Das Unternehmen nach ESG ausrichten – ein Praxisbeispiel

„Who Cares Wins“, titelt das erste Dokument im Jahre 2004, welches Environmental, Social und Governance (ESG) als sinnvolles Werkzeug zur Messbarkeit der unternehmerischen Nachhaltigkeit empfiehlt. Mittlerweile ist die 2020 verabschiedete EU ESG-Taxonomie als zentrales Thema bei der Geschäftsführung angesiedelt: Betrachtet wird hier nicht nur die strategische Unternehmensausrichtung und ihr Nutzen für die Umwelt, sondern gesamtheitlich die Wirkung auf ökologischer, sozialer und interner Ebene.

Das Thema ESG (Environmental, Social und Governance) hat in den letzten beiden Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Treiber für den Bedeutungszuwachs sind die zunehmende Regulatorik und die politischen Rahmenbedingungen, vor allem im Bereich der Klimaneutralität und CO2-Senkung.
Dabei gibt es neben der CO2-Absenkung und den Social Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen auch Herausforderungen, bei denen ESG-Aktivitäten einen positiven Beitrag leisten. So zwingt der demographische Wandel jedes Unternehmen, Knowhow-Absicherung auf eine hohe Prioritätsstufe zu setzen. Auch der Zugang zu Kreditlinien und Finanzierungskosten ist zunehmend an ESG-Kriterien gebunden und hat somit einen relevanten Einfluss auf eine nachhaltige Geschäftspolitik und daraus abgeleitete Investitionsschwerpunkte. Die AVL List GmbH erwirtschaftete im Jahr 2021 bereits fast 50 Prozent des Umsatzes ESG-konform. So wurde im Sommer 2022 zur Unternehmensfinanzierung erstmals ein ESG-gelinkter Konsortialkreditvertrag abgeschlossen.
Das Vorgehen, um eine ESG-Ausrichtung im Unternehmen stärker zu verankern, erfordert aktives Gestalten. In einem ersten Schritt wird der Ist-Status mit Blick auf potentielle ESG-Aktivitäten in Bezug auf das bestehende Geschäftsmodell des Unternehmens hin bewertet. Sind die wesentlichen Handlungsfelder identifiziert, werden im nächsten Schritt Zielgrößen definiert. Zuletzt geht es um die Umsetzung der Ziele durch klar definierte Aktionen, die im internen Führungsprozess transparent kommuniziert und in der Umsetzung überwacht werden.
Die Umsetzung bei AVL brachte vor allem eine Erkenntnis: Weniger ist mehr – das dann aber mit Fokus und Engagement! Die AVL ist in allen drei Dimensionen der Anforderungen der
ESG-Taxonomie mit Maßnahmen aktiv.

Environmental: Innovation für eine nachhaltige Mobilität

Die AVL List GmbH ist eines der weltweit führenden Mobilitäts-Technologieunternehmen für Entwicklung, Simulation und Testen in der Automobilindustrie und in anderen Branchen. Ausgehend vom gelebten Pioniergeist liefert das Unternehmen Konzepte, Lösungen und Methoden für eine grüne, sichere und bessere Welt der Mobilität. Um die Vision einer klima-neutralen Mobilität zu erreichen, treibt AVL innovative und kosteneffiziente Lösungen für alle Anwendungen voran – von traditionellen über Hybrid- bis hin zu Batterie- und Brennstoffzellentechnologien.
AVL erweitert stetig ihr Portfolio an hochwertigen Methodiken und Technologien in den Bereichen Fahrzeugentwicklung und -erprobung. Mit einem ganzheitlichen Ansatz – von der Ideenfindungsphase bis zur Serienproduktion – deckt das Unternehmen Fahrzeugarchitekturen und Plattformlösungen einschließlich der Auswirkungen neuer Antriebssysteme und Energieträger ab. Kurzum, AVL trägt maßgeblich für zur Reduktion des globalen CO2-Footprints bei.
AVL teilt viele Charakteristika, die man typischerweise im Maschinen- und Anlagenbau wiederfindet. Vermehrt steht der Emissionsausstoß im laufenden Anlagenbetrieb, aber auch in der Herstellung seitens der Kunden im Mittelpunkt der Betrachtung. Kurzfristig gilt es auch hier, einen Nachhaltigkeitsbericht zur Hand zu haben, der mittelfristig Auskunft über die CO2-Emissionen gibt und langfristig Methodiken zur Messung von Energieverbrauch und CO2-Ausstoß beinhaltet.

