Wie der Maschinenbaukonzern GEA das Netto-Null-Ziel bei den Treibhausgasemissionen erreichen möchte, beschreibt im Interview Stefan Klebert, Vorsitzender des Vorstands der GEA Group. Einen zentralen Erfolgsfaktor sieht er hierfür in Partnerschaften mit Kunden: „Die größten Effizienzsteigerungen und Fortschritte im Bereich der Nachhaltigkeit gelingen dann, wenn wir unser systemisches Engineering-Know-how frühzeitig in den Planungsprozess einbringen können.
Herr Klebert, worauf kommt es Ihres Erachtens beim Thema Klimaschutz und Dekarbonisierung besonders an?
Auf unternehmerisches Handeln und technologische Innovationen. Nur damit wird sich die
Dekarbonisierung weltweit durchsetzen lassen. Grundlegende Transformationen waren in der Geschichte schon immer eine Chance und kreative Aufforderung für Unternehmen. Sie treiben den technischen Fortschritt voran und machen ihn wirtschaftlich auf breiter Basis nutzbar.
Hierbei spielen klimaschonende Technologien eine zentrale Rolle. Wir bei GEA verstehen unsere Ingenieurskompetenz als wesentlichen Beitrag zur Lösung der Klimakrise. Unser Ziel ist es, global wirksamen technologischen Fortschritt zu ermöglichen und gleichzeitig neue geschäftliche Chancen zu nutzen. Wir bringen diese Ambition in unserem Purpose „Engineering for a better world“ klar zum Ausdruck.
Welche Innovationen sind dabei besonders wichtig?
Entscheidend für Klimaschutz und Dekarbonisierung sind zum einen der entschlossene Ausbau erneuerbarer Energiequellen und zum anderen eine wesentlich höhere Effizienz in der Energienutzung. Und da die Nutzung fossiler Energien sicherlich nicht von heute auf morgen verschwinden wird, bedarf es auch der Weiterentwicklung von Innovationen im Bereich CO2-Abscheidung und Speicherung. Alles drei zusammengenommen: höhere Energieeffizienz, erneuerbare Energiequellen und Carbon Capture sind der Schlüssel für die Zukunft.
Bei allen drei Themen steht unsere Branche – der Maschinen- und Anlagenbau – im Mittelpunkt des Geschehens. Egal in welchen Bereichen es um neue Technologien geht, überall reden wir letztlich von Innovationen im Bereich des Maschinenbaus. Kluge Klimapolitik ist daher auch immer die Förderung des Maschinenbaus und seiner Innovationskraft.
Wo ist GEA aktuell mit konkreten Innovationsvorhaben aktiv?
GEA ist auf vielen Feldern aktiv, etwa im Bereich Carbon Capture. Ebenso bauen wir, was vielen vielleicht gar nicht bewusst ist, Wärmepumpen. Und zwar nicht für den Hausgebrauch, sondern für die Industrie und auch für Kommunen, die Fernwärmenetze betreiben.
Über unsere gesamte Produktpalette sind wir permanent dabei, die Energieeffizienz zu verbessern. Dabei geht es unter anderem darum, Steuerungen zu optimieren und Wärmerückgewinnung intelligent zu nutzen. Damit unsere Kunden fundierte Entscheidungen treffen können, haben wir ein neues TÜV-validiertes Label „Add Better“ entwickelt. Es kennzeichnet GEA-Lösungen, die nachweisbar deutliche Einsparungen bei Energie, Wasser, Treibhausgasemissionen oder Material ermöglichen.
Natürlich nutzen wir auch die neuesten digitalen Entwicklungen. Gerade die KI birgt für den Maschinenbau ganz neue Potenziale. Digitale KI-gestützte Lösungen helfen uns bereits heute dabei, die Produktion über den gesamten Lebenszyklus einer Maschine zu optimieren. So schonen wir Ressourcen, sparen Energie und verursachen geringere Emissionen.
Um Innovationen möglichst breiten Raum zu geben, veranstalten wir außerdem – angelehnt an das Hackathon-Prinzip – unsere GEA-„Sustainathons“: In mehrtägigen Workshops arbeiten funktionsübergreifende Teams an konkreten Innovationsthemen. Die besten Ideen werden weiterverfolgt. Auch das hilft uns, unseren Anspruch „Engineering for a better world“ ganz konkret zu realisieren.
Haben Sie sich bei GEA auch selbst konkrete Klimaziele gesetzt?
