Die Rolle der digitalen Transformation bei der Restrukturierung von Unternehmen

In einer Zeit, in der Unternehmen zunehmend durch globale Krisen wie Kriege, gestörte Lieferketten und Cyber-Bedrohungen herausgefordert werden, wird die digitale Transformation zum Schlüssel für erfolgreiche Restrukturierung und erhöhte Resilienz. Eine strategisch durchdachte Integration digitaler Technologien und Prozesse trägt nicht nur zur Bewältigung aktueller Herausforderungen bei, sondern kann auch die langfristige Wettbewerbsfähigkeit sichern.

Die steigende Zahl der Regelinsolvenzen im Jahr 2023 verdeutlicht, dass Unternehmen vermehrt von Krisen betroffen sind. Die Ursachen für diese Krisen haben sich im Vergleich zu früher verändert: Ein toxischer Mix aus den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten, gestörten Lieferketten, erhöhten Energiekosten, starker Inflation, gestiegenen Finanzierungskosten und zunehmender Cyberkriminalität wirkt auf deutsche Unternehmen ein. Die Anpassung an diese komplexen Krisenursachen stellt eine grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Restrukturierung sowie eine erhöhte Resilienz der Unternehmen dar.

Dieses Special beleuchtet einen spezifischen Aspekt: Wie können digitale Tools und Ansätze zu einer erfolgreichen Restrukturierung beitragen?

Abbildung 1: Je früher eine Restrukturierung eingeleitet wird, desto größer ist der Handlungsspielraum. Quelle: FTI-Andersch

Ausgewählte digitale Erfolgsfaktoren für die Restrukturierung

Um digitale Technologien bei einer Restrukturierung erfolgreich einzusetzen, lassen sich sechs Erfolgsfaktoren identifizieren:

1. Digitaler Reifegrad: Die Analyse des digitalen Reifegrads eines Unternehmens ermöglicht eine umfassende Bewertung der digitalen Fähigkeiten und Identifikation von Optimierungspotenzialen. Durch die Implementierung moderner Technologien und effizienter Arbeitsprozesse kann die Restrukturierung effektiver gestaltet werden. Dies umfasst die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI), Automatisierung und datengetriebener Entscheidungsfindungen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

2. Präventive Datenplattform: Eine präventive Datenplattform schafft Transparenz über die tatsächliche Situation des Unternehmens. Auf Basis dieser Informationshoheit können fundiertere Entscheidungen verbunden mit kürzeren Reaktionszeiten getroffen werden. Dies erhöht die Resilienz von Unternehmen maßgeblich. Der Datenbedarf in Krisensituationen verändert sich. Dieser Artikel widmet sich dem Design einer präventiven Datenplattform, dazu gehören Inhalte, Richtlinien und Architektur der Plattform. Bei der Implementierung der Datenplattform spielen ebenfalls softe Faktoren wie Commitment des Managements und die Definition passender Arbeitspakete eine Rolle. So kann sichergestellt werden, dass die für die Krisenreaktion wichtigen Daten zeitnah und vollständig zur Verfügung stehen.

3. Digital unterstütztes Cash Management: Digitale Tools im Cash Management unterstützen Unternehmen dabei, ihre finanzielle Situation genau zu überwachen. Die Echtzeit-Analyse von Finanzdaten ermöglicht eine proaktive Steuerung des Cashflows. Dies ist besonders während Restrukturierungen entscheidend, um Engpässe zu vermeiden und Ressourcen effizient zu nutzen.

4. Cyber Security: Angesichts der steigenden Cyber-Bedrohungen ist eine umfassende Cyber- Security unerlässlich. Die Erfahrung zeigt, dass gerade Unternehmen in Transformationsprozessen häufig Ziel von Cyber-Angriffen werden. Durch den Einsatz fortschrittlicher Sicherheitslösungen können Unternehmen ihre IT-Infrastruktur schützen. Dies gewährleistet nicht nur die Vertraulichkeit und Integrität sensibler Daten, sondern auch die kontinuierliche Betriebsfähigkeit während der Restrukturierung.

