Daten für den nächsten Schritt der digitalen Transformation

Die Anforderungen im Maschinenbau steigen, auch angesichts einer sich abkühlenden Konjunktur. Unternehmen der produzierenden Industrie sind auf eine noch flexiblere Produktion und mehr denn je auch auf Umwelteffizienz angewiesen. Diese Anforderungen lassen sich meistern – durch Automatisierung und Digitalisierung, die Nutzung von Daten und den Einsatz von Zukunftstechnologien.

Die Digitalisierung begann mit Daten. Die ersten Experimente zur Digitalisierung reichen bis zum Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz zurück, der vor über 300 Jahren das binäre Zahlensystem entwickelte. Bis zum Jahr 2025 soll das weltweite Datenvolumen einer Studie der International Data Corporation (IDC) zufolge auf 175 Zettabyte (1021 Byte) anwachsen. Würden die Daten auf DVDs gespeichert, reichte der Stapel dann gut 23-mal von der Erde bis zum Mond.

Datenpools entstehen – im Design, in der Produktion und durch Anwendungen

Mit der digitalen Transformation steigt das Datenvolumen in der Industrie rasant: Laut IDC-Prognose werden die Daten von Unternehmen 2025 rund 80 Prozent der Gesamtmenge ausmachen. Überraschend ist das nicht. Eine einzelne digital vernetzte Werkzeugmaschine kann pro Minute mehrere Terabyte an Daten erzeugen. Mehr noch: Mittlerweile können alle Schritte der industriellen Fertigung – vom Produktdesign über die Produktion bis hin zur Performance des Produkts beim Kunden – als digitaler Zwilling abgebildet und simuliert werden. So wird das Meisterbüro vor Ort zu einem Simulationsraum in der Fabrik: Die Abläufe im Engineering und in der Produktion werden virtuell geplant und optimiert, bevor die reale Produktion startet.

Für Maschinenbauer gibt es mit der Sinumerik One von Siemens die erste vollständig digitale Werkzeugmaschinensteuerung. Mit ihrer Hilfe kann der digitale Zwilling der Werkzeugmaschine erstellt werden, bevor der erste Prototyp entsteht. Der nordrhein-westfälische Maschinenhersteller Heinrich Georg nutzt diesen Zwilling, um seine Entwicklungsprozesse virtuell abzubilden und zu optimieren. Außerdem verlagert er Aufgaben wie die Vorabinbetriebnahme oder die Schulung der Maschinenanwender in die virtuelle Welt.

Zukunftstechnologien für tiefere Erkenntnisse aus Daten

Die Verbindung von virtueller und realer Fertigungswelt vervielfacht die Zahl der verfügbaren Bytes. Sie lassen sich noch umfassender nutzen, wenn man aus ihrer Analyse weitere Erkenntnisse gewinnt. Das ist auch bei der Gestaltung einer umwelteffizienten Produktion essenziell: Der digitale Zwilling hilft, den CO2-Ausstoß und den Materialeinsatz in der Produktentwicklung und der Produktion deutlich zu reduzieren. Die Analyse der Produktionsprozesse macht Einsparpotentiale bei Ressourcen wie Wasser und Energie sichtbar. Und auch innovative Produktionsverfahren sparen Material und vermeiden Abfall. Das ist ein weiterer Nutzen der digitalen Transformation, der durch ein umfassendes Softwareportfolio und Zukunftstechnologien wie Additive Manufacturing oder Edge und Cloud Computing unterstützt wird.

Beim Additive Manufacturing werden Werkstücke zunächst virtuell entworfen. Auch ihr thermisches und mechanisches Verhalten wird simuliert, bevor sie Schicht für Schicht aufgetragen werden. Die Analyse der Simulationsdaten und die additive Fertigungsweise ermöglichen effizientere Werkstückdesigns, die durch klassische Fertigungsmethoden nicht umgesetzt werden könnten. In eine durchgängig digitalisierte Wertschöpfungskette eingebettet, bietet Additive Manufacturing auch in der Serienproduktion Vorteile: Dort optimiert industrieller 3D-Druck mit seiner Flexibilität und dem ressourcenschonenden Produktionsprozess die Umwelteffizienz.

Auf Cloud-Plattformen können Maschinenanwender Daten sammeln und mit künstlicher Intelligenz auswerten. Mit den Erkenntnissen können sie ihre Produktionsprozesse effizienter gestalten, etwa indem sie einen beginnenden Maschinendefekt frühzeitig erkennen. Unternehmen aller Branchen und jeder Größe können ihre Produkte, Anlagen, Systeme und Maschinen an Cloud-Plattformen wie MindSphere von Siemens anbinden. Mit den unterschiedlichsten Apps – sei es für die vorausschauende Wartung von Maschinen oder das Monitoring des Energieverbrauchs– bietet MindSphere Anwendern neue Möglichkeiten für Produktivitätssteigerungen und innovative Geschäftsmodelle.

Künstliche Intelligenz muss aber nicht ausschließlich in der Cloud liegen. Sie kann dank immer leistungsfähigerer Hardware auch in der Fabrikhalle selbst zum Einsatz kommen und d irekt an der Maschine Handlungsoptionen vorgeben. Denn das sogenannte Edge Computing erweitert Automatisierungsplattformen um die Fähigkeit der Datenverarbeitung. Das steigert die Leistungs- und Optimierungsfähigkeit der Maschinen und Anlagen. Besonders im Zusammenspiel eröffnen Edge und Cloud Computing Anwendern neue Produktivitätspotentiale. Mit Hilfe von Low-Code-Technologie wie Mendix können Anwender nun Applikationen für Edge und Cloud-Plattformen einfach erstellen.

Cloud und Edge – gemeinsam stark

Cloud wie Edge Computing bieten jeweils eigene Vorteile: Cloud Computing eignet sich für Anwendungen, in denen Daten zentral verwaltet oder in großen Mengen ausgewertet werden sollen. Edge Computing empfiehlt sich, wenn man Daten vor Ort nahezu in Echtzeit und mit kurzen Übertragungswegen analysieren  möchte. Der baden-württembergische Technikausrüster Schmalz kombiniert die beiden Technologien: Für den Einsatz eines Vakuumgreifers entwickelt Schmalz eine Edge-App, die Daten und Anomalien im laufenden Betrieb analysiert und so Fehler im Vakuumsystem vorhersagt, noch bevor diese Fehler auftreten können. Ergänzend zu dieser Applikation sollen – im Falle eines Fehlers – mit Hilfe einer MindSphere-App Just-In-Time-Ersatzteile geliefert werden.

So eröffnen Digitalisierung und intelligente Datennutzung dem Maschinenbau lang fristige Wettbewerbsvorteile. Diese Vorteile lassen sich am wirkungsvollsten durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von industriellen Plattformanbietern, Maschinenherstellern und  Nutzern erschließen.

Der Autor: Klaus Helmrich ist Mitglied des  Vorstands der Siemens AG und CEO von Siemens Digital Industries. Der studierte Elektroingenieur setzt auf den Dialog mit Kunden und Partnern, um die Industrie 4.0 in der Fertigungs-­ und der Prozessindustrie voranzutreiben. Dazu zählen für ihn Lösungen für die industrielle Automatisierung, das offene IoT­-Betriebssystem MindSphere sowie Innovationen für die Zukunft der Industrie wie  Edge Computing, Künstliche Intelligenz oder Additive Fertigung.