Das ist ein wichtiges Thema für uns. Daher haben wir uns bereits 2021 ehrgeizige Klimaziele gesetzt – und waren damit ein Vorreiter in unserer Branche. Wir wollen bis 2040 entlang unserer ganzen Wertschöpfungskette Netto-Null-Emissionen erreichen. Neu ist, dass wir unsere Ziele nun weiter verschärft haben. So streben wir jetzt an, die Treibhausgasemissionen aus eigenen Aktivitäten (Scope 1 und 2) bis 2026 um 60 Prozent und bis 2030 um 80 Prozent zu reduzieren. Zu den Maßnahmen gehören die Elektrifizierung unserer Standorte durch den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bis 2040 sowie die Umstellung der Stromversorgung auf regenerative Quellen. Bis 2030 möchten wir ein Viertel unseres Energiebedarfs selbst erzeugen. Die vollständige Elektrifizierung unserer Dienstfahrzeuge bis 2030 ist ein weiterer Schritt. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir hinsichtlich unserer Scope-1- und Scope-2-Werte im Jahr 2040 sagen können: „Ziel erreicht“.
Das Netto-Null-Ziel im Blick: Die Klimaziele der GEA Group. Quelle: GEA
Doch was ist mit ihrer Wertschöpfungskette? Wie halten Sie es mit mit den hier anfallenden Scope-3- Emissionen?
Hier liegt für GEA als Maschinenbauunternehmen tatsächlich die wichtigste Herausforderung bei der Erreichung unseres Netto-Null-Ziels. Nicht zuletzt deshalb, weil sie bei uns – wie bei den meisten Unternehmen – den Großteil der Treibhausgasemissionen ausmachen und nicht direkt beeinflussbar sind. Auch bei den Scope-3-Emissionen haben wir uns ganz konkrete und mittlerweile verschärfte Ziele gesetzt: Bis 2030 streben wir bereits eine Reduktion dieser Emissionen um 27,5 Prozent an.
Scope-3-Emissionen entstehen ja zum einen bei unseren Lieferanten. Aufgrund der oftmals langfristig angelegten Geschäftsbeziehung haben wir Möglichkeiten, hier Einfluss zu nehmen, um Optimierungen zu erreichen. Dazu stehen wir nicht nur im ständigen Dialog mit unseren Lieferanten, sondern haben – um unserer Klimastrategie Nachdruck zu verleihen – auch hohe Nachhaltigkeitsstandards im Einkauf verankert. Diese müssen unsere bevorzugten Lieferanten bis 2026 und unsere A-Lieferanten bis 2030 vollständig erfüllen, um nicht ausgelistet zu werden. Dies umfasst 80 Prozent unseres Einkaufsvolumens.
Noch schwieriger ist es mit den Scope-3-Emissionen natürlich, wenn es um die Nutzung unserer Produkte beim Kunden geht. Die Emissionen in dieser Nutzungsphase können wir vor allem dadurch beeinflussen, indem wir, wie bereits ausgeführt, alles tun, um unsere Produkte fortlaufend effizienter und nachhaltiger zu machen. Zum Beispiel mit unseren „Add Better“- Lösungen. Ein weiterer Schritt ist, dass wir neue Geschäftsmodelle in unser Portfolio integrieren, die sich noch stärker auf die Unterstützung und Beratung unserer Kunden bei der Dekarbonisierung konzentrieren.
Schließlich kommt es auch auf den landesweiten Energiemix an. Denn wir dürfen alle keinen Illusionen erliegen: Maschinen werden immer Energie benötigen, ob zur Wärmeerzeugung oder zum Antrieb. Je grüner die Energie, die auf Kundenseite zum Einsatz kommt, desto mehr lässt sich auch die Scope-3-Bilanz verbessern. Insofern ist ein weiterer entscheidender Hebel der weltweite Ausbau der erneuerbaren Energien zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten.
Wie bewerten Sie den Bedarf und die Bereitschaft Ihrer Kunden, sich nachhaltig zu transformieren?
Wir sehen hier enorm viel Bewegung. Sehr viele unserer Kunden sind führende Unternehmen der Ernährungs-, Getränke- und Pharmaindustrie. In diesen sehr energieintensiven Branchen ist der Bedarf für möglichst ressourceneffiziente und klimaschonende Technologien sehr hoch. Auch stellen wir fest, dass sich unsere Kunden zunehmend ambitionierte Klima- und Nachhaltigkeitsziele setzen. Das spornt uns an. Denn gerade ein Maschinenbauer wie GEA mit einem enorm breiten Portfolio ist hier in der Lage, technologische Antworten zu bieten.
Ein Beispiel: GEA stellt unter anderem Sprühtrockner her. Das sind sehr energieintensive Anlagen, mit denen sich beispielsweise Milchpulver aus Milch herstellen lässt. Mit unserer AddCool-Lösung können wir den Primärenergieverbrauch und die CO2-Bilanz von Sprühtrocknern um bis zu 50 Prozent verbessern. Dies gelingt uns, indem wir unsere Wärmepumpentechnologie in das Sprühtrocknungsverfahren integrieren.
