Covid-19: Auswirkungen auf die Value Chain – ein Blick in die Zukunft

Rund ein Jahr ist es her, als die erste Covid-19-Infektion global bekannt wurde. Die damit verbundenen weitreichenden Folgen für die Unternehmen und die Wirtschaft konnte zu diesem Zeitpunkt kaum einer absehen. Auch jetzt ist ein Ende der Pandemie noch nicht absehbar. Vermehrt hinterfragen Unternehmen ihre Lieferketten, Produktionsstandorte und ihren digitalen Status quo. Diese sind zu solchen Zeiten besonders störungsanfällig und die sonst gewohnte Performance scheint unerreichbar. Doch Disruptionen und die heutigen Umstände können als Chance gesehen werden und mithilfe von Automatisierungen, digitalen Tools und ausreichender Transparenz den Schritt in die neue Normalität ermöglichen.

Am Beispiel von deutschen Fahrzeugherstellern lässt sich dies besonders gut nachvollziehen. Neben krankheitsbedingten Personalausfällen, steigenden Seefrachtpreisen aufgrund mangelnder Luftfrachtkapazitäten und allgemein sinkender Nachfrage haben die Hersteller vor allem Probleme mit Ausfällen entlang der Lieferkette. Das Netzwerk, welches sich über eine Vielzahl von Ländern erstreckt, besteht überwiegend aus kleinen und mittelständischen Unternehmen, die in Zeiten der Pandemie, im Vergleich zu Weltkonzernen, besonders anfällig sind. Eintretende Insolvenzen oder fehlende Genehmigungen für die Produktion führen vermehrt zu Produktionsstopps und damit zu deutlichen Verlusten. Besonders kritisch sind Ausfälle bei Zuliefererfirmen mit Schlüsselpositionen, da eine kurzfristige Substituierbarkeit oftmals nicht möglich ist. Ungenügende oder fehlerhafte Kommunikationen zwischen den Unternehmen und Lieferanten sind zusätzliche Gründe für die starken finanziellen Einbrüche.

Stellschrauben und Risikoeinschätzung

Der Umgang mit der neuen Situation bringt also neue Herausforderungen mit sich, die keineswegs einfach zu meistern sind. Welche Stellschrauben Betriebe bewegen müssen, um sich vor solch unplanbaren Ereignissen abzusichern oder wie diese den Status quo und die damit verbundene Risikoeinschätzung der Lieferanten in Erfahrung bringen, sind oft gestellte Fragen in einem Krisengespräch. Da die Lieferketten jedes einzelnen Unternehmens so individuell wie die unterschiedlich am Markt verfügbaren Produkte sind, sind die Antworten von Unternehmen zu Unternehmen äußerst heterogen. Für die einen sind der Ausbau der eigenen Sicherheitsbestände, das Teilen von Lagerräumen mit anderen Kunden und das Planen von neuen Lagerkapazitäten auf regionaler Ebene ein kurzfristiger Schlüssel zu einer höheren Resilienz. Andere hingegen fokussieren die Suche nach qualitativ gleichwertigen Alternativlieferanten. Aufgrund der unabsehbaren Dauer der Pandemie ist das Bedürfnis nach einer nachhaltigen Lösung bei der Mehrheit der Unternehmer größer als die kurzfristige. Dabei ist das Investitionsvolumen, um die notwendigen Maßnahmen in der Lieferkette durchzuführen, aufgrund der durch die Pandemie befürchteten, hohen Verluste oftmals zweitrangig.

Die Verfügbarkeit von aktuellen und zuverlässigen Daten, in Kombination mit einer auf die Abläufe optimal abgestimmten Produktion, machen den Unterschied. Die Prozessautomatisierung und die digitale Transformation der Value Chain sind die Zukunft. Auf der einen Seite erhöht die Automatisierung der regelbasierten Geschäftsprozesse, nach entsprechender Vorbereitung des Personals, den unterbrechungsfreien Ablauf im Unternehmen. Auf der anderen Seite sorgt der digitale Wandel, mit dem Ziel, eine tief gehende Lieferkettentransparenz- und -optimierung zu erhalten, für die nötige Weitsicht.

Nachrichtenlage einbeziehen

Aufschluss geben, neben den Lieferantendaten, die unter anderem die Lagerbestände und die
finanzielle Situation beinhalten, auch Daten von den Sub-Lieferanten auf unterster Ebene. Informationen von Dritten, wie beispielsweise Meldungen aus Nachrichtenportalen zu aktuellen Geschehnissen und Echtzeitdaten zu verschiedensten Aspekten, werden ebenfalls zur Einschätzung des potenziellen Risikos hinzugezogen. Diese ganzheitliche Betrachtung wird mitunter von künstlicher Intelligenz unterstützt. Störfaktoren lassen sich somit rechtzeitig eliminieren, das Risiko eines möglichen Stillstands in der Produktion verringern und End-to-End Prozesse beschleunigen. Die Digitalisierung und Harmonisierung von Beschaffungs-, Einkaufs- und Lieferantenprozessen ist maßgeblich für reibungslose Betriebsabläufe. Bei der disruptiv technologischen Veränderung der Wertschöpfungskette können zudem Daten zu ökologischen und sozialen Gesichtspunkten ohne großen Mehraufwand gesammelt, ausgewertet und aufbereitet werden. Da die Bundesregierung in der Vergangenheit eine nachhaltige Lieferkette mit fairem Handel fokussiert und voraussichtlich in den kommenden Jahren Unternehmen gesetzlich verpflichtet, in regelmäßigen Abständen Status-quo-Angaben zur Einhaltung der Menschenrechte, dem Umweltschutz und weiteren Punkten innerhalb der Lieferkette einzureichen, zahlt sich der Erfolg einer solchen Transformation direkt doppelt aus.

Die Autorin: Dr.-Ing. Sylvia Trage ist Director in der Beratungssparte der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und beschäftigt sich mit der Transformation und Optimierung von Wertschöpfungsketten. Sie verfügt über eine langjährige Kombination aus Industrie- und Beratungsexpertise mit mehr als 15 Jahren Erfahrung in der Supply Chain Beratung in verschiedenen produzierenden Industrien.