Die nächste Herausforderung: Payroll und Workforcemanagement in der HR Cloud

Die erste und mancherorts schon zweite Generation von großangelegten und globalen HR- Cloud-Implementierungen ist längst Geschichte. Dies trifft jedoch nicht für alle systemgestützten Prozesse zu. Während die meisten HR-Cloud-Implementierungen primär auf Talent Management, Personalstammdaten sowie Organisationsmanagement fokussierten, bleibt die Frage offen, was mit der Prozess- und IT-Landschaft rund um die Kernprozesse der Zeitwirtschaft und der Personalabrechnung geschehen soll.

Zeitwirtschaft und Personalabrechnung werden häufig noch durch historisch gewachsene und sehr individualisierte (lokale) Lösungen unterstützt. Zu komplex scheinen die Anforderungen, zu unreif die Produkte am Markt und zu hoch die notwendigen Investitionen, um auch diese – zugegebenermaßen etablierten – Systeme in die Cloud zu bringen.
Jedoch steigt der Druck auf die Unternehmen, ihre HR-Technologie-Strategie zu überdenken. Nicht zuletzt durch die SAP als weitverbreitetem Anbieter selbst initiiert, suchen Unternehmen aller Größenordnung und Reichweite nach einer zukunftsfähigen Lösung: Das angekündigte Ende des Supports für SAP ERP HCM, aber auch andere Beweggründe wie steigende Support- und Instandhaltungskosten, schwierige Umsetzbarkeit von (neuen) Compliance-Anforderungen, sowie fehlende Pläne zur Weiterentwicklung altgedienter Systeme und veränderte Mitarbeiteranforderungen verlangen nach einem Umdenken.
Mit zunehmendem Produktalter der implementierten Lösungen sowie vor dem Hintergrund neuer Anforderungen an diese Systeme scheint es jetzt an der Zeit, auch die Systemlandschaft rund um Zeitwirtschaft / Personaleinsatzplanung und Personalabrechnung zu standardisieren und zu modernisieren.

Lösungsansätze

Vordringlichstes Ziel ist es, die bestehende, limitierte und wartungsintensive Software-Landschaft zu ersetzen. Die etablierte Umgebung unreflektiert in eine neue, moderne Cloud-Software zu überführen wird die bestehenden Probleme nicht beseitigen, sondern nur verlagern.
Vielmehr soll die angepeilte Transformation zum Ziel haben, die allgemeine Digitalisierungsstrategie des Unternehmens zu unterstützen. Den Mitarbeitern, Führungskräften und HR sollen eine attraktive und effiziente Lösung als integrierter Bestandteil der übergeordneten Employee Experience angeboten und die Steuerung der Serviceerbringung  anhand geeigneter Kennzahlen ermöglicht werden. Nicht zuletzt müssen bestehende Compliance-Risiken beseitigt und es muss legalen sowie tarifrechtlichen Rahmenbedingungen entsprochen werden.
Während der Zeitwirtschaft, inklusive Personaleinsatzplanung (soweit relevant), auch in der  Vergangenheit bereits eine strategische Funktion im Unternehmen zugestanden wurde, lag der Fokus bei der Personalabrechnung vorrangig auf Effizienz und Fehlerfreiheit. Doch neben der Integration der Daten (zwischen Zeiterfassung, Personaleinsatzplanung und  Personalabrechnung) sind es insbesondere veränderte Anforderungen und innovative Lösungskonzepte, die zukünftige Lösungen prägen und Unternehmen nun handeln lassen:
In der Personaleinsatzplanung machen veränderte Mitarbeiteranforderungen zur Flexibilisierung und Selbstbestimmung der Arbeitszeit die Auseinandersetzung mit modernen Lösungen unabdingbar. Auf Wunsch des Mitarbeiters lassen sich Arbeitszeitplanungen selbstständig anpassen, um Änderungen von Lebensumständen gerecht zu werden. Schichten können interaktiv getauscht und offene Schichten Mitarbeitern angeboten werden, die mehr Stunden arbeiten möchten. Mithilfe künstlicher Intelligenz bieten moderne Systemlösungen enorme Potentiale, die knappen Ressourcen effizienter einzusetzen und Führungskräfte von administrativen Aufgaben zu entlasten.
Häufig wird auch die Bedeutung der Personalabrechnung in der Betrachtung als reiner Supportprozess noch unterschätzt. Neue Ansätze helfen beispielsweise, repetitive Aufgaben zu  übernehmen und über die Erkennung von Anomalien und Beantwortung von Nutzeranfragen im Self-Service zur Kostensenkung beizutragen. Auch hier kann den Anforderungen von Mitarbeitern zur Selbstbestimmung über einen flexiblen Zugang zum Mitarbeiterentgelt entsprochen werden und somit eine Verbesserung der Employee Experience erreicht werden.*  (*Gartner (2021), “Market Guide for Multicountry Payroll Solutions”, p.11)
Auch wenn der Anbietermarkt durch hohe Fragmentierung gekennzeichnet ist, hat der Reifegrad vieler Lösungen erneut zugenommen. Sowohl in der Personalabrechnung als auch in der Zeitwirtschaft / Personaleinsatzplanung haben innovative Konzepte etablierter und neuer Anbieter inzwischen Marktreife erreicht. Nicht zuletzt die zunehmend integrierte Betrachtung von Personaleinsatzplanung und -abrechnung zeigt, dass sich die Auseinandersetzung mit der Weiterentwicklung der HR-Technologie-Strategie zum jetzigen Zeitpunkt lohnt. Die nächste Welle der Digitalisierung von HR wird Personalabrechnung und Personaleinsatzplanung in den Mittelpunkt stellen!

Der Autor: Markus Böing ist Partner der Service Line Human Capital Advisory bei Deloitte in Deutschland. Seit mehr als 20 Jahren tätig in führenden Positionen globaler Consulting-Unternehmen fokussiert er branchenübergreifend auf Strategie-und Umsetzungsprojekte sowohl für HR-Technologie als auch HR-Transformationsprojekte. Als verantwortlicher Partner für „Digital HR“ inspiriert und gestaltet er mit seinem Team die digitale Komponente der Zukunft der Arbeit.