Eine Cash-Kultur braucht breite Schultern

Working Capital Management (WCM) betrifft nicht nur Finanzen und Controlling, vielmehr kommt es auf die Verankerung im ganzen Unternehmen an. Der Holzwerkstoffhersteller Pfleiderer versteht das WCM daher als zentralen Steuerungsansatz, d.h. Ziele und KPIs werden top-down auf die verschiedenen Hierarchieebenen heruntergebrochen.

Im Laufe seiner langen Geschichte hat Pfleiderer verschiedene Phasen durchlaufen, sich stetig gewandelt – und ist an jeder neuen Herausforderung und Krise gewachsen. So schmerzhaft die Lernkurve in einzelnen Situationen war, bildet sie doch die Basis, um als Organisation ein besonderes Bewusstsein für „Cash“ als limitierte Ressource zu entwickeln. Die Erkenntnis, dass Cash nicht nur King ist, sondern existenzielle Grundlage für ein Unternehmen, wurde so zu einem Grundverständnis jedes einzelnen Mitarbeiters. Der Erfolg des Working Capital Management bei Pfleiderer liegt in dieser Verwurzelung und der daraus abgeleiteten gemeinsamen Zieldefinition.
Pfleiderer versteht das Working Capital Management als zentralen Steuerungsansatz, der alle Bereiche zwischen Einkauf, Fertigung und Vertrieb ebenso wie die übergeordneten Managementfunktionen wie Controlling und Treasury umfasst. Mit einer klaren Top-Down-Verantwortung beginnt die Setzung der Ziele auf Ebene der Geschäftsführung. Konsistente monetäre Zielvereinbarungen werden auf die entscheidenden Ebenen heruntergebrochen und auf verschiedenen Management-Leveln voneinander abgeleitet. Hierdurch werden neben den Zielen auch die Methoden und Strategien für Mitarbeiter in allen Hierarchien transparent und gefestigt.

Governance-Struktur und KPI-Reporting

Über die Jahre hat Pfleiderer zusätzlich eine Governance-Struktur etabliert, die auf dem Konzept einer festgelegten Ziel- und Zahlensteuerung beruht. Der Aufbau des KPI-Reportings und das Steuern der Kennzahlen mit verschiedenen Adressaten ist organisatorisch in allen Teilen des Konzerns verankert.
Key Performance Indicators (KPIs) ermöglichen es, den Erfolg des Kapitaleinsatzes im Produktionsablauf zu messen, zu überwachen und zu steuern. Unter anderem dienen in Kennzahlen ausgedrückte Bestandsziele und Zahlungsziele als quantifizierbare Maßstäbe, um die Leistung in Bezug auf das Working Capital zu bewerten und fundierte Entscheidungen zur Verbesserung der finanziellen Effizienz zu treffen. „Core-KPIs“ decken verschiedene Durchlaufzeiten von Kapital im Unternehmen ab: DPO (Days Payables Outstanding), DSO (Days Sales Outstanding) und DIO (Days Inventory Outstanding) sind zusätzlich zu der Einzelkennzahl in einer konsolidierten Beobachtungsgröße als CCC (Cash Conversion Cycle) zusammengefasst worden.
Mit der Steuerung dieser wesentlichen Kennzahlen wird der Fokus darauf gelegt, wie lange die Vorräte oder Forderungen benötigen, um sich in Cash zu wandeln bzw. wie weit sich die Fälligkeiten der Verbindlichkeiten ausdehnen lassen, bevor sie zum Liquiditätsabfluss führen. Im Management der KPIs haben Beschaffung und Vertrieb ebenso ihre Verantwortlichkeiten wie ein zentrales Supply Chain Management, Controlling oder Treasury Management.

Maßnahmen im Bestandsmanagement

Eine darin enthaltene Strategie für das Vorratsmanagement beinhaltet zum Beispiel die gesteuerte Lagerhaltung für schnell drehende Holzwerkstoffe sowie den Make-to-order-Ansatz für spezialisierte Produkte oder Kundeneinzelfertigungen. Im Bereich der Steuerung der Vorräte haben sich bei Pfleiderer viele Vorteile in der Bevorratungsstrategie durch das zentrale Supply Chain Management gezeigt. Zu den grundlegenden Maßnahmen im Bestandsmanagement gehört ebenso die Optimierung der Variantenvielfalt unserer Angebotspalette. Die Vereinfachung der Produkte und Varianten wirkt sich dabei vorteilhaft auf die Komplexität der Produktionsabläufe aus, wodurch sich die Kapitalbindung und Kosten nachhaltig reduzieren lassen. Zusätzlich bereinigt und optimiert dies die Bestandshaltung im Lager, so dass keine Notwendigkeit zu Abschreibungen auf nicht mehr genutzte Produkte besteht. Produkte mit geringer Umschlagshäufigkeit nehmen wir konsequent aus dem Sortiment.
Da kaum eine Aktivität im Unternehmen wirklich isoliert steht, wird auch der Vertrieb kontinuierlich in die Mitverantwortung für die Lagerhaltung einbezogen. Eine weitere Komponente stellen in diesem Zusammenhang auch die Vorteile für die Kapitalbindung beim Einsatz von Konsignationslägern dar – die der Einkauf als Bestandteil seiner Zieldefinition hat.

