Governance, Kompetenz, Mindset: Erfolgsfaktoren für die digitale Transformation im Maschinenbau

Unternehmen stehen unter immensem Veränderungsdruck. Haben sich Hightech-Maschinen einst allein dank hervorragender Ingenieurskunst verkauft, so gilt dies seit Längerem meist nur in Verbindung mit der passenden Software. Und in Zukunft wird eine Kombination aus Hardware, Software und digitalen Services entscheidend sein für die Wettbewerbsfähigkeit. Für eine erfolgreiche digitale Transformation von Maschinenbauunternehmen sind drei Kernelemente ausschlaggebend: Governance, Kompetenz, Mindset. Wir möchten sie am Beispiel von Körber erläutern.

Körber ist ein internationaler Technologiekonzern, der sich aus eigenständig agierenden und spezialisierten Unternehmen entwickelt hat. Ein Großteil von ihnen ist in verschiedenen Maschinenbau-Branchen tätig. Als Anlagenbauer ist es unser strategisches Ziel, die digitale Ebene unserer weltweit installierten Maschinenbasis zu besetzen. Zum einen, um unseren Kunden die Mehrwerte digitaler Anwendungen bieten zu können, und zum anderen, um unsere eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Körber ist deshalb dabei, sich selbst zu „digitalisieren“ und neu aufzustellen – mit einer umfassenden Technologiebasis, die das Domänenwissen aus dem Maschinenbau um Software und digitale Lösungen erweitert.
Strukturell bedarf es einer Kombination aus dezentral agierenden Unternehmern, die maschinennah digitale Geschäftsmodelle entwickeln, und zentral gesteuerten Experten, die Know-how zu digitalen Tools und Methoden mitbringen.
Diese Ausgangslage gilt so oder ähnlich für viele Unternehmen, insbesondere im Mittelstand. Die folgenden drei Kernelemente für eine erfolgreiche digitale Transformation haben daher auch eine entscheidende Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland.

Governance: Klare Rollenverteilung

Kernelemente der Digitalisierung erfordern eine zentralisierte Entscheidungsstruktur. Ohne ein uneingeschränktes Engagement des Top-Managements, klare Ziele, passende Anreizsysteme, langfristiges Investieren und kontinuierliches Monitoring wird die Transformation zu langsam und zu wenig ambitioniert ausfallen. Körber hat deshalb vor Jahren verschiedene Aspekte der Digitalisierung in die verbindlichen Unternehmensziele aufgenommen.
Für den Fortschritt der Transformation war es wesentlich, die Ausprägung der Rollen von CDO und CTO so aufeinander abzustimmen, dass jede aus ihren Mitteln heraus Wert stiften kann. In der traditionellen Aufteilung im Maschinenbau war der CTO verantwortlich für die installierten Anlagen bis zur Ebene der Automatisierung, während ein CDO sich mit der darauf aufbauenden digitalen Ebene befasst. Doch gerade die Schnittstelle zwischen diesen beiden Ebenen ist wesentlich für den Datenaustausch zwischen Maschine und Cloud. Für die Umsetzung vieler digitaler Services ist daher eine enge Zusammenarbeit zwischen CDO und CTO unerlässlich. Und während sich diese beiden Rollen im Kern mit den technologischen Grundlagen, der Transformation der Geschäftsmodelle und dem Aufbau eines Ökosystems aus Partnern befassen, so sollte der CIO den Fokus seiner Aktivitäten auf die interne Verfügbarkeit und den Betrieb digitaler Werkzeuge und Infrastruktur legen.
Für eine erfolgreiche digitale Transformation müssen nicht nur wesentliche Kompetenzen zentral aufgebaut, sondern auch bestimmte Aufgaben zentral koordiniert werden. Dazu zählen ein gemeinsamer Data Lake, eine gemeinsame Datenstrategie, ein digitales Portfoliomanagement und ein harmonisiertes Design für Anwendungen und Portale. Die entsprechenden zentralen Vorgaben bilden ein veritables Spannungsfeld mit der gewollten Autonomie der Portfolioeinheiten – eine beharrliche Überzeugungsarbeit für den digitalen Weg ist deshalb unerlässlich.
Die unternehmerische Verantwortung für den Aufbau digitaler Dienstleistungen obliegt den Portfoliounternehmen. Innerhalb der Maschinenbau-Einheiten bedarf es daher umsetzungsstarker digitaler Teams, die neue digitale Geschäftsmodelle entwickeln und sicherstellen, dass Maschinen gleich „ab ovo“ im Hinblick auf digitale Dienste entwickelt werden, damit das Kerngeschäft wettbewerbsfähig bleibt.

