B. AR-Spiegel in Umkleidekabinen
- Interaktive Bildschirme, die es dem Kunden vor Ort ermöglichen, selbst nach bestimmten Waren zu suchen
- Technologien zur Customization von Produkten wie z.B. 3D-Drucker oder Konfiguratoren am Bildschirm und Printer
Technologien, die dafür sorgen, dass die operativen Abläufe im Laden effizienter ablaufen und so Kosteneinsparungen ermöglichen, wie z. B.:
- Seamless-Check-out-Lösungen, damit Kunden z.B. im Laden haptische Erfahrungen machen und dann online bestellen können
- Roboter, um Kunden automatisiert durch den Bestellprozess zu führen
- Dynamische Preistags, die eine datenbasierte Anpassungen von Preisen in Echtzeit ermöglichen, um z.B. Real-Time-Promotionen zu bespielen
Eigentlicher Erfolgsfaktor: Instore-Technologie als Beschleuniger der bedürfnisgetriebenen Disruption
Kundenbedürfnisse treiben Disruption und Innovation. Entscheidend ist also nicht die Anzahl der bereits implementierten Technologien, sondern vielmehr die Art und Weise, wie diese das Einkaufserlebnis der Kunden verbessern. Zusätzlich formt ein komplexes Geflecht verschiedener Faktoren die Customer Retail Experience:
- Personal als Aushängeschild jeder Marke, welches dem Kunden ein einzigartiges, personalisiertes Verkaufserlebnis ermöglicht
- Aufbau und Store-Design, welches den Kunden durch sein Verkaufserlebnis leitet und Inspiration für neue (Impuls-)Käufe bietet
- Integration von Offline- und Online-Touchpoints, die eine nahtlose und konsistente Verkaufserfahrung über verschiedene Kanäle ermöglicht
- Interaktion mit Marke und Produkt am Point of Sale oder über Online-Kanäle und Social Media zum Teilen von Erfahrungen
- Personalisierung von Erfahrung und Angeboten passgenau auf die Kunden zugeschnitten
Retailer müssen zukünftig neue Herausforderungen konsumentenseitig, am Point of Sale und im Backend meistern. Dafür ist eine kundenzentrische Omnikanalstrategie unabdinglich. Diese ist schließlich auch die Voraussetzung, um mit neuen Technologien die Potenziale der Digitalisierung bestmöglich zu nutzen und Kunden langfristig zu begeistern.
Letztendlich ist bloße Technik kein Wundermittel für nachhaltigen Erfolg. Damit sich neue Instore-Technologien für Händler auszahlen, müssen die Investments einen langfristigen Mehrwert für den Kunden entlang seiner Experience ermöglichen. Nur wer es schafft, neue Technologien passgenau auf die Bedürfnisse seiner Kunden auszurichten, gewinnt – heute und morgen!
Der Autor: Axel Mayer ist Partner bei Deloitte Consulting und dort Leiter Retail und Customer Experience. Er ist Experte für kundenzentrische Strategien und digitale Transformation mit Schwerpunkt auf Retail Technology und berät führende Händler zu technologischen Entwicklungen im Front- und Backend-Bereich des Handels.