ESG bestärkt Unternehmen, neue Wege zu gehen

Eine Regulierungspause ist der falsche Weg. ESG bedeutet eine große Chance für Unternehmen, um neue Märkte zu erschließen und Talente zu gewinnen. Wer unseren Wohlstand und die Lebensgrundlagen künftiger Generationen sichern will, sollte jetzt nicht zögern – sondern die immensen Vorteile ausloten, die eine ESG-Strategie für Geschäftsmodelle von Unternehmen bietet.

Mit gutem Zureden ändert sich wenig. Man mag gute Argumente haben, auch moralisch auf der richtigen Seite sein – letztendlich kann nur eine verbindliche Regel die Gesellschaft auf einen nächsten Level heben. Das beste Beispiel ist das Jahr 1984. Damals hatte die Bundesregierung die Einführung des Katalysators für alle Benziner-Autos beschlossen. Die Regierung musste handeln. Die deutschen Wälder galten als schwer belastet, der Begriff „Waldsterben“ machte die Runde. Mit dem gesetzlich geregelten Dreiwege-Katalysator wurden dann Stickoxide in schadlose Substanzen umgewandelt – und die Belastung der Umwelt deutlich reduziert. Aber es war eben keine freundliche Empfehlung an die Autohersteller: Wäre schön, wenn ihr das macht. Es war eine Verpflichtung – und eine positive Veränderung nahm ihren Lauf.

Die europaweite ESG-Regulierung für Unternehmen soll exakt diese positive Veränderung bewirken. Jedoch wurden in der EU zuletzt Stimmen laut, die eine Regulierungspause befürworten. Zu viele Regulierungen würden die Unternehmen belasten. In der Tat. Die Automobilindustrie befindet sich in der größten Transformation aller Zeiten. Die Konkurrenz aus China sitzt ihr im Nacken, die Inflation hat zu hohen Lohnforderungen geführt und die Energiepreise belasten Wirtschaft und Verbraucher. Harte Zeiten.

Grund für Pause findet sich immer

Ja, man kann diese Ansichten teilen und in die vielfältigen Klagen einstimmen. Aber man muss es nicht. Oder besser: Man sollte es nicht. Denn ESG (Environment, Social und Governance) ist Verpflichtung und Grundvoraussetzung für die nachhaltige Transformation. Es geht um nichts weniger als die Zukunft des Planeten – und es liegt an uns, eine Wirtschaftsstruktur zu schaffen, die sowohl die Lebensgrundlagen künftiger Generationen bewahrt als auch unseren Wohlstand sichert. Einen Grund für eine „Pause“ kann man immer finden – schwerer wird es, später sein Nicht-Handeln zu begründen.

Was eindeutig gegen eine Regulierungs-Pause spricht, sind die immensen Vorteile, die Unternehmen aus ESG ziehen können – und die damit verbundenen Chancen, neue Produkte zu entwickeln und neue Märkte zu erschließen. Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht. Die PWO-Gruppe ist ja ein klassischer Autozulieferer, spezialisiert auf die Herstellung von Komponenten und Systemen in Leichtbauweise, die in jedem Auto benötigt werden. Unser Vorteil ist, dass ganz gleich, welcher Antrieb unter der Haube eines Autos steckt, es keine Auswirkungen auf uns hat. Unser Geschäftsmodell ist vollständig unabhängig von der Antriebsart eines Fahrzeugs. Wir verlieren nichts durch den Wegfall der Verbrennermotoren. Dennoch haben wir neue Märkte im Blick. Die viel diskutierte Wärmepumpe gilt als nachhaltige Heiz-Alternative zu fossilen Energiequellen. Sie ist aber auch eine Chance für PWO, weil wir unsere Expertise in der Umformung von Stahl an der Grenze des technologisch Machbaren nun auch bei der Herstellung von Wärmepumpen einbringen können. Die Produktion ist bereits angelaufen.

Warum es jetzt auf eine schnelle Umsetzung der ESG-Kriterien ankommt

1. Notwendigkeit verbindlicher Regeln: Für eine nachhaltige Veränderung braucht es verbindliche Regeln, wie in der Vergangenheit zum Beispiel die Einführung des Katalysators in Autos gezeigt hat.

