Fachkräftemangel, Verspätungen, Kundenzufriedenheit: Wie können Digitalisierung, Automatisierung und der gezielte Einsatz künstlicher Intelligenz dabei helfen, die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen? Wie der folgende Einblick in die digitale Transformation der Deutschen Bahn zeigt, gibt es hierfür zahlreiche Ansatzpunkte – von der Übernahme von Routineprozessen über die KI-gesteuerte Prozessoptimierung bis hin zur KI-Analyse der Social-Media-Kanäle.
Die Bahn ist gefragt wie nie: Die Fahrgastzahlen steigen, im Güterverkehr soll der Anteil der Schiene auf 25 Prozent des Modal Splits anwachsen. Jedoch: Die steigende Nachfrage trifft auf eine sanierungsbedürftige Infrastruktur und zunehmenden Fachkräftemangel. Die Deutsche Bahn (DB) macht sich deshalb mit kluger Digitalisierung und Automatisierung unterschiedlichster Prozesse in verschiedensten Geschäftsfeldern und Arbeitsbereichen zukunftsfest.
So helfen Maschinen und KI, mit der sinkenden Zahl verfügbarer Fachkräfte zurechtzukommen. Sie können beispielsweise zeitraubende Routinekontrollen, wie z.B. die manuelle Zustandsbefundung von Güterwagenplanen, übernehmen. Das entlastet Mitarbeitende, die sich wertschöpfenden, abwechslungsreicheren und attraktiveren Tätigkeiten zuwenden können. Datenanalysen helfen, die Qualität des Angebots der DB weiter zu erhöhen und Reisende und Unternehmen noch besser zu informieren.
Wie KI zu mehr Kundenzufriedenheit führt
Datenpower und KI ermöglichen hochkomplexe Echtzeit-Analysen
Mit ca. 4,65 Millionen Fahrgästen täglich ist DB Regio Marktführer im öffentlichen Personennahverkehr und spielt deshalb eine zentrale Rolle in der deutschen Mobilitätslandschaft. Das Netz von DB Regio bildet ein wichtiges Rückgrat für grüne Mobilität in Ballungsräumen, Großstädten und ländlichen Gebieten.
Der Gesamtbetrieb von DB Regio produziert jeden Tag Millionen von Datenpunkten, z.B. im Betrieb der Züge, bei der Instandhaltung und durch Rückmeldungen von Kunden. Das Unternehmen nutzt diese Daten, um seine Geschäftsprozesse und Kundenlösungen nachhaltig und effizient zu gestalten: In der cloudbasierten Daten-, Analytics- und Visualisierungsplattform „OneSource“ werden Informationen aus sämtlichen Geschäftsbereichen nach festgelegten Standards bereitgestellt, die Datenqualität der liefernden Systeme wird KI-gestützt überprüft.
Daten sind damit unternehmensweit transparent und in gleichmäßiger Qualität verfügbar für Analytics- und KI-Anwendungen. Für die fachliche Richtigkeit der Daten hat DB Regio zusätzlich ein Managementsystem für Daten implementiert: Die Data Governance stellt sicher, dass Menschen, Prozesse und Technologien im Einklang stehen, um den Wert der Daten effizient und nachhaltig zu maximieren.
„Kundenzufriedenheit, Kapazitätssteigerungen, KI-Analysen: Um diese Herausforderungen besser zu bewältigen, ist eine gesunde Datenbasis ein Must-have. Es braucht eine einheitliche Datenplattform, die erst mit einem umfassenden Qualitätssystem für Daten funktioniert. Und zwar im gesamten Unternehmen.“
Tanja Schlesinger
Besonders entscheidend ist für DB Regio die schnelle und sichere Verfügbarkeit der Daten, insbesondere für hochkomplexe Echtzeit-Analysen etwa zur Disposition von Zügen mit engen Taktungen und komplexen Strukturen. Eine datenbasierte Anwendung unterstützt die Planungsprozesse durch präzise Vorhersagen zu den Auswirkungen dispositiver Eingriffe und erlaubt KI-gesteuerte Optimierungen. Das vermeidet Wartezeiten und Stau auf stark befahrenen Strecken. Im letzten Jahr konnten dadurch bereits 58.000 Verspätungsminuten vermieden werden.
Innovatives Analysetool für optimale Reisendeninformation
Die Fahrgäste im Nahverkehr legen großen Wert darauf, stets aktuell über Pünktlichkeit, Verspätungen, Ausfälle und Reisealternativen informiert zu sein. Eine zeitgerechte und konsistente Reisendeninformation ist dabei entscheidend für hohe Kundenzufriedenheit.
Durch prozessuale Transparenz und umfassende Datenanalysen wird festgestellt, wo Informationslücken bestehen und qualitative Probleme in der Informationsweitergabe auftreten. Ziel ist zu verstehen, welche Informationsquellen – etwa die Smartphone-App „DB Navigator“ – die Fahrgäste an welcher Stelle ihrer Reisekette nutzen.
