Das Ende vom Anfang: Von RPA zu intelligenter Automatisierung

Robotic Process Automation (RPA) wird im Arsenal Intelligenter Automatisierung zu einem wertvollen Werkzeug, das ohne Strategie, Anwendungskompetenz und einer klaren Vision allerdings auf wenige, abgrenzbare Anwendungen beschränkt bleibt. RPA selbst befindet sich in Transformation, muss und wird über sich selbst hinauswachsen. Aber welche Strategien versprechen Erfolg? Hier bilden sich aktuell Best-Practices aus, die Entscheider kennen sollten, um Investitionen bewerten zu können.

Robotic Process Automation (RPA) ist eine vergleichsweise junge Wirtschafts- und Managementdisziplin. Kaum ein anderer Schauplatz der Digitalisierung steht sinnbildlicher für die große Transformation hin zu einer automatisierten und intelligenten Wirtschaft. Entsprechend groß sind Aufmerksamkeit und auch Erwartungen in der Praxis.

Ohne einen genauen Geburtstag von RPA in der Wirtschaft nennen zu können, können wir mit Sicherheit sagen, dass RPA schon lange nicht mehr in den Kinderschuhen steckt. Laut Gartner-Institut werden bis Ende 2022 mindestens 85 Prozent der Großunternehmen Software-Bots im Einsatz haben.

In welcher Form, mit welchem Mehrwert und mit welcher Ausrichtung – unklar. Praktiker und Manager stehen nun vor der Herausforderung, die nächsten Schritte für sich zu skizzieren. Genau dabei soll dieser Beitrag helfen.

Wo steht RPA heute im „Hype Cycle?“

Geht es nach dem so genannten „Hype Cycle for Emerging Technologies“, durchläuft so gut wie jede technologische Innovation fünf Phasen der Aufmerksamkeit auf ihrem Weg in die Markt- und Produktreife.

Oder, auch das kommt vor, in die Bedeutungslosigkeit.

Alles beginnt mit einem technologischen Auslöser, einem Durchbruch, einer Erfindung (Phase 1). In der Regel folgen hingerissene Begeisterung, erste Prototypen jener neuartigen Technologie und nicht selten ein ausgewachsener Hype (Phase 2). Handelsübliche Hypes in Fachgruppen, Blogs oder den Medien bringen es mit sich, Erwartungen zu schüren, die die eigentliche Erfindung oder Entdeckung nur selten erfüllen kann.

Vor allem bei Vertretern und Verfechtern der Innovation sorgt der erste Realitätscheck nicht selten für Enttäuschung und Desillusionierung (Phase 3). Doch dann, so das 1995 von Gartner Inc. entwickelte Modell, entstehen realistische und pragmatische Szenarien und Ansätze davon, welche Grenzen und welchen Nutzen die Innovation tatsächlich hat (Phase 4). Erst dieser Moment der Neuerfindung ebnet den Weg zu marktreifen Produkten und Geschäftsmodellen (Phase 5). Erst dann rücken Innovationen wieder auf die Agenda von Entscheidern.

RPA befindet sich aktuell inmitten dieses Momentes der Neuerfindung. Am Ende vom eigentlichen Anfang. Die nun entscheidenden Fragen lauten: Welche Schlüsse ziehen wir aus dem, was RPA bisher geleistet hat? Wie lässt sich die Innovation in größere Entwürfe einbauen? Welche Aufbauten versprechen Erfolg?

RPA bisher: Agile Automatisierung ermöglichen

Fast exemplarisch hat RPA zuvor alle Sequenzen des Hype-Cycle durchlaufen – zugegebenermaßen mit einigen Abstrichen. Während etwa der Verbrennungsmotor oder das Internet Innovationen an sich waren, handelt es sich bei RPA ja eher um eine innovative Unterstützungstechnologie einer größeren Initiative: nämlich der Automatisierung. Wer heute von RPA spricht, der meint im Kern ja SoftwareRoboter, die menschliche Nutzer imitieren und dadurch Geschäftsprozesse selbstständig, automatisiert, ausführen können. Immer seltener sind also (nur) noch Roboterarme gemeint, die Autos zusammenbauen. Sondern Programme, die eigenständig und blitzschnell Beträge auf Rechnungen in Tabellen übertragen, Sprache in Text umwandeln oder Transaktionen überwachen – um nur wenige der vielen Anwendungsbeispiele von RPA zu nennen, die in den letzten Jahren entstanden sind.

