Die Elektromobilität wird in den kommenden Jahren weltweit Marktanteile gewinnen und zunehmend in den Fokus der OEMs und Zulieferer rücken. Die großen Automobilzulieferer werden sich mehr und mehr aus den Verbrennungsmärkten zurückziehen. Zum Teil, weil die Technologie aufgrund der erwarteten Volumenentwicklung nicht mehr interessant ist, zum Teil aber auch, weil – insbesondere bei großen börsennotierten Unternehmen – die nach ESG-Kriterien „saubere“ Elektrotechnologie der „schmutzigeren“ Verbrennungstechnologie vorgezogen wird. In diesem Umfeld wird es vermehrt zu Carve-outs kommen, bei denen kleinere, spezialisierte Zulieferer oder Finanzinvestoren Unternehmen mit Fokus auf Verbrennungstechnologie übernehmen. In einem Umfeld, in dem zumindest in Europa mit sinkenden Marktvolumina zu rechnen ist, kann ein solcher Carve-out nur unter bestimmten Rahmenbedingungen erfolgreich sein, wie das Beispiel der Emitec Technologie zeigt.
Die Vitesco Technologies AG hat sich 2022 dazu entschieden, ihren Geschäftsbereich zur Entwicklung und Produktion von metallischen Trägern für Katalysatoren, einem wichtigen Bestandteil der katalytischen Abgasnachbehandlung, an den Private Equity Investor DUBAG Group aus München zu veräußern. Die Marke Emitec wurde in der Transaktion mit übertragen. Nach einem halben Jahr der Selbstständigkeit können wir eine erste positive Bilanz ziehen. Zur positiven Einschätzung trägt insbesondere der gute Auftragseingang und das Vertrauen der Kunden seit Übernahme bei. Möglich machen dies sechs wesentliche Erfolgsfaktoren, die bei dieser Transaktion vorhanden waren und die sich auch auf andere Carve-outs, insbesondere im Bereich Automotive, übertragen lassen.
Erfolgsfaktor 1: Eigenständiger Geschäftsbereich
Emitec war auch unter dem alten Eigentümer ein relativ eigenständiger Geschäftsbereich –und dadurch der Carve-out in einer volatilen Branche mit anspruchsvollen Kunden überhaupt erst stemmbar. Die Eigenständigkeit ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, da ein komplexer und langwieriger Carve-out von Assets gerade bei Automobilzulieferern den nötigen Fokus auf Verhandlungen mit Kunden, Datentransparenz und notwendige laufende Kostenoptimierung erschwert bzw. von Kunden auch bewusst ausgenutzt wird, um Zugeständnisse zu erzwingen. Daher sollte jeder Carve-out-willige Konzern vor einem Verkaufsprozess die Voraussetzungen für einen managebaren Carve-out schaffen.
Erfolgsfaktor 2: Marktführerschaft in der Nische
Emitec ist in ihrer Marktnische ein global führender Anbieter, der sich vom Wettbewerb und
Kunden in einer Umbruchsituation, wie sie ein Verkauf darstellt, nicht unter Druck setzen lassen muss.
Erfolgsfaktor 3: Globale Präsenz im Markt für Verbrennungsmotoren
Gerade im Bereich der Verbrennungsmotoren ist eine globale Präsenz essentiell, um auch in Regionen wettbewerbsfähig vertreten zu sein, die den Abschied vom Verbrenner nicht bereits für 2035 planen. Die Emitec ist mit ihrem Werk in Pune, Indien, diesen Weg gegangen und denkt auch über eine weitere Expansion in Südostasien und den USA nach.
Erfolgsfaktor 4: Investitions- und Finanzkraft
Emitec ist gut investiert und bietet zukünftig ausreichend freie Cashflows, um aus eigener Kraft Investitionen in neue Produkte und Kapazitäten zu schaffen.
Erfolgsfaktor 5: Potenzial für Diversifizierung und Expansion
Das bestehende Know-how und die Fertigungskapazitäten bieten Möglichkeiten zur Diversifizierung unter der neuen Eigentümerschaft. So konnte die Emitec beispielsweise bereits Aufträge im zweistelligen Millionenbereich in Non-Automotive-Bereichen wie Industrie- und Filterkatalysatoren gewinnen. Die Ausweitung der Produktpalette um neue Standbeine wie z.B. innovative Kaminfilterkatalysatoren für Holzfeuerstätten ist extrem wichtig, um auch im Zeitalter der zunehmenden Elektromobilität den Fortbestand des Unternehmens in Europa zu sichern.
Erfolgsfaktor 6: Planungssicherheit
Eine weitsichtige Gesetzgebung seitens der Politik ist zu wünschen, denn gerade spezialisierte Carve-out-Unternehmen sind für Auswirkungen von regulatorischen Eingriffen besonders
anfällig.
Wie die aktuelle Diskussion um die neuen Abgasnormen Euro 7 (PKW) / Euro VII (LKW) zeigt, werden durch gezielte Vorgaben einzelne Technologien bevorzugt, anstatt bei der Gesetzgebung eine Technologieneutralität zu wahren. Beispielsweise wurden die CO2-Emissionsstandards auf Basis einer Tank-to-Wheel-Betrachtung festgelegt, womit die CO2-Emissionen und Umweltbelastungen bei der Batterie- und Stromherstellung bewusst ausgeschlossen sind. Die hoffentlich bald in Kraft tretenden neuen Abgasnormen wurden deutlich abgeschwächt. Basis der Argumentation war eine übertrieben dargestellte Verteuerung der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren – so wurden teilweise Beträge von bis zu 2.000 Euro pro Fahrzeug genannt – die zu Lasten der Verbraucher und der Investitionen in die Elektromobilität gehen sollte. Fakt ist aber, dass im sogenannten EC Impact Assessment Mehrkosten zwischen 90 und 483 Euro ermittelt wurden.
Durch die laxeren Vorgaben wird Europa hier vermutlich erstmalig hinter den Abgasnormen in anderen großen Wirtschaftsräumen wie China und Nordamerika zurückbleiben – und damit der stark auf Exporte angewiesenen Automobilzulieferindustrie die Wettbewerbsfähigkeit erschwert. Denn die abgeschwächten Abgasnormen führen letztlich zu nicht konkurrenzfähigen Fahrzeugen/Komponenten und lassen Innovationen für die letzten Fahrzeuggenerationen mit Verbrennungsmotoren eher außerhalb Europas entstehen.
Fazit
Viele der großen namhaften deutschen und internationalen Automobilzulieferer treiben die Fokussierung auf die Elektromobilität voran und trennen sich von verbrennerlastigen Geschäftsbereichen. Unter gewissen Bedingungen sind solche Carve-outs für alle Beteiligten erfolgreich möglich und die Politik kann durch verlässliche sowie vorausschauende Gesetzgebung – wie beispielsweise der neuen Euro-7-Abgasnorm und den CO2-Emissionsstandards – ihren Anteil dazu beitragen.
Die Autoren:
Rolf Brück – Ingenieur. Geschäftsführer der Emitec und seit über 30 Jahren in führender Position im Bereich der Abgasnachbehandlung und Luftfilterung tätig.
Florian Hitzer – Wirtschaftsingenieur. Partner der DUBAG Group, einem in München ansässigen Private Equity Investor, und Aufsichtsratsvorsitzender der Emitec.