5. PMO-Tool: Ein leistungsfähiges Projektmanagement Office-Tool (PMO-Tool) ist essenziell für die erfolgreiche Restrukturierung. Es ermöglicht eine effektive Planung, Überwachung und Steuerung von Projekten. Die Zusammenführung von Informationen, Ressourcen und Zeitplänen verbessert die Koordination aller Restrukturierungsaktivitäten und trägt zur termingerechten Umsetzung bei.

6. Digitale Datennutzung in der Produktion: Die Integration digitaler Technologien in die Produktionsprozesse ermöglicht eine erhöhte Effizienz und Flexibilität. Durch den Einsatz von Internet of Things (IoT)-Geräten, vernetzten Maschinen und Echtzeit-Analysen können Unternehmen ihre Produktionsabläufe optimieren. Dies ist entscheidend, um schnell auf Veränderungen reagieren zu können und die Restrukturierung erfolgreich umzusetzen.

Je früher, desto erfolgversprechender

Bei der Umsetzung der Restrukturierung gilt die Faustregel: Die Restrukturierung sollte dann beginnen, wenn sie eigentlich noch nicht notwendig geworden ist. Je früher eine Restrukturierung eingeleitet wird, desto größer ist der Handlungsspielraum und desto geringer der Handlungsdruck – und damit steigt die Chance auf eine erfolgreiche Umsetzung. Abbildung 1 macht deutlich, dass idealerweise bereits bei ersten Anzeichen einer Krise Maßnahmen ergriffen werden sollten – ist bereits eine akute Liquiditätskrise eingetreten, verengt sich der Handlungskorridor für strategische Maßnahmen und das reine “Löschen von Bränden” tritt
in den Vordergrund.

Strategische Herangehensweise

Eine strategische und koordinierte Herangehensweise bei der Auswahl und Implementierung digitaler Komponenten ist entscheidend für den Erfolg der Restrukturierung. Es ist unerlässlich, dass Unternehmen ihre Digitalisierungsstrategie sorgfältig auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen zuschneiden. Dazu gehört eine umfassende Analyse der Unternehmensstruktur, der vorhandenen Ressourcen und der Restrukturierungsziele. Die Identifikation von Schlüsselbereichen, in denen digitale Lösungen den größten Mehrwert bieten, sollte priorisiert werden. Ein holistischer Ansatz, der die verschiedenen digitalen Komponenten miteinander verknüpft, ermöglicht eine nahtlose Integration in die bestehenden Geschäftsprozesse. Hierbei erhält das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Elementen eine zentrale Rolle.
Die Implementierung digitaler Komponenten sollte nicht nur kurzfristige Anforderungen berücksichtigen, sondern auch die langfristige Vision und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens unterstützen. Dies erfordert eine flexible und skalierbare digitale Infrastruktur, die sich den sich ständig ändernden Bedingungen anpassen kann.

Einbindung der Stakeholder und erfolgreiche Umsetzung

Die Einbindung aller relevanten Stakeholder in den Digitalisierungsprozess ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Dies schließt MitarbeiterInnen auf allen Ebenen mit ein und ermöglicht es, Wissen und Erfahrungen zu nutzen, um eine reibungslose Implementierung sicherzustellen. Eine offene Kommunikation über Ziele, Fortschritte und Herausforderungen des Digitalisierungsprozesses fördert zudem das Verständnis und die Akzeptanz im gesamten Unternehmen. Unterstützt wird eine erfolgreiche Umsetzung neben den richtigen Tools durch ein strukturiert aufgesetztes TMO (Transformation Management Office)1 . Ein TMO bietet klaren Mehrwert:

