Ein technisches Compliance Management System soll dazu beitragen, Risiken aus produktbezogenen bindenden Verpflichtungen zu reduzieren. Bei der Einführung eines solchen Systems sind verschiedene Erfolgsfaktoren zu beachten. Dazu gehören u.a. ein klares Verständnis der Schnittstellen zu Compliance, Legal, Qualität und Research & Development (R&D) sowie der risikobasierte Ansatz zur Festlegung der Schwerpunkte des tCMS. In unserem Beitrag gehen wir genauer auf diese beiden Punkte ein und zeigen, wie Unternehmen von einem gut implementierten tCMS profitieren können.
Technical Compliance gewinnt stark an Bedeutung
Technical Compliance bzw. Product Compliance „bedeutet die Einhaltung der für das Unternehmen bindenden Verpflichtungen“[1]. Dieses Thema hat in den letzten Jahren, insbesondere in der Automobilindustrie, an Bedeutung gewonnen, u.a. weil die regulatorischen Anforderungen stetig zunehmen und die Komplexität der Produkte steigt. Dies führt dazu, dass immer mehr Unternehmen ein Technical Compliance Management System einführen[2] und dessen Bedeutung erkennen. Dabei stellt sich die Frage, wie dies sinnvoll und nach aktuellen Standards umgesetzt. werden kann. Dabei hilft, dass viele Unternehmen bereits über Compliance Management Systeme verfügen. Auch wurden vom Verband der Automobilindustrie
(VDA) Empfehlungen zur Umsetzung von Product Compliance Systemen veröffentlicht[1]. Eine weitere Orientierung bieten die Veröffentlichungen des US Department of Justice.
Technical Compliance ist Bestandteil des übergeordneten Compliance Managements
In der Schaeffler Gruppe existieren u.a. Compliance Management Systeme zu Geschäftsintegrität, Exportkontrolle, Steuern, Menschenrechten und Technical Compliance. Es ist sinnvoll, diese Systeme möglichst einheitlich und an Industrie- und Prüfungsstandards auszurichten. Die Verantwortung hierfür liegt in der Schaeffler Gruppe beim Group Chief Compliance Officer. Dabei ist auch zu beachten, dass Integrität ein fundamentaler Bestandteil der Geschäftspraxis der Schaeffler Gruppe ist. Sie ist ein wesentliches Element bei allen Compliance Systemen und wird durch ein einheitliches Compliance Management forciert.
Das Technical Compliance Management System (tCMS) bei Schaeffler wird analog zu anderen Compliance Systemen auf Grundlage des Prüfungsstandards (PS) 980 des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW)[3] etabliert und ist ein wesentlicher Bestandteil des Compliance Managements. Damit wird ein systematischer Ansatz gewährleistet, der darauf achtet, die im Unternehmen bereits vorhandene Compliance-Kompetenz optimal zu nutzen. Bei Schaeffler ist das tCMS im Vorstandsressort Forschung und Entwicklung beim Chief Technology Officer (CTO) verankert. Somit ist ein gutes Verständnis für bestehende und neue Produkte und Technologien vorhanden. Die organisatorische Verankerung eines tCMS ist unternehmensspezifisch und hängt unter anderem von den jeweiligen Verantwortlichkeiten und Organisationsformen ab. Neben R&D ist die technische Compliance oft auch in den Bereichen Qualität oder Compliance angesiedelt[2].
Bei der Einführung eines tCMS ist auch die Anbindung an die Qualitätssicherung genau zu betrachten. An diese bestehen Anforderungen, um die Produktintegrität eines in den Verkehr gebrachten Produktes herzustellen[4].
Risikobasierter Ansatz ist essenziell für ein Technical Compliance System
Risikomanagement ist ein wesentlicher Bestandteil jedes Compliance Management Systems. Um ein angemessenes und wirksames tCMS zu entwickeln, empfiehlt es sich risikobasiert vorzugehen, d.h. systematisch herzuleiten, wo im Produktportfolio welches Risiko besteht, dass bindende Verpflichtung bezüglich Technical Compliance potenziell nicht eingehalten werden. Daraus leiten sich dann die Themenschwerpunkte des jeweiligen tCMS ab[1]. Dies ist unternehmensspezifisch und hängt von den jeweiligen Produkten und Märkten ab. Dabei ist zu beachten, dass die Einhaltung der bindenden Verpflichtungen über den gesamten Produktlebenszyklus gilt. D.h. aus prozessualer Sicht sollte nicht nur der jeweilige Produktentstehungsprozess betrachtet werden.
Die Bewertung von Technical Compliance Risiken sollte regelmäßig und systematisch erfolgen, so dass sich die thematischen Schwerpunkte eines tCMS im Laufe der Zeit auch ändern können. Dies ist ein wesentliches Element der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Systems.
Insbesondere bei Unternehmen mit einem breiten Portfolio unterschiedlicher Produkte wird das tC-Risiko der Produktgruppen unterschiedlich sein. Entsprechend sind im tCMS risikobasiert Schwerpunkte zu identifizieren.
In der Neufassung des Prüfungsstandards IDW PS 980 wird explizit auf die Einführung einer Risiko-Kontroll-Matrix zur Identifikation und Dokumentation der entsprechenden Compliance Risiken hingewiesen[3]. Mit Hilfe des risikobasierten Ansatzes, d.h. der Identifikation der relevanten Themenschwerpunkte, kann eine Risiko-Kontroll-Matrix strukturiert befüllt werden. Dies ist ein hilfreiches Instrument, um zu erkennen, ob den identifizierten Risiken auch angemessene Maßnahmen und Kontrollen gegenüberstehen, um das jeweilige Risiko zu reduzieren. Die Effektivität der Risikoreduktion ist dann noch in der Anwendung zu prüfen. Die
Risiko-Kontroll-Matrix kann in einem nächsten Schritt ein weiterer wesentlicher Faktor zur kontinuierlichen Verbesserung und Weiterentwicklung des tCMS sein.
Fazit
Im Ergebnis kann das tCMS dazu beitragen, das Unternehmensrisiko für technische Compliance
Vorfälle zu reduzieren, der Sorgfaltspflicht der Unternehmensführung Rechnung zu tragen und
den Mitarbeitenden Orientierung zu geben.
Die Autoren:
Dr. Christian Gabriel ist Leiter Technical Compliance bei der Schaeffler AG. Er ist promovierter Physiker und seit 12 Jahren bei der Schaeffler Gruppe in verschiedenen Funktionen tätig.
Dr. Jörg Metzger ist Leiter Technical Compliance Management System bei der Schaeffler AG und seit 25 Jahren bei der Schaeffler Gruppe in verschiedenen Funktionen tätig.
Seit über 75 Jahren treibt die Schaeffler Gruppe zukunftsweisende Erfindungen und Entwicklungen im Bereich Motion Technology voran. Mit innovativen Technologien, Produkten und Services in den Feldern Elektromobilität, CO₂-effiziente Antriebe, Fahrwerkslösungen, Industrie 4.0, Digitalisierung und erneuerbare Energien ist das Unternehmen ein verlässlicher Partner, um Bewegung effizienter, intelligenter und nachhaltiger zu machen – und das über den kompletten Lebenszyklus hinweg.