Liquiditätssteuerung und Risikomanagement

Eine unmittelbare Maßnahme zur Cash-Generierung im WCM liegt in der Verantwortung des Treasury. Forderungsverkaufsprogramme sind bei Pfleiderer schon lange eine solide Säule der Liquiditätssicherung und wurden über die Zeit immer wieder an Bedarfsänderungen und Konzernstruktur angepasst. Wir setzen hier auf langjährige Bankbeziehungen und eine Mischung aus einer ABS-Struktur und klassischen Factoring-Programmen. Die passend zum Grundgeschäft strukturierten Verkaufsprogramme sind dabei fest in interne Abläufe und IT-systeme integriert. Im Ergebnis zeigt sich durch den konsequenten Verkauf der Forderungen direkt nach ihrer Entstehung eine effektive Optimierung des Cash – mit gleichzeitigen Vorteilen für die verschiedenen Bilanzpositionen und -relationen. Zusätzlich erfüllt der dahinterliegende Versicherungsansatz durch eine Warenkreditversicherung eine wichtige Risikominimierung nicht nur bei verspäteter Zahlung, sondern insbesondere zur Absicherung von Forderungsausfällen. Zum Risikomanagement von Pfleiderer gehört zudem ein Frühwarnansatz, bei dem das Treasury gemeinsam mit dem Vertrieb und dem Accounting eng das Zahlungsverhalten, das Mahnwesen und das „Aging“ der Kundenforderungen beobachtet und bei Auffälligkeiten eine unmittelbare Berichtslinie an die Geschäftsführung besteht.
Auch auf der Zahlungsausgangsseite zeigt sich bei der Pfleiderer Gruppe der Vorteil einer zentralen Liquiditätssteuerung, welche durch ein Treasury-Management-System unterstützt wird und auf festgelegten Zahlungsplänen beruht. Wöchentliche Zahltage werden ebenso wie Monats- und Quartalsultimos eng gemanagt und mit der kurzfristigen Liquiditätsplanung und den Monatsbudgets abgeglichen. Eine Stärke in der Steuerung der Zahlungen liegt dabei in der vertrauensvollen Kooperation zwischen Treasury und Einkauf, die auch bei diesen Aufgaben die gemeinsamen Konzern-KPIs im Blick behalten.

Ein Teil der DNA des Unternehmens

Das kennzahlenbasierte Controlling des Working Capital Managements schließt die Klammer um die Governance-Struktur. Nachdem die gesetzten Ziele dem Management bereits zu Jahresbeginn bekannt und auch Bestandteil der persönlichen Incentivierung sind, werden über die etablierte Reporting-Struktur die Fortschritte und der Zielerreichungsgrad stetig abgeglichen. Durch diese Erfolgskontrolle kann bei Bedarf zu einem frühen Zeitpunkt gegengesteuert werden und die Liquiditätsposition sowie die Kapitalbindung bleiben in einem gesamtheitlichen Managementansatz im Fokus.
Das Working Capital Management leistet somit einen wertvollen Beitrag zum Einsatz der freien Mittel für die Geschäftsaktivitäten und die Investitionstätigkeit. Besonders in Zeiten erhöhter Volatilität und Unsicherheit – nicht nur an den Finanzmärkten – sind die Steuerung der Risiken in den Produktionsabläufen und der Cashposition essentiell.
Ein wirksames Working Capital Management darf niemals als Einmal- oder Ad-hoc-Maßnahme verstanden werden, sondern muss, um seine Wirkung nachhaltig zu entfalten, von Managern und Mitarbeitern auf allen Hierarchiestufen verinnerlicht werden – und damit über die Zeit zum Selbstverständnis und Teil der DNA des Unternehmens werden.

Die Autoren:
Dr.-Ing. Frank Herrmann ist CEO und COO der Pfleiderer Group. Nach Stationen bei Bain & Company, PwC und Gemini Consulting war er in führenden  Positionen bei der Braas Monier Building Group sowie URSA Insulation tätig.

 

 

 

Carsten Linker ist Head Treasury der Pfleiderer Group und steuert die Konzernliquidität und -finanzierung. Zuvor arbeitete er in Führungspositionen bei HOCHTIEF, Germanischer Lloyd/DNV und Marquard & Bahls. Er ist Präsidialmitglied im VDT e.V. (Verband Deutscher Treasurer).