Die Automatisierung ist in vollem Gange. Stichwörter wie „Robotic Process Automation (RPA)”, „Machine Learning“ und „Künstliche Intelligenz“ sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch welche dieser Automatisierungsformen hat schon heute einen adäquaten Reifegrad erreicht und welche zeigt sich als potenzielles Zukunftsszenario? Wer heute zukunftsorientierte Entscheidungen für ein Unternehmen treffen möchte, muss sich die technologische Gegenwart veranschaulichen und intensiv mit möglichen künftigen Entwicklungen auseinandersetzen.
Zu Beginn dieser Auseinandersetzung ist es entscheidend, eine einheitliche Definition zugrunde zu legen und die Bedeutung und Unterschiede der einzelnen Technologien zu verstehen. In diesem Kontext sprechen wir von künstlicher Intelligenz (KI) als Sammelbegriff, der die Interaktion zwischen Mensch und Maschine klassifiziert. KI stellt einen Sammelbegriff für Techniken dar, mit deren Hilfe ein Computer Aufgaben erledigen kann, für die ein Mensch seine Intelligenz benötigt.
Über die Unterscheidung zwischen schwacher und starker künstlicher Intelligenz lassen sich die Facetten der einzelnen Technoligen besser verdeutlichen und die Beeinflussung der Interaktion zwischen Mensch und Maschine verstehen. Während schwache künstliche Intelligenz die kognitiven Prozesse des Menschen bei der Lösung einzelner, konkreter Problemstellungen unterstützt, so besitzt starke künstliche Intelligenz mindestens die gleichen kognitiven Fähigkeiten wie der Mensch. Während also schwache KI unterstützend wirkt, ist starke KI in der Lage, komplexe Themenstellungen ganzheitlich zu erfassen und zu bearbeiten.
Beziehen wir uns in diesem Zusammenhang auf die eingangs genannte technologische Gegenwart, so finden wir im Rahmen unserer Analyse die Technologie Robotic Process Automation (RPA). Bei dieser Form der Automatisierung werden hochgradig standardisierte, einfach wiederholbare Aufgaben mit strukturierten Daten von Software-Robotern übernommen. Eine RPA-Lösung ist beispielsweise in der Lage, die Pflege der Kundenstammdaten in SAP zu übernehmen, Excel-Dateien auszulesen, Daten von einem System in ein anderes zu übertragen oder sich relevante Daten aus dem Internet zu laden. Auch die Nutzung von virtuellen Assistenten ist in diesem Kontext keine Seltenheit. Diese können beispielsweise textuelle und auditive Kundenanfragen durchführen. RPA und virtuelle Assistenten
sind die schwächste Form einer KI und können aus technologischer Sicht als erster Schritt auf der Reise zur künstlichen Intelligenz genutzt werden. Gerade aus diesem Grund hat RPA in der Praxis einen zunehmenden Reifegrad entwickelt.
Smarte Lösungen gehen einen Schritt weiter und ermöglichen im Vergleich zu rein regelbasierten Anwendungen zum Beispiel auch die Verarbeitung von unstrukturierten Daten. Hierbei werden komplexere Prozesse meist durch Kombinationen von RPA und Machine-Learning-Komponenten automatisiert. So ermöglichen Machine-Learning-Komponenten die genaue Extraktion von Daten aus Eingangsrechnungen, während RPA-Roboter diese Daten weiter prozessieren. Smarte Lösungen bilden damit die nächste Stufe der Automatisierung, hin zu einer stärkeren künstlichen Intelligenz und finden sich zunehmend in Pilotprojekten der Praxis wieder.
Die futuristischste und zugleich stärkste Form der künstlichen Intelligenz ist Cognitive Automation. Zu Cognitive Automation zählen zum Beispiel Computersysteme, die Machine-Learning-Komponenten mit Natural Language Processing (NLP) verknüpfen sowie beispielsweise auf Stimmungserkennung zurückgreifen. Die Technologie ist lernfähig und wendet menschliche Verständnismuster an, um unstrukturierte Informationen aus unterschiedlichsten Quellen zu erkennen und zu extrahieren. Ziel ist es dabei, auf Basis von Erfahrungen eigene Lösungen und Strategien zu entwickeln.
Zu dieser Form der KI zählt man auch menschenähnliche Roboter, wie beispielsweise den Softwareroboter Sofia, der menschenähnliche Züge aufweist und mittlerweile sogar eine Staatsangehörigkeit verliehen bekommen hat. Wenngleich diese Form der KI aus Sicht der Praxis ein Zukunftsszenario darstellt, so ist der Blick in die Zukunft für Entscheider von zunehmender Bedeutung bei der Beantwortung aktueller technologischer Fragestellungen.
Wer sich in diesem Kontext zukunftsrobust aufstellt, bildet heute mit RPA ein solides Fundament für den Ausbau und die Intensivierung der künstlichen Intelligenz. Führende Unternehmen folgen der Zielrichtung einer technologieübergreifenden Automatisierung durch gezielte Kombination der einzelnen Bausteine. Als vermehrt entscheidend für erfolgreiche Projekte zeigen sich die Identifikation der passenden Anwendungsfälle, die Realisierung über Technologiegrenzen hinweg und der damit verbundene Wandel in der Organisation.
Der Autor: Marc Ennemann ist Partner in der Beratungssparte der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Mitglied im Leadershipteam des KPMG Lighthouse zur Realisierung von Data Analytics und Intelligent Automation Lösungen. Er führte eine Vielzahl von Projekten im Rahmen der digitalen Transformation durch. Mit Studien wie „Survival of the Smartest“ legte er Grundsteine für die ganzheitliche Transformation. Seine langjährige Expertise im Bereich Technologie, Medien und Telekommunikation ist die Grundlage für eine ganzheitliche Beratung im Rahmen der Automatisierung von Geschäftsprozessen. Hybride Lösungsmodelle wie die kombinierte Nutzung verschiedenster Technologien von RPA bis hin zu KI-Komponenten sind sein zentraler Beratungsauftrag. Das Beratungsspektrum von Marc Ennemann reicht von der digitalen Geschäftsstrategie, über die Erarbeitung von Umsetzungskonzepten bis hin zur Implementierung von technischen Lösungen.