Innovative Start-ups als Kämpfer gegen Nahrungsmittelunsicherheit

In westlichen Ländern kommt es aktuell vermehrt zu Disruptionen in Lieferketten, Regale bleiben immer öfter leer. Obwohl solche Situationen für uns neu sind, sind sie in vielen Ländern bereits gang und gebe. Durch die wachsende Bevölkerung und dem damit verbundenen Raubbau an unserer Erde werden sich die Diskussionen rund um Nahrungsmittelunsicherheit in Zukunft noch weiter intensivieren. Wir als UMAMI kämpfen bereits jetzt gegen das Problem und forschen an innovativen Lösungen.

„Bis 2030 den Hunger beenden und sicherstellen, dass alle Menschen […] Zugang zu sicheren, nährstoffreichen und ausreichenden Nahrungsmitteln haben.“ Dieses globale Entwicklungsziel  wurde von den Vereinten Nationen im Zuge der Agenda 2030 zur Bekämpfung von Hunger und kalorischer Unterernährung veröffentlicht – und in der Tat hat sich in den letzten Jahren bereits einiges auf diesem Gebiet getan.
Bestehende Herausforderungen sollen durch Richtlinien, Innovationen und andere Nachhaltigkeitsbestrebungen in allen nahrungsmittelbezogenen Sektoren überwunden werden. Dennoch ist Nahrungsmittelunsicherheit weiterhin ein globales und vor allem vielschichtiges Problem, das unter anderem durch unfruchtbare Böden, Dürren, Bodenerosion und die Zerstörung von Lebensräumen verursacht wird.
Unsere Landwirtschaft ist stark von der Qualität des Bodens abhängig, auf dem sie betrieben wird und der Einsatz von chemischen Düngemitteln, Pestiziden und Übernutzung trägt zur sich verschlechternden Bodenqualität bei. Schlechte Qualität kann von reduziertem Nährstoffgehalt bis hin zu kompletter Unfruchtbarkeit reichen. Wir befinden uns in den meisten Gegenden aktuell in dem Stadium des geringeren Nährstoffgehalts und bewegen uns schleichend und nur schwer aufhaltbar in Richtung weitreichender Unfruchtbarkeit. Dieses Problem wird sich in Zukunft weiter verschärfen, wenn wir unsere Praktiken nicht durch nachhaltige Methoden ersetzen.

Neben steigender Unfruchtbarkeit von Ackerland, trägt auch die Zerstörung von maritimen Ökosystemen zur Nahrungsmittelunsicherheit

Ein weiteres Problem ist die Überfischung der Ozeane. Die exzessive Beschaffung von kommerziell wichtigen Fischarten führt zu einem dramatischen Rückgang der weltweiten Bestände und beeinflusst die marine Biodiversität. Der Verlust von Fischbeständen wirkt sich direkt auf die menschliche Ernährung aus, da Fisch eine wichtige Quelle für Proteine und Nährstoffe darstellt. Wenn der Fischbestand weiterhin sinkt, wird es schwierig werden, Fischprodukte weiterhin als wichtigen Bestandteil unserer Ernährung zu nutzen.
Darüber hinaus ist es schon jetzt fast unmöglich, die ökosystemische Integrität und damit die Gesundheit unserer Meere und aller darin lebender Arten zu sichern. Fischereimethoden wie Treibnetze, Schleppnetze und Grundschleppnetze zerstören den Meeresboden und können unerwünschte Beifänge verursachen.
Es ist wichtig, dass wir nachhaltige Methoden der Fischerei in Kombination mit einer nachhaltigen Fischzucht anwenden, um den Fischbestand sowie die marine Biodiversität zu schützen und die Nahrungsmittelkrise nicht weiter zu verstärken. Zusätzlich darf auch nicht vergessen werden, dass gesunde Meere effiziente CO2-Speicher sind und dass die Zerstörung der Ökosysteme die Klimakrise zusätzlich befeuert.

Wir kombinieren eine nachhaltige Permakultur mit dem Vertical-Farming-Ansatz.

Innovation ist Kernbestandteil für eine sicherere und nachhaltige Nahrungsmittelversorgung