Am Ende des Anfangs hat RPA bisher gemacht, was es sollte: Agile Automatisierungen ermöglichen. RPA hat viele Erfolgsgeschichten geschrieben und selbst veralteten Prozessen ein Stück Werthaltigkeit zurückgegeben. Insbesondere die Geschwindigkeit, plattformübergreifende Einsetzbarkeit und die vergleichsweise einfache Anwendung sind Aspekte, die für viele Unternehmen den Einsatz attraktiv gemacht haben. Hinzu kommt: Viele Unternehmen wollten schlichtweg den Zug nicht verpassen, wollten dabei sein, RPA-Use Cases für sich testen und erste Pilotprojekte implementieren.

Eine polarisierende Diskussion

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass RPA in einer Vielzahl von Fällen auch genau den Mehrwert geliefert hat, den man sich versprochen hat. Zeitgleich entbrannte aber mit der Möglichkeit, Softwareprozesse zu automatisieren, auch eine durchaus polarisierende Diskussion um das Management von Prozessen selbst. Alles schnell automatisieren oder lieber den eigentlichen Kernprozess verbessern? „Wer einen schlechten Prozess automatisiert, der kriegt halt einen schlechten automatisierten Prozess“: Dieser Satz ist zu so etwas wie dem Sprichwort dieser Henne-Ei-Diskussion der Automatisierungs- und RPA-Szene geworden.

Es mag banal klingen, aber die erste Generation von RPA-Anwendungen hat gezeigt: Ein lineares Verständnis von RPA als „Quick Patch“ gibt manuell aufwändigen Prozessen kurzfristig wieder ein Stück Werthaltigkeit zurück, steht aber größeren und integrierten Lösungen eher im Weg.

Eine Landschaft aus Pflastern lässt sich schlecht als Ganzes behandeln. Zu individuell werden die Einzelfalllösungen, als dass ex-post ein größerer Entwurf darübergelegt werden kann. Dieses Phänomen kennen viele Führungskräfte bereits aus dem Management von Verwaltungssystemen.

Nachhaltige und umfassende Skalierungseffekte werden Entscheiderinnen und Entscheider in der Wirtschaft eher durch integrierte Konzepte zur intelligenten Automatisierung finden. Und nicht in der Annahme, dass schon RPA ein Transformator aus sich selbst heraus ist.

RPA befindet sich inmitten seiner eigenen Disruption

Genau hier findet sie statt: Die Disruption von RPA am unteren Ende des Hype Cycle. Verschärft wird diese Entwicklung mittlerweile auch durch integrierte Lösungen und Enterprise-Plattformen, die RPA quasi „huckepack“ mit anbieten. Eine entscheidende Frage bezüglicher praxistauglicher Modelle wird sein: Schaffen es die renommierten RPA-Anbieter, den Baustein der intelligenten Automatisierung ebenso schnell in der gleichen Güte anzubieten wie z.B. die Cloud- und Tech- Unternehmen dies können?

Im Vergleich zu den früh etablierten reinen RPA-Anbietern haben Plattformanbieter wie ServiceNow, SAP, Microsoft oder Adobe schnell aufgeholt und bieten jetzt ein breiteres Funktionsspektrum an, um Prozesse End-to-End mit ausgereifter Technologie zu automatisieren.

Welcher Platz wird für RPA bleiben in einem Markt, in der Plattform-Provider wie Microsoft und SAP die Automatisierung von Prozessen als Teil ihres etablierten Produktportfolios anbieten? Was bedeutet dies dann für den Bezugsrahmen von RPA?