2. Ansporn für technologische Innovationen: ESG-Vorgaben können Unternehmen dazu motivieren, technologisch innovative Lösungen zu entwickeln.

3. Talente gewinnen: Eine klare Nachhaltigkeitsphilosophie hilft, Talente zu gewinnen und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu erhöhen.

4. Steigerung des Unternehmenswerts: Stringente ESG-Strategien können sich positiv auf den Börsenwert von Unternehmen auswirken, da der Markt Unternehmen mit Nachhaltigkeitsdefiziten zunehmend kritisch bewertet.

Technologisch zum Sprung ansetzen

Man kann es auch so sagen: Die ESG-Regulierung hält uns wach. Sie bestärkt uns, neue Wege zu gehen. Die Kernkompetenz der PWO-Gruppe ist es, Komponenten und Systeme aus Stahl besonders leicht zu machen. Zudem wird bei der Herstellung von Stahl viel weniger Kohlendioxid freigesetzt als bei der Herstellung von Kunststoff oder kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen. Ferner ist Stahl zu 100 Prozent recyclebar und es gibt bereits eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Auch gibt es bereits grünen Stahl. Autos, die leichter sind, verbrauchen weniger Kraftstoff – und sind damit umweltfreundlicher. Man kann es auch so sagen:
Je ambitionierter die ESG-Ziele, desto höher unsere Bereitschaft, technologisch zum nächsten Sprung anzusetzen.

Wenn es ein Unternehmen mit der Nachhaltigkeit ernst meint, hat das Strahlkraft – nach innen und nach außen. Wer eine klare und praxistaugliche Nachhaltigkeits-Philosophie vorweisen kann, vergrößert seine Chance, begehrte Talente zu gewinnen. Und wenn Unternehmen Verantwortung für die Zukunft übernehmen – steigert das nachweislich die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und damit auch die Identifikation mit dem Unternehmen.

Umgestaltung von Geschäftsmodellen

Nicht zuletzt wirkt sich eine nachhaltige Entwicklungsstrategie im Sinne der ESG-Kriterien positiv auf den Unternehmenswert aus. Der Wert börsennotierter Unternehmen, die stringente ESG-Strategien verfolgen, wird sich besser entwickeln als der von Unternehmen, die in diesem Bereich Defizite aufweisen. Das gilt allein deshalb, weil jenen Unternehmen nach und nach die Geschäftsgrundlage entzogen wird. Das preist der Markt ein. Auch deshalb stehen wir voll hinter Nachhaltigkeitszielen – selbst wenn sie in schweren Zeiten besondere Kraftanstrengungen benötigen. Hilfreich wäre, wenn deutlich Bürokratie abgebaut würde, denn nur so kann die Klimawende noch schneller und flexibler gestaltet werden. Für uns Unternehmen ist es nichts Neues, einen Strategieprozess anzustoßen. Das machen wir öfter. Dieses Mal wird es aber nicht nur um die Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle gehen, sondern um deren Umgestaltung. Sie werden sich oft tiefgreifend ändern – den gravierenden Änderungen entsprechend, die letztlich durch die Herausforderungen des des Klimawandels ausgelöst sind.

Fazit

Eine ESG-Regulierungspause würde nur die nachhaltige Transformation ausbremsen und das wäre bedauerlich, denn ESG ist auch eine große Chance für Unternehmen. ESG-Champions, die die gesamte Wertschöpfungskette betrachten – einschließlich der Umgestaltung des Lieferantennetzwerks, des eigenen ökologischen Fußabdrucks, des Produktdesigns und der Anpassung der Geschäftsmodelle an die Kreislaufwirtschaft –, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil.

Der Autor:

Carlo Lazzarini, Vorstandsvorsitzender und CEO der PWO AG, einem globalen Unternehmen der Mobilitätsindustrie, das durch Innovationen die umweltfreundliche Mobilität der Zukunft führend mitgestaltet und komplett verbrennerunabhängig positioniert ist.