Eine elegante Lösung gegen den Irrsinn des Home Routings

Eine elegante Lösung gegen den Irrsinn des Home Routings

Sobald sich eine SIM-Karte in einem ausländischen Netz befindet, werden alle mobilen Daten immer zurück in das Heimatnetz geschickt – selbst wenn sich ein Gerät mit einer Deutschen SIM-Karte in Australien befindet. Dieses „Home Routing“ hat zur Folge, dass schnell 500 Millisekunden an zusätzlicher Verzögerung hinzukommen, die sogenannte Latenz. Das Problem dabei: Ab bereits 150 Millisekunden beschweren sich Mobilfunknutzer über eine schlechte Verbindung. Bisher konnte diese Latenz nur mit massiven Investitionen in sogenannte „Local Breakouts“ verringert werden. Doch neue cloudbasierte Angebote versprechen Abhilfe – und das ohne eigene Investitionen. 

Was ist eigentlich Home Routing?

Home Routing ist ein altbekanntes Problem. Ein Beispiel: Ein deutscher Tourist möchte in Australien mit seinem iPhone und seiner deutschen SIM-Karte eine australische Website aufrufen. Der australische Mobilfunkbetreiber (MNO – Mobile Network Operator) hat nun aber keinerlei Information zu dieser SIM-Karte: Mit welcher Geschwindigkeit darf dieser Nutzer surfen? Hat er noch genug Geld auf seiner Prepaid-Karte?
Daher leitet der australische MNO sämtlichen Datenverkehr zurück in das Heimatnetz – nach Deutschland. Das Gerät erreicht das öffentliche Internet also in Deutschland, obwohl es sich in Australien befindet. In Deutschland wird nun die Anfrage über das öffentliche Internet zurück an den australischen Server geschickt. Die Antwort vom Server wird zurück nach Deutschland geleitet, dort in das Mobilfunknetz übergeben und dem Nutzer nach Australien gesendet.
Der Aufruf der Webseite in Australien wird also vier Mal um die halbe Welt geschickt. Dieser Irrsinn betrifft jedes einzelne Bit, das aus dem Ausland gesendet und empfangen wird.

Warum Home Routing ein Problem ist

Angenommen unser deutscher Nutzer nimmt in Australien an einem Teams Meeting mit australischen Kollegen teil. Durch Home Routing entsteht eine zusätzliche Latenz von rund 500 Millisekunden. 20 Millisekunden Latenz sind für eine Voice-over-IP-(VoIP-)Verbindung ideal. Ab 150 Millisekunden fallen sich die Teilnehmer schon zunehmend ins Wort – der Versatz ist schlicht zu groß.
Latenz ist auch im IoT-Umfeld ein echtes Problem: 5G wurde z. B. mit dem Versprechen eingeführt, Latenzen von wenigen Millisekunden zu ermöglichen. Das ist aber nur möglich, wenn sich das IoT-Gerät im Heimnetzwerk befindet. Im Ausland zeigt sich der Effekt des Home Routings unmittelbar durch eine höhere Latenz. Die Betreiber der Geräte könnten natürlich eine lokale SIM-Karte (z. B. eines australischen Anbieters) verwenden – je nach Land des Einsatzes. Für fixe Geräte wie smarte Stromzähler mag das eine Option sein. Doch die Mehrheit der Anbieter, die ihre Geräte mit Konnektivität ausstatten, verkaufen sie weltweit. Vom Autohersteller aus Wolfsburg bis zum Hersteller elektrischer Bootsmotoren aus Starnberg.
Diese Hersteller möchten sich nicht um Konnektivität kümmern, sie möchten einen MNO.

Wahl zwischen Pest und Cholera

Welche Möglichkeiten hat nun ein MNO, das Home-Routing-Problem zu lösen? Bislang boten sich zwei Lösungswege an:

  • Eigene Infrastruktur: Ein MNO könnte nun in allen relevanten Ländern eigene Packet Gateways (PGWs) bauen. Diese Gateways sitzen zwischen Mobilfunknetz und öffentlichem Internet und bilden einen sogenannten „Local Break Out“ (LBO). Anfragen einer SIM-Karte werden immer an das nächstgelegene PGW weitergeleitet – und dadurch wird Latenz verringert. Das Problem: PGWs sind große Investitionen, die überhaupt nicht für eine solche Nutzung ausgelegt sind. Sie sind konzipiert für riesige Datenmengen und Millionen paralleler Verbindungen, benötigen spezielle Hardware und entsprechende Leitungen – genau das Gegenteil eines Local-Breakout- Szenarios, bei dem nur ein Bruchteil der Kunden sich gerade im Ausland befindet. Jedes dieser PGWs hat also nur wenige Daten und Verbindungen zu verarbeiten: keine gute Investition.
  • Individuelle Verträge: Der MNO kann alternativ mit allen anderen Mobilfunkanbietern weltweit verhandeln, um einen Local Breakout in ihren Netzen zu erreichen. Dem Autor sind jedoch nur zwei Mobilfunkbetreiber bekannt, die darauf zurückgreifen – es mag vielleicht am Aufwand liegen.

Zur Wahl standen bisher also Pest oder Cholera: Hohe Investitionen in eigene PGWs – oder eben viel Zeit für Vertragsverhandlungen.

Local Breakout as a Service

Mit der zunehmenden Telko-Virtualisierung kommt nun eine weitere Option hinzu: Cloud-basierter Local Breakout as a Service.
Anstatt selbst weltweit PGWs zu errichten, können MNOs on-demand Local Breakouts erzeugen. Die Anbieter von Local-Breakout-Lösungen nutzen hierzu die Cloud-Infrastruktur bekannter Anbieter wie Amazon (AWS), Microsoft (Azure) oder Google (GCP). Deren Daten-Center sind bereits über die ganze Welt verteilt, verfügen über eine schnelle Internetanbindung und sind hoch-skalierbar – jedes einzelne ist also eine flexible und schnelle Local Breakout Location.
Die Verwaltung erfolgt dabei mittels einfacher APIs, mit denen MNOs ganz simpel festlegen, an welchem Local Breakout der Datenverkehr einer SIM-Karte enden soll.
Der klare Vorteil solcher As-a-Service-Angebote für MNOs: keine Investition in eine eigene Infrastruktur, einfache „Pay as you grow“-Modelle, kurze Vertragslaufzeiten und kein Wartungsaufwand.

Der Autor:
Toni Piehl, Director of Services bei DBOS, hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der IT und Telco Industrie u.a. Vade, Open-Xchange, Dovecot, Nokia und Telia. DBOS ist ein Dynamic Breakout Service für Mobilfunk- und Konnektivitätsanbieter (www.dbos.io).