Ein multidimensionales Analysetool ermöglicht Einblicke in die Bewertung von Kriterien wie Rechtzeitigkeit, Vollständigkeit und Verlässlichkeit der zeitlichen Prognose durch Kunden. Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen Pendlern und Freizeitfahrern sowie zwischen S-Bahn- und Regionalverkehr werden ebenfalls beleuchtet. Durch kontinuierliche Verbesserungen in der Reisendeninformation wird die Attraktivität der Bahn gesteigert und die Kundenzufriedenheit erhöht.
Maßgeschneiderte Kundenkommunikation – auch in den Social-Media-Kanälen
Für optimale Nutzung von Daten und fundierte Entscheidungen visualisiert das Dashboard-Tool „Regiolytics“ umfangreiche Analysen von Social-Media-Kanälen; es ermöglicht ein digitales Bild der Kundenkommunikation und -interaktion. Regiolytics zeigt beispielsweise, dass KI-generierte Ausflugstipps signifikant bessere Ergebnisse erzielen, die Nutzerinteraktion verbessert sich deutlich: Die Absprungrate sinkt um 50 Prozent, die durchschnittliche Besuchszeit steigt um 50 Prozent, und die Nutzerbindung verdoppelt sich. Regiolytics hilft damit, datenbasierte Entscheidungen zu treffen und Inhalte effektiver an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen. So entstehen relevantere Inhalte für die Kunden und Ressourcen werden optimal genutzt.
Mit diesen Beispielen begegnet DB Regio dem Fachkräftemangel und stärkt den Nahverkehr als attraktives, umweltfreundliches und nachhaltiges Verkehrssystem. So nutzt auch DB Cargo erfolgreich Daten und KI für ihren Beitrag zur „starken Schiene“. Mit KI zu entscheidend mehr Effizienz und Transparenz Digitale Transformation in der Eisenbahnlogistik durch KI Als Anbieter für Schienengüterverkehr in 17 europäischen Ländern spielt DB Cargo eine entscheidende Rolle bei der Verkehrsverlagerung auf die Schiene.
Mit KI zu entscheidend mehr Effizienz und Transparenz
Digitale Transformation in der Eisenbahnlogistik durch KI
Als Anbieter für Schienengüterverkehr in 17 europäischen Ländern spielt DB Cargo eine entscheidende Rolle bei der Verkehrsverlagerung auf die Schiene. Schon heute entlastet die größte europäische Güterbahn die Straßen Europas um jährlich 30 Millionen LKw-Fahrten. Mit Hilfe von KI wird der Schienengüterverkehr effizienter und wettbewerbsfähiger. Wichtige Voraussetzungen, um mehr Verkehr von der Straße auf die umweltfreundliche Schiene zu verlagern.
Mit dem unternehmensweiten Einsatz von KI macht DB Cargo Angebote attraktiver für Kunden und beschleunigt den Transportweg der Güter – auch um die eigene Wirtschaftlichkeit zu steigern. Die Echtzeitanalyse großer Datenmengen mittels Machine-Learning-Methoden und KI-Algorithmen erfordert beträchtliche Rechenkapazitäten, die durch skalierbare Cloud-Infrastrukturen bereitgestellt werden. So können komplexe Algorithmen parallel verarbeitet und auf mehrere Rechner verteilt werden.
Wagen- und Auftragsverfolgung mit KI-gestützter Prognose
Im Projekt „Wagon Intelligence“ hat DB Cargo die gesamte Wagenflotte mit GPS-Geräten und -Sensoren ausgestattet. Die damit gewonnenen Positionsdaten werden mit bestehenden Systemen verknüpft, um Abfahrten und Ankünfte, Grenzübertritte oder die Position der Wagen automatisiert abbilden zu können.
Zusätzlich werden die so erzeugten Daten mit Kontextdaten – wie etwa Auftrags- und Infrastrukturdaten – verknüpft und sogenannte VABEs, „Value Added Business Events“, erzeugt. So kann beispielsweise überprüft werden, ob die Bewegung der Wagen zum Auftrag des Kunden passt, das heißt, ob der Wagen zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.
Die größten Vorteile sind die Geschwindigkeit der Informationsbereit-stellung und die umfassende Transparenz: Kunden der DB Cargo können in Echtzeit ihre Wagen in ganz Europa verfolgen. Zusammen mit der neu ausgerollten IT-Anwendung casa (customer service and sales application) ermöglicht DB Cargo maßgeschneiderte und einfach zugängliche Logistiklösungen: Kunden erhalten beispielsweise auf Basis der Echtzeitdaten KI-gestützte Prognosen zur Ankunftszeit ihrer Wagen. Das erhöht die Attraktivität der Serviceleistungen, sorgt für mehr Umsatz und steigert die Profitabilität.
Dank Künstlicher Intelligenz:
weniger Verspätungen, effizientere Instandhaltung und mehr Kundenservice
- KI-gesteuerte Prozessoptimierung: KI-Systeme erhöhen die Kapazität auf der Schiene, reduzieren Verspätungen und ersetzen fehlende Fachkräfte
- Qualitätsgesicherte Daten aus einer Hand: Die cloudbasierte Datenplattform „OneSource“ bildet die Grundlage für innovative kundenorientierte Lösungen.