Ende des RPA-Hypes?

Mit Blick auf die aktuelle Praxis ist schon jetzt zu erkennen, dass RPA keine universelle Lösung für alle Schwierigkeiten mit komplexen Prozessen liefern wird. RPA hat bisher in regelbasierten, zentralisierten und standardisierbaren Prozessen wie z.B. in Shared Services oder Call Centern die Realisierung von signifikanten Einsparpotenzialen und der Steigerung von Prozessqualität ermöglicht. Trotz der mitunter signifikanten Einsparungen haben bestehende Limitationen von RPA, vor allem im Hinblick auf komplexe Prozesse, eine weitere Skalierung in wertschöpfende Prozesse verhindert. Es ist vor allem die Anforderung der Automatisierung von komplexeren Prozessen durch OCR, Chatbots, Machine Learning oder Computer Vision, durch die eine neue Komplexität entsteht, die RPA allein schlichtweg nicht mehr abbilden kann.

Es ist daher stark zu bezweifeln, dass RPA das „nächste ERP“ wird, welches zu merkbarem globalem Wirtschaftswachstum führen wird. Dieser Teil des „RPA-Hypes“ hat sich als ebensolcher erwiesen. Ist RPA deswegen nun am Ende und qualifiziert dafür, für tot erklärt zu werden?

Genauso wenig. Die Wahrheit liegt wie so oft im Kompromiss und ist schlichtweg abhängig davon, welche Anbieter als Erstes leistungsfähige Komplettpakete mit strategischer Relevanz entwickeln und implementieren. Und ob CEOs, CFOs und CIOs dann die richtigen Schlüsse ziehen.

Intelligent Automation als Fusion aus RPA und KI

Eine valide Entscheidungsmaxime in der künftigen Bewertung dieser Pakete wird sein, die allgemeine Prozesseffizienz als übergeordnete strategische Kennzahl einer „Automatisierung um der Automatisierung Willen“ entgegenzustellen. Damit einher geht sicherlich, die erste Generation von RPA-Anwendungen neu zu justieren und vor allem um das Potenzial einer zweiten transformativen Technologie anzureichern: Künstlicher Intelligenz (KI).

„Intelligent Automation“, das heißt Technologien der robotergesteuerten Prozessoptimierung und der Künstlichen Intelligenz zusammenzubringen – das klingt aus Führungsperspektive erst einmal nach einer einfacheren Aufgabe, als sie in der Praxis wirklich ist. Wir sehen zwar ein klares Zusammenwachsen von Intelligenz und Automatisierung auf Organigrammen, in der gelebten Praxis muss das Zusammenspiel von IT, Geschäftsprozess und ganzheitlichem Ansatz aber logischerweise eingeübt und gelebt werden.

Es ist bemerkenswert, dass viele Unternehmen parallel zur pilotenhaften Implementierung von RPA kaum in die Rationalisierung und Modernisierung von IT-Landschaften investiert haben. Unternehmen müssen jetzt verstehen, dass die Umsetzbarkeit von intelligenter Automatisierung ganz maßgeblich von der Aufstellung leistungsfähiger IT-Landschaften abhängt, in denen auch kulturell ein kritisches „End-to-End“-Denken verankert ist. Wer einen größeren Anspruch an RPA, KI und damit an intelligente Automatisierung formuliert, der kommt einfach nicht drum herum, das Thema aus der operativen auf die strategische Ebene zu heben.

Zusammenfassung

Die Übersicht gängiger Strategien (siehe Kasten) zeigt die Vielfalt der Ansätze, mit denen sich Unternehmen ‚Intelligent Automation‘ widmen können. Eine pauschale Empfehlung kann leider an dieser Stelle nicht gegeben werden. Zu unterschiedlich sind Ausgangslagen, Reifegrade und IT-Infrastrukturen und Angebote auf dem Markt.

