Branchenkenntnis? Wünschenswert! Wie sich die Rolle des CFOs verändert

Früher genügte es für einen erfolgreichen CFO, die Zahlen unter Kontrolle zu haben. Das hat sich grundlegend geändert, heute erfordert die Rolle des CFOs weitaus mehr. Zu den traditionellen Aufgaben wie der Finanzberichterstattung und der Steuerung des Finanzrisikos hat sich das Management des Working Capitals gesellt. Hinzu kommen fundiertes kommerzielles Verständnis sowie die Fähigkeit, dem CEO mit Rat und Tat als strategischer Sparringspartner zur Seite zu stehen.

Die Überschriften für die Zeit, in der wir uns befinden, sind vielfältig. Von „Zeitenwende“ ist die Rede, von „flat is the new up“, von „multiplen Krisen“ und vielem mehr. Allen Schlagworten gemeinsam ist, dass Planbarkeit schwieriger geworden ist und dass Entscheidungsfindungen durch die Komplexität des Zusammenspiels der einzelnen Herausforderungen manchmal unmöglich erscheinen. Dies bedeutet, dass Unternehmen ständig in der Lage sein müssen, Anpassungen vorzunehmen, um insbesondere beim Working Capital flexibel agieren zu können.

Working Capital Management wird wichtiger

Cash jederzeit und „kostengünstig“ verfügbar, müssen sich CFOs seit einiger Zeit vermehrt um das Thema Working Capital kümmern und sicherstellen, dass dem Unternehmen ausreichend Liquidität zur Verfügung steht. Hierbei ist es wichtig, über aussagekräftige Tools zu verfügen, auf deren Basis Entscheidungen getroffen werden können.
Als Indikator für die Effizienz des Working Capital Managements wird gerne der Cash Conversion Cycle(Geldumschlagdauer; CCC) herangezogen. Er gibt an, wie lange es dauert, bis das eingesetzte Kapital in Cash umgewandelt wird. Um den CCC zu optimieren, muss ein CFO das Working Capital aktiv durch effektives Debitoren- und Kreditorenmanagement sowie durch die Optimierung der Lagerbestände steuern.
Darüber hinaus ist der CFO dafür verantwortlich, das Risiko im Zusammenhang mit dem Working Capital Management zu identifizieren und zu minimieren. Mögliche Risiken sind Forderungsausfälle bei Kunden, Risiken durch Fremdwährungen und aktuell auch wieder Zinsrisiken.
Das Steuern der Verbindlichkeiten ist sicherlich die einfachste Disziplin innerhalb des Working Capital Managements, während die Forderungsseite gute Prozesse, beispielsweise ein Mahnwesen, verlangt. Am herausforderndsten ist jedoch das Bestandsmanagement, das je nach Branche anderen Parametern folgt.

Branchenkenntnisse sind hilfreich

Je nach Branche weist das Working Capital Management unterschiedliche Ausprägungen und Besonderheiten auf:
In der Fertigungsindustrie findet man in der Regel hohe Bestände vor. Daher ist es hier besonders wichtig, Bestände aktiv zu managen, um die Kapitalbindung zu reduzieren und entsprechend die Liquidität zu erhöhen. Ein gutes Beispiel für effiziente Steuerung der Bestände ist sicherlich die Automobilindustrie: Unternehmen wie Toyota haben bereits vor Jahrzehnten Systeme eingeführt, die eine minimale Lagerhaltung ermöglichen. Während die geringe Lagerhaltung die Kapitalbindung niedrig hält, setzt sie das Unternehmen auf der anderen Seite den volatilen Lieferketten aus. Dies ist vielen Unternehmen gerade in den letzten Monaten und Jahren zum Verhängnis geworden und hat teilweise zu Bandstillständen sowie Lieferengpässen geführt.
In der Dienstleistungsbranche sind die Forderungen der Hauptbestandteil des Working Capitals. Hier geht es darum, aktives Forderungsmanagement durch ein exzellentes Mahnwesen mit kontinuierlichem Monitoring der Kundenkreditwürdigkeit zu installieren. In den letzten Jahren gab es viele Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI), die Forderungsausfälle prognostizieren können und eine bessere Planungsbasis bieten. Alternativ können Unternehmen mit Werkzeugen wie Factoring für mehr Planbarkeit sorgen.
Ganz anders sieht es in der High-Tech-Industrie aus, in der es um Innovation geht. Innovation benötigt Investition, also Liquidität. In der High-Tech-Industrie liegt das Augenmerk also auf dem Management der Liquidität – sei es durch interne Steuerung und Optimierung des operativen Cash Flows oder durch Fremdkapitalaufnahme.
Im Handel sind schnelle Umschlagshäufigkeiten entscheidend für den Erfolg. CFOs in dieser Branche müssen daher eng mit dem Einkauf und dem Vertrieb zusammenarbeiten, um die Lagerbestände und Forderungen effektiv zu managen und gleichzeitig attraktive Zahlungsbedingungen für Kunden und Lieferanten zu gewährleisten.
Deutlich wird: Unterschiedliche Branchen erfordern unterschiedliche Schwerpunkte im Working Capital Management.

