Die Pathologie in Deutschland hat eine lange Tradition, die im 19. Jahrhundert mit Rudolf Virchow, dem Vater der modernen Pathologie, begann. Heute führt die digitale Pathologie zu einem revolutionären Wandel in der Diagnostik und Analyse von Krankheiten. Diese moderne Technik, bei der Gewebeproben digitalisiert und softwaregestützt ausgewertet werden, bietet Vorteile wie höhere Produktivität, Kosteneffizienz und schnelle Übermittlung digitaler Proben. Deutschland nimmt bei dieser Innovation dank seiner starken Gesundheitsinfrastruktur und hohen Investitionen in die Medizintechnik eine führende Rolle in Europa ein.1+2)
.Hinter dem Mikroskop: Die Rolle der Pathologen
Pathologen analysieren Gewebeproben, um Krankheiten zu diagnostizieren und die Wirksamkeit von Therapien zu bewerten, häufig durch die Identifizierung spezifischer Biomarker. Ihre Arbeit ermöglicht personalisierte Behandlungen, ist aber zeit- und ressourcenintensiv. In Deutschland gibt es mit nur einem Pathologen auf 48.000 Einwohner3) einen erheblichen Mangel an Pathologen, was zu verzögerten Diagnosen und erhöhter Arbeitsbelastung führt. Dies hat Auswirkungen auf die Patienten und hemmt auch Fortschritte in der medizinischen Forschung und der Behandlungsplanung4) . Diese Herausforderungen können durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) entschärft werden. KI kann die Effizienz und Genauigkeit in der Pathologie verbessern.
Verbesserte diagnostische Genauigkeit und Geschwindigkeit
KI-Modelle sind bereits heute in der Lage, komplexe medizinische Bilder mit hoher Präzision zu analysieren und große Datenmengen zu verarbeiten. Dies umfasst auch die Erkennung von Mustern, die für das menschliche Auge nicht sofort ersichtlich sind. Der Einsatz von KI in der Pathologie ermöglicht eine effizientere Analyse und Interpretation von Gewebeproben.
Ein gutes Beispiel ist die Analyse des Biomarkers Mikrosatelliteninstabilität (MSI), der bei etwa 15 Prozent aller Darmkrebsfälle vorkommt. MSI ist entscheidend für die bessere Bewertung des Krebsrisikos, die Prognose und die Therapieentscheidung. Zudem können MSI-Tumore auf eine Erbkrankheit (Lynch-Syndrom) zurückzuführen sein, was das Risiko von Krebserkrankungen in mehreren Organen erhöht. Daher ist es essenziell, diese Patienten frühzeitig zu identifizieren.
Die Einführung der Immuntherapie mit Pembrolizumab (Pembrolizumab mit neuer Indikation bei Darmkrebs (aerztezeitung.de)) als neuer Indikation bei Darmkrebs hat zu einem allgemeinen Screening auf den Biomarker MSI geführt. Dies hat die Nachfrage nach MSI-Screenings bei Patienten mit Darmkrebs signifikant erhöht und die Anzahl der erforderlichen Tests für Pathologen und Labore gesteigert, was zunehmend zu Engpässen und Ressourcendruck führt. Owkins MSIntuit® CRC, die erste CE-zertifizierte KI-Diagnostik für die Voruntersuchung auf MSI bei Darmkrebs, unterstützt Pathologen und Onkologen dabei, allen Darmkrebspatienten einen effizienten Zugang zur Immuntherapie und individuell angepassten Behandlungsplänen zu ermöglichen. Eine vielversprechende Entwicklung, die zu besseren Ergebnissen für die Patienten führt und langfristig die Heilungschancen erhöht sowie die Gesamtkosten im Gesundheitswesen reduziert.
Wettbewerbsvorteil: operative und wirtschaftliche Effizienz
Der Digitalisierung in der Pathologie gehört zweifellos die Zukunft. Obwohl bisher nur fünf akademische Pathologielabore in Deutschland digitalisiert wurden – ein Trend, der weltweit zu beobachten ist – haben sich viele deutsche Universitäten zu führenden Zentren für Forschung und Lehre in der Pathologie entwickelt. Die Gründung spezialisierter Pathologie-Institute wie der Charité-Universitätsmedizin Berlin und des Instituts für Pathologie der Universität Heidelberg hat einen systematischen Ansatz sowohl in der Forschung als auch in der klinischen Praxis in Deutschland und weltweit gefördert. Dennoch bleibt die Kostenerstattung ein wesentliches Hindernis für die breite Einführung von KI-Werkzeugen.
Die Automatisierung von Routineaufgaben durch KI-Tools kann die Arbeitskosten senken und den Bedarf an repetitiver manueller Arbeit minimieren. Obwohl die Einführung solcher Tools aufgrund fehlender Kostenerstattung nur langsam voranschreitet, könnten KI-Technologien, wenn sie erst einmal eingeführt sind, bis zu 53 Millionen Stunden an Routineanalysen für klinische Techniker einsparen und potenziell zu Einsparungen von bis zu 883 Millionen Euro pro Jahr führen. Gesundheitsunternehmen, die fortschrittliche KI-gestützte Pathologiedienste positionieren, sich von ihren Wettbewerbern abheben und dadurch mehr Kunden/Patienten gewinnen.
Überlegungen
Derzeit wird viel Arbeit in die Entwicklung von Modellen investiert, die für unterschiedliche Patientenpopulationen oder Regionen geeignet sind. Owkin ist führend auf diesem Gebiet und findet neue Wege, um Modelle für verschiedene Datensätze zu kalibrieren und modernste KI-Methoden in diesen Bereichen zu integrieren, wie beispielsweise mit Hilfe des Foundation Models (unter Foundation Model versteht man eine spezielle Form generativer KI) für Histologie, Phikon.
Das Potenzial der KI in der Pathologie ist grenzenlos. Sie wird nicht nur den Geschäftsbetrieb in der Pathologie optimieren und so Pathologinnen und Pathologen Freiräume schaffen, um sich auf Tätigkeiten zu konzentrieren, die einen echten Mehrwert für den Patienten schaffen, sondern KI bietet auch faszinierende wissenschaftliche Möglichkeiten.
Die KI-gestützte Pathologie entwickelt sich rasant und Deutschland hat das Potenzial, bei der Integration von digitaler Pathologie, KI und personalisierter Medizin eine Vorreiterrolle einzunehmen. Obwohl es zweifellos Wachstumsherausforderungen gibt, sind die Chancen, die diese Technologie bietet, zu bedeutend, um sie zu vernachlässigen. Mit der zunehmenden Digitalisierung von Pathologie-Laboren wird der Markt für KI-Diagnostik wachsen, ebenso wie die Anzahl der verfügbaren Werkzeuge. Dies wird sowohl die Art und Weise verändern wie wir Pathologie betreiben, als auch das, was es bedeutet, Pathologe zu sein. Dies sind aufregende Zeiten für die Pathologie.
Das Autorenteam:
Meriem Sefta, PhD ist Chief Diagnostics Officer bei Owkin. Sie hat an der École Polytechnique und am MIT studiert und am Institut Curie in Krebsbiologie promoviert.
Guillaume Bézie, PharmD, ist Director of Partnerships Western Europe bei Owkin. In den letzten sieben Jahren hat er zwei Start-ups im Bereich eHealth und KI gegründet.