Ein Marktplatzansatz zur Skalierung von Software

In den meisten multinationalen Unternehmen wird hervorragende Software in den verschiedenen Geschäftsbereichen und oft auch Ländergesellschaften sowie funktionalen Bereichen entwickelt. Die konzernweite Nutzung dieser Software ist jedoch leider häufig noch Wunschdenken. Dadurch treten Doppelentwicklungen, Fähigkeitslücken und langsamere Digitalisierung auf – in einem Umfeld mit hohem Digitalisierungsdruck und sehr eingeschränkten Entwicklerkapazitäten aus Sicht eines Entscheiders kaum zu akzeptieren. 

„Software“ kann vielfältige Ausprägungen haben: Modelle der künstlichen Intelligenz, voll umfänglich ausführbare Programme, APIs, Tools etc. Oft wird diese im Unternehmen entwickelt, um Geschäftsprozesse zu automatisieren, die Qualität von Geschäftsentscheidungen  oder der Produkte zu erhöhen sowie Kunden digitale Services zur Verfügung zu stellen. In den meisten Fällen werden allerdings die Verteilung und damit die Partizipation des gesamten Konzerns an diesen Softwareinnovationen durch die geografische Entfernung sowie technische, rechtliche, aber auch steuerliche Hürden behindert. Dadurch verpassen es Unternehmen, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Software stellt also eine Ressource für das Unternehmen dar. Im Gegensatz zu physischen  Ressourcen wird durch das Teilen von Software die Partizipation an dieser Ressource zu vernachlässigbar kleinen Grenzkosten erreicht. Teilen bedeutet hier also vor allem, dass alle Teile des Unternehmens gewinnen.

Der Marktplatzansatz

Um dies zu erreichen, sollte es Anreize für Geschäftseinheiten geben, die Software entwickeln, diese anderen Geschäftsbereichen zur Verfügung zu stellen. Daher macht es nicht nur aus steuerlichen Gesichtspunkten sehr viel Sinn, diese Software mit einem Preismodell zu versehen, sodass die dazugehörenden Investitionen auf alle partizipierenden Bereiche des Unternehmens verteilt werden. Hierzu bietet sich ein Marktplatz als Ansatz an.
Ein Marktplatz – also eine Plattform, auf der Anbieter und Nachfrager zusammengebracht werden und dort nach zentral festgelegten Regeln Handel betreiben können – bietet dem Unternehmen die Möglichkeit, Business-Prozesse nach rechtlichen, steuerlichen und internen Governance-Vorgaben auszugestalten und gleichzeitig den Austausch zwischen den verschiedenen Geschäftseinheiten in Bezug auf Software mit minimaler Reibung zu  unterstützen.
Eine solche Plattform sollte üblicherweise folgenden Funktionsumfang haben:

  • Transparenz schaffen: Um Nutzern einen Überblick zu verschaffen, welche Lösungen im Unternehmen vorhanden sind, sollte es einen Katalog der Anwendungen geben. So wird nicht nur sichergestellt, dass Anwendungen schnell gefunden werden, es wird auch einer Mehrfachentwicklung im Konzern entgegengewirkt.
  • Beschaffung abwickeln: Es sollte auf dieser Plattform eine App-Store-Funktionalität gegeben sein. Ein Nutzer sollte also für eine angebotene Software eine Lizenz erwerben und damit in einem digitalen Prozess die jeweils gültigen Verträge schließen können.
  • Verfügbarkeit sicherstellen: Eine automatisierte technische Bereitstellung der Software sowie die Provisionierung von internen und gegebenenfalls externen Nutzern stellt eine wichtige Funktion für die schnelle und reibungslose Nutzung der Software dar. Weiterhin ist die Verwaltung von Käufen sowohl für den Ersteller der Software als auch für den Nutzer wichtig. Dies schließt auch die Abrechnung der Nutzung der Software mit ein.