Übrigens sind wir auch im Bereich New Food aktiv – so nennen wir den wachsenden Bereich der alternativen Proteine. Immer mehr große Nahrungsmittelhersteller sprechen mit uns, um Lösungen für deren Produktion zu entwickeln. So ungewöhnlich der Gedanke zunächst klingen mag: Maschinenbauer, die wie wir im Bereich der Lebensmittelindustrie aktiv sind, können perspektivisch entscheidend dazu bei tragen, den steigenden globalen Nahrungsmittelbedarf klimaschonender zu decken. Hierbei rücken zunehmend Alternativen zu herkömmlichen Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten in den Fokus, um das weltweite Ernährungssystem umwelt- und klimafreundlicher zu gestalten.
Können Sie uns schildern, wie eine ideale Partnerschaft zwischen GEA und seinen Kunden aussieht, um Klimaziele zu erreichen?
Heutige technische Lösungen bieten uns bereits enorm viele Möglichkeiten zur Dekarbonisierung. Heizen und Kühlen, als Beispiel, sind Kernprozesse, bei denen wir durch intelligente Planung und modernste Technologien erhebliche Energie- und Emissionseinsparungen erzielen können. Die vollständige Nutzung dieser Möglichkeiten gelingt uns am besten in einer engen Partnerschaft, in der wir unsere Ingenieurskompetenz optimal ausspielen können. Ein wesentliches Problem ist es, wenn Anlagen stückweise geplant und die einzelnen Prozesse isoliert voneinander verbessert werden, anstatt gezielt das große Ganze zu optimieren. Wir wissen aus Erfahrung, dass die größten Effizienzsteigerungen im Bereich der Nachhaltigkeit dann gelingen, wenn wir unser systemisches Engineering-Know-how frühzeitig in den Planungsprozess einbringen können. Letztendlich geht es darum, gemeinsam mit unseren Kunden einen ganzheitlichen und passgenauen Ansatz zu verfolgen, der sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile bietet.
Wie sehen Sie die Rolle und die Chancen einer Circular Economy für Ihre Branche und welche Bedeutung hat dieses Konzept für GEAs Dekarbonisierungsstrategie?
Die lange Haltbarkeit von Produkten und leichtes Recycling, das bereits in der Entwicklung unserer Maschinen und Anlagen mitgedacht wird, sind ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Um Schritte in Richtung Kreislaufwirtschaft zu gehen, verfolgen wir den sogenannten 5R-Ansatz, der auf den Prinzipien Reduce, Re-Use, Repair, Remanufacture und Recycle basiert. Perspektivisch zielen wir darauf ab, den gesamten Produktlebenszyklus nachhaltig zu gestalten. Und wir setzen auch darauf, dass unsere Maschinen und Anlagen nachrüstbar sind. Soll heißen: Auch über ihren Lebenszyklus hinweg können Komponenten eingebaut werden, die die Lebensdauer verlängern und zur Effizienzsteigerung beitragen.
Sie sprachen bereits Carbon Capture als eine der wichtigen Zieltechnologien in der Dekarbonisierung an. Wie beurteilen sie deren Zukunft?
Es gibt Branchen mit hohen Treibhausgasemissionen, die nur sehr schwer zu dekarbonisieren sind. Hier ist etwa die Zementindustrie zu nennen. Um auch diese Bereiche so klimaschonend wie möglich zu gestalten, braucht es neben allen anderen genannten technologischen Innovationen auch die Carbon Capture and Storage-Technologie (CCS). Auch wenn diese anspruchsvolle Technologie hierzulande allzu oft nur als Nischenlösung betrachtet wird, hat sie doch ein großes Potenzial, um das Erreichen der weltweiten Klimaziele zu unterstützen Leider haben wir hier in Deutschland schon vor Jahren die Weichen falsch gestellt, ganz im Gegensatz zu Norwegen zum Beispiel oder auch den USA. Das deutsche regulatorische Umfeld erschwert den Einsatz dieser Technik. Dies belegt einmal mehr, wie entscheidend es bei neuen Technologien ist, die richtige Balance zwischen staatlicher Aufsicht und unternehmerischen Freiräumen zu finden.
Was wäre denn ihr dringendster Wunsch an die Politik?
Mein größter Wunsch ist, dass die Erkenntnis wächst, dass wir ein anspruchsvolles Problem wie den Klimawandel nur effektiv bewältigen werden, wenn wir auf die Innovationskraft der Wirtschaft setzen. Technologische Innovationen tragen übrigens nicht nur zur Lösung globaler Herausforderungen bei, sondern können auch zu Exportschlagern werden, die unseren zukünftigen Wohlstand stärken. Die Politik sollte daher einen verlässlichen Rahmen schaffen, der die Entwicklung von besseren, effizienteren Technologien fördert und nicht einschränkt.
Im Interview:
Stefan Klebert ist seit Februar 2019 Vorsitzender des Vorstands der GEA Group. Zuvor leitete er acht Jahre lang als Vorstandsvorsitzender den Industriekonzern Schuler AG und bekleidete Führungspositionen in verschiedenen börsennotierten Unternehmen. Der gelernte Mechaniker studierte Maschinenbau an der Fachhochschule Esslingen und hat einen MBA-Abschluss von der britischen Brunel University, London, UK.