Sozial: Im Fokus steht der Mensch

Für ein Familienunternehmen wie AVL ist sozial verantwortliches Handeln ein tief verankerter Aspekt der Unternehmenskultur. Im sozialen Bereich sind wir kontinuierlich dabei, die Bedingungen für Arbeitnehmer zu verbessern. Die Menschen stehen als Kern aller Kreativität und Innovation im Mittelpunkt – so lautet eines unserer zentralen Leitmotive.
Wir wollen deshalb eine Arbeitsatmosphäre schaffen, die neue Arbeitsmodelle ermöglicht und dabei gleichzeitig den Erfindungsgeist unterstützt. AVL hat früh auf ein flexibles Arbeitsmodell hinsichtlich der Gestaltung von Telearbeit gesetzt und unterstützt junge Familien durch einen betriebseigenen Kindergarten. Für unsere Maßnahmen wurden wir in diesem Jahr beispielhaft mit dem Staatspreis „Familie & Beruf“ ausgezeichnet. Dies macht agiles und eigenverantwortliches Arbeiten möglich.
Zusätzlich nehmen AVL-Mitarbeiter im Jahr rund fünf Weiterbildungstage in Anspruch, bei Führungskräften sind es durchschnittlich sieben Tage. Generell kommt der Führungskräfteausbildung besondere Bedeutung zu, wenn man Arbeitsmodelle und -atmosphäre attraktiv und ausgewogen gestalten will.
Das dritte große Thema im sozialen Bereich ist die Knowhow-Absicherung. Es hat sich gezeigt, dass Kompetenz und Erfahrung aus den traditionell verbrennungsmotorischen Bereichen sehr gut in neuen Bereichen eingesetzt werden können. Produktspezifische Eigenschaften können schnell angeeignet, Tools und Methoden sowie Serienerfahrung übernommen oder adaptiert werden. Dies hilft, den Wandel zu beschleunigen.

Corporate Governance: Wirksame und verantwortliche Führung

Corporate Governance – das sind die Strukturen und Prozesse, die die Leitung und Kontrolle im
Unternehmen bestimmen. Die ESG-Taxonomie macht Unternehmen hier rechenschaftspflichtiger und transparenter und stellt klare Anforderungen an die Unternehmensleitungen. Im Bereich Governance hat die AVL bereits wesentliche Anforderungen im Rahmen der Managementstrukturen und -systeme und des Berichtswesens umgesetzt. Eine Herausforderung liegt darin, hierfür ein wirksames Zusammenspiel finanzieller und nichtfinanzieller Steuerungsinformationen herzustellen. So vermitteln wir unsere ESG-Leitgedanken – und erreichen zugleich Verbindlichkeit in der Zielerreichung.
Wandel kann dann erfolgreich gelingen, wenn die dazu notwendigen Informationen bei den Mitarbeitern sind, diese verstehen, warum Maßnahmen getroffen werden und die Möglichkeit der Beteiligung für alle Betroffenen besteht. Diese aktiv zu gestalten, ist Aufgabe einer strategieumsetzenden Unternehmensentwicklung.

Der Autor:
Dr. Yorck Schmidt ist CFO und Vorstandsmitglied bei AVL. Von 2011 bis 2018 war er Mitglied des Vorstands des Mechatronik-, Automations- und Digitalisierungsspezialisten für den Maschinenbau Lenze SE. Zuvor trug er internationale Verantwortung u.a. als Segment Chief Financial Officer der Fresenius AG sowie bei der General Motors Corporation als General Director.

 

 

Die AVL List GmbH („AVL“) mit Hauptsitz in Graz ist eines der weltweit führenden Mobilitäts-Technologieunternehmen für Entwicklung, Simulation und Testen in der Automobilindustrie und anderen Branchen.