Data & Analytics auf dem Prüfstand: Mythos oder echter Mehrwert?

Immer häufiger stellt sich für Unternehmen die Frage, ob sie mit der D&A-Entwicklung Schritt halten können und den stetig wachsenden Anforderungen tatsächlich gerecht werden. Allein das Erheben, Speichern und Verwalten von Daten verursacht immer mehr Kosten, denen ein entsprechender Mehrwert gegenüberstehen muss. Um diesen Mehrwert zu gewährleisten, muss anstatt isolierter Wahrheiten das zukünftige Ziel eine leicht verdauliche „Single Source of Truth“ sein. Das zeigt sich besonders deutlich an der aktuellen Situation im Einkauf.

Blicken wir zu Beginn zunächst auf den Status quo der D&A-Landschaft, lässt sich feststellen, dass ein großer Teil der Analysen nach wie vor stark Excel-getrieben ist. Konkret bedeutet es, dass Auswertungen überwiegend manuell durchgeführt werden – erfahrungsgemäß ein zeitaufwändiger und fehleranfälliger Prozess, durch den viel von dem Potenzial der Daten verloren geht. Die begrenzten Ressourcen und technischen Möglichkeiten führen viel zu häufig dazu, dass nicht alle Vorteile, die Big Data mit sich bringt, genutzt werden.

Eine derartige Erstellung und Bereitstellung wichtiger Daten und Analysen ist nicht mehr zeitgemäß. Ein Beispiel aus dem Bereich Einkauf verdeutlicht, warum die aktuellen Lösungsstrategien nicht zukunftsfähig sind. Angenommen ein Mitarbeiter im Einkauf eines größeren Konzerns soll eine Verhandlung vorbereiten, dann benötigt er dazu Informationen aus der Rechnungslegung über Boni, Skonti sowie über Preisentwicklung und Einkaufsvolumen der gekauften Posten. Bei seinem Versuch, an diese Informationen zu gelangen, sieht er sich mit drei SAP-Systemen konfrontiert, in denen die Lieferanten von Mitarbeitern aus dem ganzen Unternehmen separat erfasst wurden. Da der Einkäufer weiß, dass es dadurch sehr wahrscheinlich Dubletten im Datenbestand gibt, startet er seine Suche mit der Sammlung aller vorhandenen Daten in den unterschiedlichen Systemen, die er im Anschluss manuell abgleichen muss. Dieser Vorgang nimmt gut drei Tage in Anspruch.

Ein direkter Vergleich mit dem Vertrieb, in dem häufig gut funktionierende CRM-Systeme eingesetzt werden und Transparenz über die Kunden ermöglichen, zeigt, dass insbesondere im Einkauf Handlungsbedarf besteht, um die eingesetzten D&A-Lösungen an die neuesten Anforderungen anzupassen. Sowohl in technischer als auch in organisatorischer Hinsicht sind dazu Anpassungen unerlässlich, damit die folgenden Anforderungen an eine zeitgemäße D&A-Lösung gewährleistet sind:

  • Sicherstellung einer zeitnahen Auswertung von Finanz- und Einkaufsdaten.
  • Eine vollständige Sicht auf alle relevanten Daten in diesem Bereich  – vor allem auf Basis von Rechnungsdaten.
  • Gewährleistung identischer Datensätze für Finanzwesen, Steuern, Zölle, Werke und Einkauf, damit es nicht zuletzt zu einem verbesserten Austausch zwischen den Abteilungen kommen kann.
  • Eine automatische Abweichungsanalyse sowie die Auswertung von Verhandlungspotenzialen und ad hoc Verhandlungsvorbereitung müssen zum Standard gehören.
  • Eine On-Demand-Hilfe sowie Einsatz von ChatBots oder Support durch qualifiziertes Personal vor Ort, um auch Fachkräfte ohne IT-Hintergrund die Arbeit mit Data-Analytics-Systemen zu ermöglichen.
  • Organisatorische Anpassungen beispielsweise durch fachliches Sparring zur Interpretation von Kennzahlen, welche die technischen Maßnahmen ergänzen.
  • Ermöglichung eines kollaborativen Ansatzes. Es muss zu jeder Zeit ein agiler Austausch zu Themen wie Abweichungen, Weiterleitung und Nachverfolgung von To-dos stattfinden können.

