Frische Luft aus der Cloud: Transformation im Ventilatorenmarkt

Datengetriebene Geschäftsmodelle erweisen sich vermehrt auch in der Industrie als nachhaltige Umsatztreiber. Sie zu entwickeln und umzusetzen ist aber häufig eine große Herausforderung. Luft- und Antriebstechnik-Hersteller ebm-papst ging mit der Gründung eines Tochter-Start-ups einen ebenso mutigen wie erfolgreichen Schritt. Weitgehend unabhängig erweitert ebm-papst neo das Produktportfolio des Mutterkonzerns etwa um cloud-basierte Lösungen zur Überwachung der Luftqualität.

Frische Luft as a Service: Unter diesem Motto beliefert das 2018 als Think Tank gestartete Unternehmen ebm-papst neo seine Kunden mit einer ebenso energieeffizienten wie smarten Gebäude-Management-Lösung auf Cloud-Basis. Als Tochterunternehmen des weltweit anerkannten Luft- und Antriebstechnik-Herstellers ebm-papst kommt die Grundlage – Ventilatoren  – aus dem eigenen Haus. Diese zu digitalisieren und in ein nutzenbringendes Gesamtsystem zu integrieren, war jedoch eine Herausforderung. Sie zu meistern ist die Grundlage für eine umfassende Nutzung der Daten der Produkte des Mutter-Konzerns wie auch der gesamten Branche.

Neue Effizienztreiber gesucht

Warum dieser Drang hin zu mehr Digitalisierung? Zumal in einer Branche, die bislang eher traditionell unterwegs ist und selten als digitaler Vorreiter glänzt. Der Grund ist simpel: Zwar geht es ebm-papst als einem der Weltmarktführer im Bereich Ventilatoren, Motoren und Antriebe derzeit sehr gut. Seit der Einführung von elektronisch kommutierten Motoren (EC) Anfang der 1990er Jahre schwimmt das Unternehmen auf einer Erfolgswelle, da mit dieser Entwicklung der Wirkungsgrad von Motoren enorm verbessert werden konnte. Das Problem? Verbesserungen des Motorenwirkungsgrades sind nahezu ausgereizt. Da jedoch die ständige Produktoptimierung im Kern der ebmpapst-DNA verankert ist, suchte sich die Firma ein weiteres Geschäftsfeld.

Auch dafür bildete die Basis die bereits erwähnte EC-Technik, bei der jeder Motor, etwa von einem Ventilator, mit Elektronik ausgestattet wird und so in sich bereits ein Stück weit digital wird. Ab sofort waren ebm-papst-Ventilatoren also in der Lage, Nutzungsdaten zu erheben und zu liefern. Der nächste logische Schritt war dann, eine Lösung zu finden, um diese Informationen auch zu nutzen.

Weg vom Produkt, hin zum Nutzen

Dabei wollte ebm-papst radikal neue Wege gehen. Um das zu erleichtern, sollte eine größtmögliche Ablösung von den traditionellen Produkten und Prozessen stattfinden. Das war die Geburtsstunde von ebm-papst neo. T-Shirt statt Hemd, Du statt Sie, englisch statt fränkisch, UXDesigner statt Maschinenbauer: In fast allen Belangen unterscheidet sich das Start-up von dem Mutterkonzern. Diese neue Unternehmenskultur ist am Dortmunder Standort strategisch gewünscht, um bestmögliche Ergebnisse auf dem Feld der digitalen Lösungen zu erzielen. Mit Erfolg: ebm-papst neo entwickelt Produkte mit wesentlich umfangreicheren Funktionen. Dabei bietet die Firma ihren Kunden durch die Nutzung von bisher nicht beachteten Daten einen klaren Mehrwert, z. B. für saubere Luft.

Um das zu erreichen, investierte ebm-papst neo stark in internes Know-how, bewegt sich heute aber für große agile Geschwindigkeit in einem lebendigen Partner-Netzwerk aus Beteiligungen an anderen Unternehmen, Akquisitionen oder reinen Projekt-Kooperationen. Unter dem Leitmotiv „driven by data“ sucht ebmpapst neo nach Lösungen, die mithilfe von Daten größtmöglichen Nutzen versprechen.

Bei den ebm-papst-Ventilatoren heißt dieser Mehrwert Nachhaltigkeit durch höhere Energieeffizienz. Im Bereich Motor, Elektronik und Aerodynamik erzielen die Produkte schon höchste Wirkungsgrade. Wo finden sich dann weitere Einsparpotenziale? Wenn ein Gebäude bereits mit den derzeit besten Sub-Systemen wie Heizung, Klimaanlage usw. ausgestattet ist, kann eine Optimierung dieses Gesamtsystems nur noch dadurch erfolgen, dass diese optimal ausgesteuert werden und sich nicht gegenseitig behindern oder ineffizienter machen. Eine sensorbasierte Lösung für gewerbliche Gebäude und deren Innenräume, die das klassische Energiemanagement von Gebäuden auf eine cloud-basierte Plattform mit selbstlernenden Algorithmen verlegt, war die Antwort. Die künstliche Intelligenz vereint alle Daten aus den Sub-Systemen mit externen Informationen, etwa dem Verhalten der Menschen im Gebäude, Wetterdaten, wie schnell sich das Gebäude aufheizt oder abkühlt uvm. und berechnet daraus die optimalen Nutzungseinstellungen der Gebäudekomponenten. Das sorgt einerseits für hohen Komfort, aber auch für große Energiespareffekte, die mittels klassischer Technik nicht möglich wären.

Starkes Wachstum weiter erwartet

Die zugrundeliegende Technik wie auch die Software-Lösung sind zukunftsweisende, aber weitgehend noch unbekannte Angebote. Aus diesem Grund ist die Vermittlung des erzielten Mehrwerts der digitalen Lösungen so wichtig. Hier eine Vorreiterrolle innezuhaben, ist für ebm-papst neo daher Fluch und Segen zugleich. Einerseits sorgt das datengetriebene Lösungsportfolio für starkes Wachstum; klares Ziel ist es, den Umsatz bis 2025 von zuletzt 1 Million Euro auf dann 100 Millionen zu steigern und zu einer wesentlichen Ertragssäule für den Mutterkonzern zu werden.

Andererseits ist die Ventilatoren-Industrie sowohl auf Hersteller- als auch auf Kundenseite nicht so digital unterwegs, wie etwa andere Branchen. Anbieter schaffen bislang nur selten das richtige Umfeld, um Nutzern die sie erwartenden Vorteile klarzumachen. Und Kunden sehen nicht klar genug, welches Potenzial in den digitalen Gesamtsystemen steckt. Hier werden erst die kommenden Jahre das große Wachstum bringen, wenn ein eindeutiger „Game Changer“ gefragt und benötigt wird. Wie etwa Social Media bei Smartphones, so könnte das für Ventilatoren und Gebäude management Nachhaltigkeit und Energieeffizienz sein. ebmpapst hat mit seinem firmeneigenen Start-up jetzt schon die solide Basis geschaffen, um dann weiterhin ganz vorne dabei zu sein.

Der Autor: Thomas Sauer ist Geschäftsführer der ebm-papst neo GmbH & Co. KG und verantwortet den technischen sowie operativen Teil vor Ort in Dortmund. Bereits seit 20 Jahren arbeitet er bei ebm-papst, zuletzt als Group Director Digitalisierung und Elektronik in der Firmenzentrale in Mulfingen. Schon damals beschäftigte er sich mit der zukunftsweisenden Auslegung des Unternehmens.