Es ist unumstritten, dass innovative Lösungen gefunden werden müssen, um die Nahrungsmittelversorgung in Zukunft zu gewährleisten. Eine steigende Anzahl an Interessensgruppen arbeitet bereits daran, nachhaltige und wirtschaftliche Praktiken zu entwickeln. Dieser Wandel ist in allen Teilbereichen der Nahrungsmittelindustrie zu beobachten. Auf der einen Seite stehen die Bauern und Züchter, die versuchen, ihre traditionellen Praktiken zu verändern und ihren Betrieb über lange Frist nachhaltiger, ertragreicher und profitabler zu machen. Techniken reichen hier von Mischanbau, der einen integrierten Pflanzenschutz darstellen soll, bis hin zu „precision farming“-Techniken, bei welchen neue Technologien genutzt werden, um möglichst erfolgreich anzubauen.
Auf der anderen Seite findet man aber auch moderne institutionelle Forschungen großer Konzerne sowie Start-ups wie Umami, die die Farmpraktiken radikal verändern möchten. Einer dieser relativ neuen Ansätze ist vertical farming, bei dem Nutzpflanzen in vertikalen Ebenen unter kontrollierten Bedingungen angebaut werden. Die ursprüngliche Idee ist, dass durch den Einsatz von künstlicher Beleuchtung, Drainagesystemen und kontrollierter Luftzirkulation eine größere Menge an Produkten auf einer geringeren Fläche produziert werden kann als bei herkömmlichen Methoden auf dem Land. Außerdem ist es möglich, das ganze Jahr lang zu ernten und darüber hinaus in kürzeren Abständen, was zu einer besseren Nahrungsmittelversorgung beitragen kann.
Erntezyklen betragen in der konventionellen Landwirtschaft zwischen sechs und zwölf Monaten, wohingegen Umami in seinen „vertical farms“ täglich ernten kann. Da die Farmen in den Städten angesiedelt werden, können die Transportkosten gesenkt werden und es wird weniger Land benötigt, das ansonsten für andere Zwecke wie den Wohnungsbau oder den Umweltschutz genutzt werden könnte.
Obwohl dieser Ansatz bereits innovativ ist, wird dennoch eine große Menge an nicht nachhaltigen, externen Ressourcen benötigt, um gewinnbringend anbauen zu können, wie zum Beispiel Mineralien, Erde und große Mengen an Wasser. Zusätzlich können nur rein pflanzliche  Nährstoffe produziert werden. Beide Hürden können durch den Aufbau eines in sich geschlossenen Ökosystems genommen werden.

Geschlossene, zirkuläre Systeme können sich als das Perpetuum Mobile der Landwirtschaft und
Fischzucht erweisen

Ein Perpetuum Mobile der Fischzucht: Aquaponik verbindet die Aufzucht von Fischen und Pflanzen in einem Kreislaufsystem. Das Wasser aus der Fischhaltung bietet beste Nährstoffe für das Wachstum von Pflanzen. Diese wiederum filtern das Wasser und geben es sauber zurück in die Fischbecken. Grafik: Umami

Umami ist ein wichtiges Glied in der Innovationskette und konzentriert sich auf die nachhaltige Erzeugung von Nahrungsmitteln, insbesondere auf dem Gebiet der Permakultur (einer Landwirtschaftschaftsmethode, die auf der Schaffung von zirkulären Ökosystemen basiert, die sich selbst erhalten können). Wir kombinieren eine innovative, nachhaltige Permakultur-Technologie mit dem Vertical-Farming-Ansatz, um ein vollständiges Nahrungsmittelgewinnungssystem zu schaffen.

Der Indoor-Anbau macht unabhängig von unkontrollierbaren Witterungseinflüssen.