  • Verzahnung der Programmziele mit der Unternehmensstrategie: Maßnahmeninhalte müssen zuallererst validiert werden. Anschließend gilt es, die richtige Priorisierung der Maßnahmen vorzunehmen und sicherzustellen, dass die Umsetzung der individuellen Maßnahme zur Erreichung der übergeordneten Unternehmensziele beiträgt.
  • Professionalisierung der Maßnahmenumsetzung: Hierunter zählen die Schaffung eines einheitlichen und strukturierten Rahmens (Termine, Kosten, Ressourcen oder auch Kundenzufriedenheit) sowie eines einheitlichen Verständnisses über Vorgehensweisen und Prozesse.
  • Definition einheitlicher Arbeitsweisen und Befähigung der MitarbeiterInnen: Die Festlegung allgemeingültiger „Spielregeln“, dazu gehören zur Unternehmensstruktur passende (IT-)Tools, geeignete Methoden sowie die Definition von Standards, sorgen für ein gemeinsames Verständnis und damit für effektives Arbeiten.
  • Regelmäßige interne Kommunikation: Kontinuierliche Information und Austausch stellen sicher, dass die Maßnahmen aktiv vorangetrieben werden, erhöhen das Verständnis und die Akzeptanz für das Programm im Unternehmen und fördern die Motivation der Beteiligten und weniger Beteiligten.
  • Wissenstransfer: Nicht weniger wichtig ist die eigentliche Befähigung und der Wissenstransfer an die MitarbeiterInnen des Unternehmens, damit das gemeinsam erarbeitete Wissen und die Vorgehensweisen in der Unternehmung verankert und nachhaltig, auch ohne externe Unterstützung, angewendet werden. Hierunter zählen die Konsolidierung, Strukturierung, Analyse und die Weitergabe von Wissen („Best Practice Sharing“).

Einen bewährten dreistufigen TMO-Projektansatz, bestehend aus (1) Konzeptionierung, (2) Implementierung und (3) operativer Umsetzung, stellt Abbildung 2 dar.

Abbildung 2: Strukturiert aufgesetztes dreistufiges Transformation Management Office (TMO) Quelle: FTI-Andersch

Fazit

Neben den in den einzelnen Beiträgen behandelten digitalen Erfolgsfaktoren spielen die „klassischen“ Erfolgsfaktoren in der Restrukturierung – wie etwa eine frühe Reaktion auf die Krise, eine strategische Herangehensweise und professionelles Krisenmanagement – für eine erfolgreiche Restrukturierung eine entscheidende Rolle. Gleichwohl sollten digitale Aspekte aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen und des beschriebenen toxischen Mixes an krisenverursachenden Faktoren im Rahmen einer Unternehmensrestrukturierung zunehmend Beachtung finden. Die digitale Transformation umfasst dabei nicht nur rein technologische, sondern auch strategische Initiativen. Eine durchdachte und koordinierte Vorgehensweise gewährleistet nicht nur den kurzfristigen Erfolg, sondern legt auch den Grundstein für eine resiliente, nachhaltige und zukunftsorientierte Ausrichtung des Unternehmens, vor allem bei sich schnell verändernden Rahmenbedingungen.

1 TMO und PMO werden teilweise synonym verwendet. Den eigentlichen Begriffen folgend, ist ein TMO enger zu fassen mit Bezug zu einer Transformation. Mit PMO kann ebenso das „Management Office“ eines Projektes außerhalb einer Transformation bezeichnet werden.

Die Autoren:

Dr. Henning Syllwasschy ist Partner bei FTI-Andersch. Als promovierter Wirtschaftswissenschaftler verantwortet er regelmäßig umfangreiche Unternehmenstransformationen und unterstützt insbesondere in den Bereichen Finanzwirtschaftliche Restrukturierung, Cash Management, Digitale Transformation und der Ableitung integrierter Unternehmensplanungen. In seiner rund 20-jährigen Beratertätigkeit in der Restrukturierung war er in zahlreichen Branchen tätig, dazu zählen der Maschinen- und Anlagenbau, der Gesundheitssektor, Automotive, Erneuerbare Energien, Logistik und Handel.

 

Christian Müller ist Senior Manager bei FTI-Andersch. Er erstellte zahlreiche Sanierungskonzepte im internationalen Projektumfeld und unterstützt Unternehmen beim operativen Cash Management und Fragen der Refinanzierung. In seiner über 6-jährigen Tätigkeit im Restrukturierungsgeschäft war er für Unternehmen u.a. in den Branchen Automotive, Anlagenbau, E-Commerce und Finanzdienstleitung tätig. Vor seiner Tätigkeit bei FTI-Andersch war er mehrere Jahre im Firmenkundengeschäft bei einer deutschen Großbank tätig. Der gelernte Bankkaufmann hat BWL und Management in Frankfurt und den USA studiert.

 

FTI-Andersch ist die führende Beratung für Unternehmen in komplexen Veränderungsprozessen und herausfordernden Siutationen und Teil der internationalen FTI Consulting Gruppe.