Ein solcher Marktplatz vereint also sowohl die Geschäfts- als auch die Technologiesicht. Erstere konzentriert sich vornehmlich auf eine sehr hohe Benutzerfreundlichkeit inklusive der schnellen Bereitstellung von Informationen sowie Demos von Software für den Nutzer, weitere wichtige Aspekte sind die flexible Preisgestaltung und konsumabhängige Abrechnung (zum Beispiel Anzahl der Benutzer, Anzahl der API Calls etc.).
Aus der technischen Perspektive stellt eine Marktplace-Plattform eine Referenzarchitektur zur Verfügung, um es Softwareentwicklern zu vereinfachen, ihre Lösung zu skalieren. Dazu gehört  es, die jeweilige Cloud-Infrastruktur bereitzustellen und dem Softwareentwickler viele Funktionen abzunehmen, die es braucht, damit aus einem kleinen Code ein echtes Softwareprodukt wird.

Die technische Bereitstellung beschleunigen und die Sicherheit erhöhen

Nehmen wir an, eine Geschäftseinheit hat ein Modell der künstlichen Intelligenz trainiert und möchte dieses anderen Geschäftseinheiten in einem Konzern zur Verfügung stellen. Hierzu benötigt man verschiedene Funktionsebenen um das Modell herum: Zunächst braucht es eine Laufzeitumgebung wie z.B. in der Cloud ein Kubernetes Cluster, Datenbanken etc. Weiterhin wird eine Zugangsverwaltung benötigt. In vielen Konzernen ist dies zunächst einmal die Single-Sign-on-Funktion, mit der sich Mitarbeiter üblicherweise in die firmeneigenen Systeme einloggen. In der dritten Ebene sind Maßnahmen zur Abrechnung vorzusehen, d.h. es muss eine Möglichkeit geben, die Nutzung bzw. das Nutzungsverhalten zu der bereitgestellten Software zu messen und mit dem gewählten Preismodell zu verbinden.
Die beschriebenen Ebenen sind im Grunde genommen für jede in einem Konzern entwickelte Software notwendig, um den Code zu einem Produkt werden zu lassen. Eine Plattform kann die Funktionsebenen standardisiert zur Verfügung stellen, sodass sich der jeweilige Entwickler voll und ganz auf die Implementierung seiner gewünschten Logik in die Software konzentrieren kann. Allein diese Standardisierung spart eine sehr hohe Anzahl an Entwicklerstunden und beschleunigt die Entwicklung von Software. Weiterhin werden so sehr schnell ein hoher Reifegrad sowie Sicherheitsstandard erreicht.

Der Deloitte SaaS Marketplace

Deloitte hat eine solche Plattform für sich intern entwickelt, damit Softwares, die in den Landesgesellschaften und den verschiedenen Geschäftsbereichen entwickelt wurden, für alle über 345.000 Mitarbeiter weltweit auf Knopfdruck zur Verfügung stehen. So kann Deloitte seinen lokalen Kunden extrem schnell Fähigkeiten in Form von Software zur Verfügung stellen, die in anderen Geschäftsbereichen und Ländern entwickelt wurde.

Mittlerweile stellt Deloitte diese Plattform als „White Lable“-Lösung auch seinen Kunden unter dem Namen CAMPfire zur Verfügung: Die Corporate Application Management Platform ist ein Softwareprodukt, integriert mit verschiedenen Cloud-Anbietern und lässt sich problemlos der kundenspezifischen Infrastruktur anpassen. Die Daten und die Softwareanwendungen verbleiben somit vollständig innerhalb der Kundeninfrastruktur, und Deloitte stellt lediglich die Orchestrierungsplattform zur Verfügung. Weitere Informationen findet man unter https://deloittecampfire.com/.

Der Autor:
Dr. Jan-Niklas Keltsch ist Director bei Deloitte Consulting und verantwortet das Produkt CAMPfire, eine Enterprise-SaaS-Marketplace-Lösung sowie den Deloitte-internen, globalen Marktplatz deloitte.ai zur Skalierung von Lösungen der künstlichen Intelligenz. Zuvor war er als CEO eines Venture-Capital-Unternehmens und als Start-up-Unternehmer tätig.