Einhörner gesucht

Was ist folglich wichtig bei der Auswahl des CFOs? Neben Branchenkenntnissen, kommerziellem Denken und analytischen Fähigkeiten, haben wir Flexibilität im Denken sowie Kommunikations- und Führungsqualitäten nach „unten“ und „oben“ als wichtige Kriterien auf der Anforderungsliste identifiziert.

  • Branchenkenntnis: Um das Working Capital Management erfolgreich zu gestalten, muss ein CFO die branchenspezifischen Anforderungen und Risiken genau verstehen. Dies erfordert eine umfassende Kenntnis der Branche und der Wettbewerber, um effektive Strategien entwickeln zu können. Idealerweise hat der CFO folglich bereits in der relevanten oder einer angrenzenden Industrie gearbeitet. Auf der anderen Seite kann es jedoch auch hilfreich sein, wenn ein CFO Kenntnisse aus einer anderen Branche mitbringt.
  • Kommerzielles Denken: Ein CFO, der Märkte und Kunden versteht, ist eher in der Lage das Geschäft auch kommerziell und nicht nur technisch richtig zu steuern. Der CFO sollte idealerweise der Sparringspartner für den CEO sein und diesem bei allen strategischen Fragestellungen zur Seite stehen.
  • Analytische Fähigkeiten: Ein erfolgreicher CFO muss in der Lage sein, komplexe Daten und Zusammenhänge zu analysieren, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Dies beinhaltet auch das Verständnis für moderne Analysewerkzeuge und KI-gestützte Prognosemethoden, die im Working Capital Management zunehmend eingesetzt werden.
  • Flexibilität im Denken: CFOs müssen heute offen für Innovationen sein und neue Technologien und Prozesse im Bereich des Working Capital Managements identifizieren und implementieren. Dazu gehört beispielsweise auch die Evaluierung von FinTech-Lösungen, die dazu beitragen können, das Working Capital Management effizienter zu gestalten.
  • Kommunikations- und Führungsqualitäten: Da das Working Capital Management eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen erfordert, sind Kommunikations- und Führungsqualitäten für CFOs unerlässlich. Sie müssen in der Lage sein, die Bedeutung des Working Capital Managements im Unternehmen zu vermitteln und ein Team von Finanz- und Nicht-Finanzexperten effektiv zu führen.

Die Liste der Anforderungen ist folglich lang – und in den seltensten Fällen gibt es das definierte „Einhorn“, das die beschriebenen Kriterien alle erfüllt. CEO und andere Stakeholder müssen sich fragen, welche Kriterien wirklich wichtig sind und wo man Kompromisse eingehen kann. In Suchprozessen ist es hilfreich, das Einhorn zu definieren und dann die Kriterien in „must have“ und „nice to have“ zu unterteilen, um in einem umkämpften Markt für CFOs fündig zu werden.

Die Autorin:

Daniela Nienstedt ist Managing Director und Leiterin des Financial Services Sektors bei Russell Reynolds in Frankfurt. Funktional hat sie sich auf das Finanzressort spezialisiert.

 

 

 

 

Russell Reynolds Associates ist ein international führendes Beratungsunternehmen für Executive Search und Leadership Advisory. Rund 600 Berater unterstützen von weltweit 47 Standorten private und börsennotierte Unternehmen sowie gemeinnützige und staatliche Institutionen bei der Auswahl geeigneter Führungskräfte.