Dieser Beitrag ebenso wie die folgenden Beiträge dieses Specials möchten jedoch den Entscheiderinnen und Entscheidern in den Unternehmen Denkanstöße und Orientierungshilfen geben, auf denen sich eine eigene Interpretation von intelligenter Automatisierung und einer passenden Strategie aufbauen lassen.

Denn wo vieles noch in Bewegung ist, steht unverrückbar fest: Ein Zurück kann es nicht geben. Das manuelle Zeitalter ist abgelaufen.

Welche Strategie ist die richtige?

Welche Strategie ist die richtige für die effiziente Umsetzung von Intelligenter Automatisierung? Welche Szenarien existieren? Bezüglich verschiedener strategischer Ansätze ist die disruptive Verschmelzung von Intelligenz und Automatisierung in vollem Gange. Aktuell kristallisieren sich mehrere Optionen heraus, die sich in unterschiedlichem Maße an dem orientieren, was vor allem RPA-Softwareanbieter bewerben und vermarkten.

Strategie 1: Hyperautomation

Hyperautomation meint im Kern die Expansion vergangener Automatisierungen über die Grenzen einzelner Prozesse hinaus. Das Ziel lautet, jede sich wiederholende Aufgabe im Unternehmen besser früher als später zu automatisieren, inklusive der Automatisierung selbst. Hyperautomation will also auch die Automatisierung automatisieren und ist sicherlich das aktuell radikalste Szenario, welches auch die größte Investition in Technologie und Technologiekompetenz erfordert. Vor allem durch den Automatisierungsschub im Zuge der COVID-19-Pandemie und Initiativen wie „A Robot for Every Person“ sind Hyperautomation-Szenarios diskutiert worden; aktuell allerdings eher noch als Ausblick, weniger als konkretes Zielbild.

Strategie 2: „Intelligent Enterprise Automation“

Intelligent Enterprise Automation setzt sich immer mehr als Schlagwort dafür durch, Automatisierungsinitiativen eher analytisch als dogmatisch zu beurteilen. Hier sind es vor allem Top-Down-A nalysen, mit denen die wesentlichen Potenziale für Automatisierung und Effizienzgewinn durch intelligente Automatisierung eruiert werden. Erst auf Basis dieser Analysen wird entschieden, ob, wo, und zu welchem Grad Technologie zur Automatisierung eingesetzt wird. Dreh- und Angelpunkt ist dabei das hauseigene Enterprise-Softwaresystem.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Eine Automatisierungsstrategie kann auf Geschäftsbereiche heruntergebrochen und zentral koordiniert werden, z.B. durch ein Center of Excellence, in dem alle Fäden und Expertisen rund um RPA, KI, Analytics etc. zusammenkommen.

Der Nachteil: Der Weg zu einer strategisch ausgerichteten Governance-Struktur und allgemein akzeptierten Messgrößen erfordert wiederum Überbau und Ressourceneinsatz. Und kostet damit vor allem Zeit.

Strategie 3: Citizen Development

Nicht unbedingt eine eigenständige Strategie aus sich selbst heraus, aber dennoch ein Ansatz, der sich zunehmender Beliebtheit erfreut und Erfolgsgeschichten schreibt, ist das so genannte Citizen Development. Die grundsätzliche Idee dahinter lautet, technologiegetriebene Prozesse nicht nur zu dezentralisieren, sondern auch ein Stück weit zu demokratisieren. Ein „Citizen Developer“ kann also erstmal jeder im Unternehmen sein, der sich mit einem Geschäftsprozess kritisch auseinandersetzt und ihn verbessern, oder im Fall von RPA, automatisieren möchte. Dies können Technik-Laien sein, die allerdings genug über die Arbeitsweise von RPA wissen müssen, um für sich erkennen zu können, welche manuellen oder besonders lästigen Prozesse überhaupt automatisierbar sind. Im besten Fall also sind „Citizen Developer“ aufgeschlaut, befähigt und vor allem motiviert, RPA innerhalb ihrer Organisatin zu skalieren. Schließlich ist anzunehmen, dass auch viele andere mit ähnlichen Jobs ähnliche Aufgaben ausüben, die auf ähnliche Weisen automatisierbar sind.

