Strategische Transformationen nutzen die Chancen der Digitalisierung, um Prozesse effizienter zu gestalten, neue Wege der Kundeninteraktionen zu ermöglichen und innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln. Maersk, eine der weltweit größten Reedereien, will seine strategische Positionierung von einer globalen Reederei zu einem End-to-End Logistikdienstleister entwickeln, indem sie Daten und Informationen über die gesamte logistische Wertschöpfungskette hinweg integrieren. Maersk’s „Global Integrator Strategy“ zielt darauf ab, alle Logistikbereiche – See-, Land- und Luftfracht sowie Lagerhaltung, Terminals und Versandhäfen – zu einer nahtlosen, zuverlässigen Logistikinfrastruktur zu integrieren. Um den strategischen Wandel zu beschleunigen, setzt Maersk auf Akquisitionen.
Maersk realisiert ihre strategische Transformation über ein zielgerichtetes Akquisitionsprogramm, das den Erwerb von Fähigkeiten jenseits der Seeschifffahrt in den Fokus rückt. In den letzten fünf Jahren hat Maersk mehr als zehn Übernahmen getätigt. Diese Akquisitionen haben die Unternehmensgröße und das Handelsvolumen gesteigert – aber ihr wichtigster Werttreiber war die Integration neuer digitaler Fähigkeiten, die die Bausteine des neuen Betriebsmodells der Maersk bilden werden. Wie Vincent Clerc, CEO A.P. Moller – Maersk, in einem Vortrag hervorhob, haben sich digitale Lösungen von einem Kostenfaktor zu einem unverzichtbaren Business Enabler entwickelt. Sie sind daher ein fundamentaler Bestandteil für eine erfolgreiche Umsetzung von Maersk’s Integrator Strategy.
Unterstützung der Transformation durch Akquisitionen
Ähnliche Transformationsansätze sind auch in anderen Branchen zu beobachten. Ein prominentes Beispiel ist die Automobilindustrie. Mit der Digitalisierung stieg die Zahl der Übernahmen um 700 Prozent an. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, haben die Automobilhersteller schnell Kapazitäten für Infotainment, Navigation, Autonomie, Diagnose und eine Reihe weiterer neuer digitaler Dienste, insbesondere durch Akquisitionen, aufgebaut.
Forschungsergebnisse haben aufgezeigt, dass Unternehmen, die häufiger und erfolgreicher akquiriert haben, den Übergang zur Digitalisierung schneller vollzogen und neue digitale Geschäftsinnovationen schneller auf den Markt gebracht haben als ihre Wettbewerber. Heute sind digital ausgerichtete Akquisitionen ein bewährtes Mittel, um mit der digitalen Entwicklung und dem Wandel in der Automobilindustrie und in anderen dynamischen Branchen Schritt zu halten.
Bei Akquisitionen, die eine strategische Transformation zum Ziel haben, ist der Umgang mit der digitalen Technologie-Plattform entscheidend für den Erfolg der Transaktion, und zwar sowohl in Bezug auf die direkten Vorteile der Akquisition (kurzfristig) als auch auf die strategische Transformation des Käufers (langfristig).
Kurzfristige und langfristige Handhabung der erworbenen Technologie-Plattform
Das übernommene Unternehmen verfügt über einzigartige geschäftliche Kompetenzen, die eng mit digitalen Fähigkeiten verknüpft sind. Es muss also gleich zu Beginn des Projektes sichergestellt werden, dass diese Kompetenzen während der Transaktion unbedingt erhalten bleiben. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die geschäftlichen Kernkompetenzen, die den Kauf motiviert haben, beeinträchtigt werden. Damit eine Übernahme erfolgreich verläuft, müssen die digitalen Lösungen migriert, gewartet und erhalten werden, ohne den Fokus auf die strategische Transformation zu verlieren.
„Wir sehen die Technologie als ein Differenzierungsmerkmal für das,
was wir für unsere Kunden leisten können.“
Vincent Clerc
CEO A.P. Moller – Maersk
[Zitat übersetzt aus dem Englischen]
Ein gelungenes Beispiel ist die Akquisition von LFL Logistics im Jahr 2022 durch Maersk. Hier ging es nicht nur um die Übernahme der Mitarbeiter, der physischen Lager und der Kunden, sondern auch um den Zugang zu digitalen Fähigkeiten. Dabei war die Integration des Warehouse-Management-Systems von LF Logistics in das Maersk-System ein entscheidender Faktor.
Während das Alt-System weiterhin betrieben wurde, erfolgte die Rückwärtsintegration des WMS von LF Logistics, um den Kern der One Maersk WMS-Lösung aufzubauen und mit einem eigenen WMS wettbewerbsfähig zu sein.
Die Integration digitaler Fähigkeiten ist in erster Linie keine technische, sondern eine geschäftsstrategische Entscheidung. Die Entscheidung, welche technischen Fähigkeiten nicht mehr genutzt werden, eigenständig erhalten bleiben oder den neuen Standard bilden, wird für jede Fähigkeit auf der Grundlage ihres Beitrags zur Erfüllung des strategischen Zielbilds getroffen.
Betrachtet man das langfristige Zielbild, so verlaufen die meisten Integrationen im Rahmen von Akquisitionen aus operativer Sicht zunächst suboptimal. Käufer wie Maersk müssen in der Lage sein, die digitale Technologielandschaft des übernommenen Unternehmens zu managen. Oftmals sind hierzu andere Skills, Tools, Prozesse und die Zusammenarbeit mit anderen Partnern wie beispielsweise beim Outsourcing erforderlich. Nur so ist gewährleistet, dass der Wert des übernommenen Unternehmens mit seinen spezifischen Fähigkeiten erhalten bleibt.
Herausforderungen durch technische Schulden in Akquisitionen
Während einer Transaktion bleibt oft nicht genügend Zeit, um spezifische technische Fähigkeiten zu entflechten, zu modernisieren und an das Betriebsmodell des Käufers anzupassen. Auch wenn das fusionierte Unternehmen nach Abschluss der Übernahme funktionsfähig ist und die erwarteten Synergien erzielt werden, können unter der Oberfläche erhebliche technische Schulden bestehen.
Unternehmen, die nur sporadisch Akquisitionen tätigen, können ihre technischen Schulden im Laufe der Zeit schrittweise abbauen. Bei Unternehmen, die Akquisitionen gezielt zur strategischen Transformation einsetzen, können sich diese Schulden jedoch mit jeder Transaktion schnell anhäufen. Dies kann die operative Effizienz beeinträchtigen und die strategische Transformation gefährden.
Erfahrene Serienakquisiteure wissen daher, wie sie technische Schulden effektiv adressieren, geschäftliche und technische Kernkompetenzen identifizieren und Synergien nutzen können, um gleichzeitig technische Schulden abzubauen und sich auf zukünftige transformative Akquisitionen vorzubereiten.
Für diese Akquisiteure ist es entscheidend, die Kompetenz im Umgang mit technischen Schulden in der Praxis zu erlangen und daraus Best Practices zu entwickeln, um ihre strategische Transformation erfolgreich umzusetzen.
Die Autoren:
Stefan Henningsson ist Professor (MSO) an der Copenhagen Business School im Department of Digitalization. Seine Forschung konzentriert sich auf IT-Management, insbesondere in den Bereichen Mergers & Acquisitions (M&As), digitale Innovation und internationale Handelsprozesse.
Jakob Schuldt-Jensen ist Leiter für Cloud-M&A bei A.P. Moller – Maersk. In dieser Rolle verantwortet er die strategische Integration von Cloud-Technologien im Rahmen von Unternehmensübernahmen.