Diese Kombination nutzt Fischabfälle, um Nährstoffe für das Wachstum von Pflanzen bereitzustellen, während die Pflanzen das Wasser filtern und sauber zurück in die Fischbecken  abgeben. Das schafft ein vollständiges ökologisches System. Somit ist die zirkuläre Lösung dem traditionellen Vertical Farming einen Schritt voraus, da es komplett ohne Chemikalien, die Bakterien fernhalten und den PH-Wert regulieren, sowie Ganzkörper-Schutzkleidung der Farmer auskommt. Umamis Ökosysteme sind deutlich robuster und werden nicht durch kleinste Umwelteinflüsse aus der Balance geworfen. Aktuell können sowohl Microgreens als auch bestimmte Mengen an Muscheln, Shrimps und Fische so nachhaltig erzeugt werden.
Aber es soll weiter gehen! Eines unserer größten Forschungsprojekte beschäftigt sich mit der Skalierbarkeit der Technologie und der damit verbundenen Erweiterung des Produktportfolios hin zu Gemüse und Obst – beispielsweise Erdbeeren und Tomaten. Ein Anbau dieser Produktkategorien ist im Vertical Farming bereits üblich, stellt aber besondere Herausforderungen an ein in sich geschlossenes Ökosystem. Diese Herausforderungen betreffen vor allem den zusätzlichen Bedarf an Licht und Mineralien, der mehrere unterschiedliche Pflanzentypen versorgen muss.
Zusätzlich zu Obst und Gemüse kann in Zukunft stärker auf den tierischen Anteil des Ökosystems fokussiert werden– z.B. die Garnelen- oder Fischzucht. Eine nachhaltige Fischzucht ist zwar bereits ein erfolgreiches Nebenprodukt der Permakultur-Technologie. Diese kann aber skaliert werden und dabei helfen, unsere natürlich vorkommenden Fischbestände und die damit verbundene maritime Biodiversität zu schützen. Auch der Anbau von Früchten, Pilzen und Algen oder die Verwertung von Bioabfällen zu Biogas kann in den Kreislauf integriert werden und so den Einfluss auf die Umwelt reduzieren.
Zusätzlich zum Ausbau unseres Produktportfolios gibt es die Möglichkeit, die Technologie selbst zu skalieren und in Regionen mit schwierigen Umweltbedingungen (urbanes Gebiet, Regionen mit Wasserknappheit, Gebiete mit starken Tag/Nacht-Schwankungen etc.) zu nutzen. Damit ermöglichen wir der lokalen Bevölkerung einen direkten Zugang zu ganzjährig frischen Produkten, die keinen langen Transportweg hinter sich haben. Diese Option der Skalierbarkeit des Umami-Geschäftsmodells wird aktuell noch geprüft, beherbergt aber ein großes Potential.
Abgesehen von den diversen Zukunftsszenarien gilt es zu erwähnen, dass Umami mit seinen Produkten bereits jetzt einen Gewinn erzielt. Dies ist aktuell nur aufgrund eines Preisaufschlags möglich, der von unseren Kunden bezahlt wird. Der höhere Preis macht es augenblicklich nicht möglich, mit traditionell angebauten Produkten von Discountern zu konkurrieren. Umami ist allerdings optimistisch, dass sich bis 2030 eine Preisparität einstellen wird und die Produkte zu vergleichbaren oder sogar günstigeren Preisen angeboten werden können.
Diese Erwartung basiert auf zwei Hebeln. Zum einen sind wir uns sicher, dass eine Produktion in größerem Maßstab zu signifikanten Kostensenkungen führen wird. Und zum anderen glauben wir, dass der Preis für traditionell angebaute Artikel, aufgrund von Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen in den produzierenden Ländern, zwangsläufig steigen wird. Es ist zu erwarten, dass eine Preisparität zu einem Nachfrageschub für Produkte unserer Anbauform führen wird.
Neben unserer kommerziell orientierten Rolle treibt uns allerdings auch eine bewusstseinsbildende Rolle. Es ist wichtig, dem Endkonsumenten zu verdeutlichen, dass der Indoor-Anbau nicht immer steril sein muss und mit dem Einsatz schädlicher Stoffe und Chemikalien einhergeht. Im Gegenteil erlaubt unser Ansatz sogar deren gänzliche Vermeidung. Und dies ist nur einer der zahlreichen Vorteile dieser Technologie. Wir sind unabhängig von unkontrollierbaren Umwelteinflüssen, können auch zu untypischen Jahreszeiten produzieren –
und vor allem sind wir im finalen Stadium beinahe komplett autark von externen, nicht nachhaltig abgebauten Ressourcen. Es gibt also fundamentale Unterschiede, man darf nicht alle in den gleichen Topf werfen. Sobald dies in den Köpfen aller Menschen angekommen ist, sind wir sicher, dass das Interesse an unseren Produkten und Technologien steigen wird und immer mehr Personen bereit sein werden, einen höheren Preis für nachhaltige Produkte wie diese zu zahlen.

Wir müssen die Wende von einer Verschwendungs- und Wegwerfkultur in Richtung Circular Economy schaffen

Wir müssen die Wende von einer Verschwendungs- und Wegwerfkultur in Richtung Circular Economy schaffen.
Die Förderung von Innovationen in Anbau und Fischzucht ist ein zentraler Baustein für eine nachhaltige Wende und der damit verbundenen Bekämpfung von weltweitem Hunger. Um diese Wende zu erzielen, müssen wir alle an einem Strang ziehen – und in einem ersten Schritt muss das Bewusstsein für diese Probleme und die Auswirkungen auf uns alle weiter geschärft werden.
Aber noch weit wichtiger sind die Aktionen, die wir setzen, um die Herausforderungen zu stemmen und den Wandel zu starten. Förderung von Politik und Unternehmen, strategische Allianzen, aber auch unser privater Konsum nehmen dabei wichtige Rollen ein.
Wir hören immer öfter, dass es bereits viertel vor Zwölf ist, um unser Überleben auf dieser Erde noch zu retten. Dieser Aussage kann ich nur zustimmen.
Dennoch denke ich, dass wir uns bereits auf einem guten Weg befinden. Es ist Zeit zu handeln – und das haben bereits viele Menschen verstanden. Wenn wir es schaffen, uns von der aktuellen Verschwendungskultur wegzubewegen und sowohl im beruflichen als auch privaten Umfeld dem Circular-Economy-Gedanken mehr Beachtung schenken, werden wir auch den folgenden Generationen eine lebenswerte, vielleicht sogar bessere (Um-) Welt hinterlassen.

Der Autor:

Robin Bertschinger ist Mitgründer der Umami AG und führt das junge Unternehmen zusammen mit der Geschäftsleitung als CEO. Damit Umami auch in Zukunft reinste Lebensmittel mit außerordentlichem Geschmack produzieren kann, stellt er sicher, dass dem Team alle Ressourcen zur Verfügung stehen, um fokussiert auf ein Ziel hinzuarbeiten: der nachhaltigste Produzent von natürlichen Lebensmitteln zu werden.