Das Ziel dieser Anstrengungen ist klar: Die Schaffung einer „Single Source of Truth“, da im Unternehmen verteilte, isolierte Datenbestände keinen Mehrwert mehr bringen können. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Etablierung und Nutzung einer Plattform-Strategie mit Single-Source-of-Truth-Ansatz ratsam. Dabei werden alle Systeme regelmäßig auf eine Plattform geladen, so dass die Datenverarbeitung zentral vorgenommen werden kann. Zugriffs- und Bearbeitungsrechte werden je nach Rolle der Mitarbeiter vergeben, um sowohl die Integrität der Daten als auch eine hohe Datenqualität sicherzustellen.

Insbesondere für die Akzeptanz der Lösung ist es wichtig, dass Analytics-Dashboards weder unverständliche Informationen enthalten noch relevante Daten fehlen. Ebenfalls wichtig für die Akzeptanz sind schnelle und interaktive Lösungen, damit sie sich produktiv in den Arbeitsalltag integrieren lassen. Ergänzend müssen standardisierte Workflows definiert und Aufgabentracking eingeführt werden, um sicherzustellen, dass Aufgaben vollständig gelöst werden. Robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA) kann als ausführendes Organ hier ebenfalls als sinnvolle Option zur Diskussion stehen.

Unternehmen, die auf eine zeitgemäße Data-Analytics-Lösung wie den hier beschriebenen Lösungsansatz setzen wollen, müssen neben der Entwicklung der D&A-Lösung, auf die alle relevanten Mitarbeiter gleichermaßen Zugriff haben müssen und welche idealerweise zentral weiterentwickelt wird, parallel Support-Strukturen sowie die benötigten IT-Ressourcen aufbauen. Im Hinblick auf die Dauer der Entwicklung und Realisierung solch umfangreicher Lösungen ist es durchaus sinnvoll, diese teilweise auszulagern. Einen geeigneten Provider mit der passenden übergreifenden Expertise zu den Themen Einkauf, Finanzwesen, Prozesse und Steuern zu identifizieren und tragfähige Lösungen zu integrieren, ist innerhalb weniger Wochen möglich. Die notwendige IT-Expertise sowie fachliches Know-how lässt sich so in kurzer Zeit akquirieren.

Typischerweise können durch solche hier vorgestellte Maßnahmen bereits im ersten Jahr bis zu 2,2 Prozent Potenzial vom Einkaufsvolumen allein durch D&A identifiziert und realisiert werden. Danach ist eine jährliche Steigerung von ca. 1 Prozent der Einkaufsleistung zusätzlich möglich. Dabei sind die Einsparungen durch die Kombination mit weiteren Automatisierungskomponenten (z.B. RPA), den Wegfall händischer Analysen, die Reduzierung von Fehlern sowie die Reduzierung des Abstimmungsaufwands noch nicht berücksichtigt.

Neben diesem konkreten Mehrwert bauen Unternehmen vorhandene D&A-Kapazitäten aus und befähigen ihre Mitarbeiter und IT-Abteilungen durch den Wissenszuwachs auch für zukünftige Anwendungen. Auch die Verbesserung der Kommunikationsstruktur zwischen den einzelnen Abteilungen ist ein wichtiger Aspekt, der die Wettbewerbsfähigkeit, Agilität und die Digital Readiness steigert. Der Single-Source-of-Truth-Ansatz entpuppt sich damit als ein Vehikel für eine zukunftsfähige, auf Wachstum und die Generierung von Mehrwert ausgerichtete Strategie zum produktiven Umgang mit Daten – nicht nur im Einkauf, sondern im gesamten Unternehmen.

Der Autor: Marc Ennemann ist  Partner in der Beratungssparte der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Mitglied im Leadershipteam des KPMG Lighthouse zur Realisierung von Data Analytics und Intelligent Automation Lösungen.