Komplett dezentral muss ein solcher Ansatz aber nicht ablaufen, in einigen sehr erfolgreichen Fällen stehen Citizen Developer im stetigen Austausch mit einem zentralen Center of Excellence der Organisation, das dann wiederum dabei hilft, in der Praxis erkannte Automatisierungspotenziale zu verwirklichen.

In der heutigen Praxis ist „Citizen Development“ eine vielversprechende Ergänzungsstrategie. Nach der Realisierung wesentlicher Einsparungspotenziale durch große, zentrale Initiativen etwa bleibt mutmaßlich eine Vielzahl kleiner Prozesse übrig. Diesen „long tails“ können sich dann Citizen Developer widmen, die durch Ansätze wie „no-code“ oder „lowcode“ Programmierung auch von Mitarbeitenden ohne dezidierten IT-Hintergrund realisiert werden.

Der Autor: Damir Zubovic ist Consulting Digital Leader bei Ernst & Young (EY) für Deutschland, Österreich und die Schweiz und arbeitet als Partner im Bereich Technology Consulting/Data & Analytics in Deutschland. Seit über 15 Jahren beschäftigt er sich mit Daten- und Technologie-getriebenen Herausforderungen und Fragestellungen. Dabei steht die Transformation von Innovation zu Wertschöpfung stets im Vordergrund. Bevor Damir Zubovic seine aktuelle Aufgabe übernommen hat, leitete er sowohl Bereiche im Umfeld von Methoden und Technologien als auch kunden- und industriebezogene Teams.

 

 

„RPA war und ist ein Investment in die Zukunft“

Die Integration von RPA und Künstlicher Intelligenz (KI) eröffnet neue Perspektiven. „KI-Anwendungen werden immer robuster und leistungsfähiger, sodass eine Automatisierung der nächsten Generation einen immensen Vorteil bringen wird“, erklärt im folgenden Interview Damir Zubovic, Consulting Digital Leader bei Ernst & Young (EY) für Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Was genau hat RPA bisher geleistet, wo steht es heute?

Zubovic: RPA hat in bestimmten Funktionsbereichen durchaus Einsparungen realisiert und auch wertvolle Mitarbeiterkapazitäten für wichtigere Aufgaben freigemacht. Auch ausgewählten veralteten Prozessen – zum Beispiel solchen, die ohnehin nur noch eine bestimmte Lebensdauer hatten oder auch auf Systemablösungen gewartet haben – konnte somit ein wenig neues Leben eingehaucht werden. Vor allem hat RPA aber auch das Bewusstsein für Automatisierung an sich geschaffen. Die leichte Zugänglichkeit sowie die DomänenUnabhängigkeit haben dazu geführt, dass das Thema Automatisierung oft verprobt und neu überdacht worden ist. Manchmal leider aber auch zu vorschnell und nicht zu Ende gedacht. RPA steht heute vor einer Transformation in sich selbst. Ein übergreifender strategischer Automatisierungsgedanke mit den technischen Möglichkeiten von RPA, KI sowie sonstigen Plattformautomatisierungsfähigkeiten wird in Zukunft mehr und komplexere Prozesse umfassen – und damit eine nachhaltige Basis für einen idealerweise unternehmensweiten Automatisierungsansatz liefern.

Wo hat RPA bisher zu viel versprochen, und wo nicht?

Zubovic: Wie immer ist es nicht ein falsches Versprechen sondern eher eine falsche Interpretation der Möglichkeiten, die zu Missverständnissen geführt hat. RPA ist zunächst angetreten, um Automatisierungen leicht zugänglich sowie plattform-, domänen- und softwareübergreifend zu ermöglichen. Darüber hinaus auch mit der Absicht, minimal-invasiv vorzugehen. Über die Zeit hat sich das Thema zwar von einer Arbeitsplatzlösung zu einem Gruppen- und Unternehmensansatz entwickelt, aber diese Transformation hat uns auch einiges gelehrt: Automatisierung kommt nicht gratis, sondern erfordert insbesondere in den nachgelagerten Prozessen wie zum Beispiel Betrieb und Infrastruktur durchaus eine solide Planung sowie eine nüchterne Betrachtung in Bezug auf den erwarteten Wertbeitrag.