Kompetenzen: Digitaler Backbone als Beschleuniger

Die transformative Rolle von Software und digitalen Services berührt jedes Produkt und jeden Prozess. Entsprechend hat Körber vor einigen Jahren begonnen, die vorhandenen Kompetenzen im Zuge der digitalen Transformation substanziell zu erweitern.
Um digitale Lösungen anbieten zu können, muss eine Vielfalt an fachspezifischen Themen adressiert werden. Kompetenzen sowie Kapazitäten müssen entsprechend gebündelt werden. Organisatorisch sind dadurch bei Körber zentral gesteuerte Kompetenzzentren für Cloud-Technologien, Machine Learning, Konnektivität und Data Science entstanden.
Ein weiterer Schritt ist die digitale Befähigung von Mitarbeitenden in der Breite des Geschäfts. Wir sind überzeugt: Digitale Innovation gedeiht vor allem dann, wenn viele Menschen mit verschiedensten Perspektiven dazu beitragen und dafür Werkzeuge und eine große Vielfalt an Daten nutzen können. Es geht darum, für möglichst viele Mitarbeitenden Hürden abzubauen. Zu diesem Zweck investiert Körber unter anderem in einen konzernweiten Data Lake mit Low-Code-Werkzeugen zum Bau von digitalen Anwendungen sowie in eine für alle zugängliche Umgebung für Datenanalytik.
Die beschriebenen Technologien, Werkzeuge und Methoden bilden zusammen einen „digitalen Backbone“ zur Beschleunigung der digitalen Transformation. Dabei geht es weniger um das Heben von Kostensynergien. Unsere Motivation ist vielmehr, den digitalen Aktivitäten der einzelnen Geschäftsfelder grundsätzlich zum Erfolg zu verhelfen. Die unternehmerische Triebkraft sollte von den digitalen Teams unserer Maschinenbau-Unternehmen ausgehen. Sie nutzen den zentral vorgehaltenen „digitalen Backbone“, um zur Optimierung der installierten Maschinenbasis durchgängige digitale Geschäftsmodelle zu implementieren.

Das richtige Mindset: Marathon statt Sprint

Es ist unser übergeordnetes Ziel, Körber in eine datengesteuerte Organisation zu überführen. Für einen Konzern wie Körber ist das ein weiter Weg, denn digitale Lösungen und Services unterscheiden sich deutlich vom klassischen Maschinen- und Anlagenbau. Dabei werden wir den bestehenden Fokus auf den unternehmerischen Impetus und das vorhandene Domänenwissen im Bereich Maschinenbau beibehalten.
Digital Leadership hat daher als oberste Aufgabe, bei den Kolleginnen und Kollegen  kontinuierlich ein Bewusstsein für die Datenstrategie zu schaffen. Unser Augenmerk liegt auf der Nutzung von Maschinendaten für eine langfristige Wertschöpfung, mit Fokus auf Verbesserung des Betriebs möglichst vieler Maschinen mittels digitaler Services. Eine solche langfristige Perspektive durchzuhalten, fällt manchmal schwer. Hierbei ist das richtige Mindset entscheidend – digitale Transformation ist kein Sprint, sondern erfordert die Ausdauer eines Marathons.

Die Autoren:

Dr. Christian Schlögel ist seit 2018 als Chief Digital Officer Mitglied des Vorstands der Körber AG. Davor war er CDO und CTO der Kuka AG und in verschiedenen Managementpositionen beim Software-Konzern SAP tätig. Er promovierte in Wirtschaftsinformatik an der Universität Passau.

 

 

 

 

Dr. Dirk Lumma ist seit 2021 Chief Technology Officer und Geschäftsführer des Körber-Geschäftsfelds Digital. Davor war er als Head of Software Products für die Business Unit Digital Grid bei Siemens tätig. Er promovierte in Physik am Massachusetts Institute of Technology.