Der in diesem Special beschriebene Trend geht in Richtung einer Integration von RPA und Künstlicher Intelligenz (KI). Welche neuen Perspektiven eröffnet dieses Zusammenwachsen von Intelligenz und Automatisierung?

Zubovic: Die Erfahrung hat gezeigt, dass in der ersten Evolutionsstufe von RPA insbesondere stark standardisierte, wiederholbare und sehr häufig wiederkehrende Prozesse besonders für eine Umsetzung im Umfeld von RPA geeignet waren. Oft waren komplexe Anforderungen entweder nicht möglich, fehleranfällig oder einfach in der Umsetzung zu teuer. Insbesondere KI inklusiv erweiterter Texterkennungs- und Verarbeitungsmöglichkeiten bietet heute, aber vor allem in Zukunft, mehr Flexibilität. Dadurch dass RPA nun bereits flächendeckend bei circa 80 Prozent aller Unternehmen im Einsatz ist, steigt die Anzahl der Trainingsdaten für KI exponentiell. Diese sich damit ständig weiterentwickelnden KIs werden immer robuster und vor allem leistungsfähiger werden, sodass eine Automatisierung der nächsten Generation einen immensen Vorteil bringen wird. Somit war und ist RPA ein Investment in die Zukunft – und sollte nun von einer Gesamtautomatisierungsinitiative unterfüttert werden.

Für welche Unternehmen lohnt sich heute der Einsatz von KI?

Zubovic: Ich glaube, es gibt kein einziges Unternehmen, das nicht von KI profitieren würde. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eine starke Daten basis eine gute Grundlage ist. Nicht umsonst zählen datengetriebene Bereiche wie die Telekommunikations-, Technologie-, Media- und auch die Finanzbranche zu den Vorreitern. Am Ende ist der Einsatz von KI aber immer ein Investment, bei dem die Fülle an Anwendungsfällen darüber entscheidet, ob es sich für das eigene Unternehmen lohnt oder nicht. Mit dem Zugang zu vorgefertigten KI-Bausteinen – beispielsweise aus einem Cloud-Portfolio – ist die Eintrittsschwelle zu künstlicher Intelligenz jedenfalls deutlich niedriger geworden.

KI ist ja keine neue Technologie. Was hat sich in den letzten Jahren getan?

Zubovic: Zwei Stichworte: Reifegrad und Konvergenz. KI ist in der Tat kein neuer Gedanke. Dennoch erleben wir derzeit – getrieben vom technologischen Fortschritt – eine Evolution, in deren Zuge KI von einem theoretischen Konstrukt zu einer anwendbaren Technologie gereift ist. Hinzu kommt die technologische Konvergenz. Bestehende Technologien profitieren von KI oder eben umgekehrt. So entstehen beispielsweise neue Einsatzbereiche wie Automatisierungen, Process Mining oder Spezialausprägungen wie Chatbots.

Und wo könnte die Evolution künftig hingehen?

Zubovic: Heute kommen vor allem KI-Anwendungen zum Einsatz, die für einen bestimmten Zweck entwickelt wurden. Hier wird künftig mehr und mehr ein Paradigmenwechsel stattfinden: weg von „ich programmiere eigene KI“ hin zu „ich konsumiere vorgefertigte KI-Bausteine“. KI-Anwendungen beispielsweise zur Bild- oder Spracherkennung brauchen dann nicht mehr vom Fundament ausgebaut werden, sondern werden aus bestehenden Bausteinen zusammengesetzt und an den nötigen Stellen auf den spezifischen Anwendungsfall nachgeschärft. Auf diese Weise kann KI immer übergreifender eingesetzt werden.