- Visuelle KI der Flotten-Instandhaltung: Intelligente Qualitätssicherung, Kostenoptimierung und Vorhersage von Instandhaltungsmaßnahmen durch den Einsatz von KI-gestützter Kamerabefundung.
- Echtzeitanalysen im Güterverkehr: Kunden von DB Cargo können ihre Wagen live verfolgen und erhalten KI-gestützte Prognosen zur Ankunftszeit ihrer Lieferungen.
Intelligente Ablösung manueller Instandhaltungsvorgänge
Die Optimierung von Instandhaltungsvorgängen, einem zentralen Bereich von DB Cargo, steigert den produktiven Einsatz des Wagenparks. Für die Kunden verbessert sich dadurch die Qualität ihrer Transporte; es wächst die Bereitschaft, Gütertransporte von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Dabei hilft die Umstellung von manuellen zu automatisierten visuellen Inspektionen, den Fachkräftemangel zu bewältigen.
Mithilfe von KI-Methoden werden Schäden im Innen- und Außenbereich von Güterwagen schnell und effizient erkannt, sodass insbesondere kleinere Schäden zeitnah behoben werden können. Das reduziert Kosten durch schadhafte Wagen und verbessert die Qualität der Instandhaltung und Wartung.
Ein Fokus bei DB Cargo liegt auf der „Smart Predictive Maintenance“: Wagen sollen aus der Instandhaltung schneller wieder für den produktiven Einsatz bereitstehen. Zur Verkürzung des Befundungsprozesses wurden auf den Ablaufbergen an acht Rangierbahnhöfen insgesamt dreizehn Kamerabrücken platziert. Sie scannen täglich bis zu 10.000 Wagen auf Schäden und erstellen dabei bis zu 300.000 hochauflösende Bilder. Mit diesen umfangreichen Datensätzen wurde eine KI für die Erkennung spezifischer Schäden trainiert. Mehr als 70 Prozent dieser Schäden an den Wagen werden damit früher im Logistikprozess erkannt und die Analyseergebnisse Mitarbeitenden in den Instandhaltungswerken zur Verfügung gestellt. Die Instandhaltung wird passgenauer, Reparaturen können effizienter koordiniert werden.
Die KI erkennt mittlerweile automatisch auch Ladegutrückstände oder defekte Dachplanen. Dies entlastet die Mitarbeitenden und verringert die Inspektionszeit von mehreren Stunden auf wenige Minuten.
Gemeinsam mit der Stahlindustrie testet DB Cargo sogar die automatisierte Schrotterkennung. Die frühzeitige Erkennung vor Ankunft der Lieferung erleichtert den Kunden die Disposition der ankommenden Wagen zur Optimierung der Produktionsvorgänge.
Ein weiteres KI-Anwendungsgebiet bei DB Cargo ist die Analyse der Bremsscheibendicke. Sie hilft, Instandhaltungserfordernisse rechtzeitig zu erkennen und Instandhaltungsmaßnahmen vorausschauend durchzuführen. Das reduziert ungeplante Ausfälle von Güterwagen im Betrieb. Mit diesen und weiteren Entwicklungen unterstreicht DB Cargo das Zusammenspiel der digitalen Innovationen mit KI-Unterstützung – und erhöht die eigene Attraktivität im Vergleich zum LKW Transport.
Fazit
KI ist der Gamechanger bei zwei zentralen Anforderungen an die Bahn: Kundenzufriedenheit und effiziente Abläufe. Im gesamten Konzern zeigt sich bereits, wie effektiv diese Technologien sind. KI ist nun fester Bestandteil der langfristigen Unternehmensstrategie und wird kontinuierlich ausgebaut. Dadurch lassen sich nicht nur Kapazitäten steigern und Zugangebote optimieren, sondern auch die Kundenzufriedenheit verbessern und Verspätungen reduzieren. Dies stärkt die Bahn als attraktives, umweltfreundliches und nachhaltiges
Verkehrssystem, das einen wesentlichen Beitrag zur klimaneutralen Mobilität und zur erfolgreichen Verkehrswende in Deutschland leistet.
Die Autorinnen:
Arlene Bühler ist CIO und CDO der DB Cargo AG und treibt in dieser Funktion mit ihrem Team die Digitalisierung der größten europäischen Güterbahn voran. Zuvor arbeitete sie in verschiedenen IT-Funktionen bei Siemens und VW. Anfang 2020 wechselte sie als Leiterin IT Operational Excellence zur Deutschen Bahn und übernahm die neu geschaffene Gruppenfunktion „Group IT Portfolio & Performance Management“.
Tanja Schlesinger ist Leiterin OneSource und Data Officerin DB Regio AG. Mit ihrem Team hat sie die KI-gestützte Datenplattform OneSource aufgebaut und entwickelt nachhaltige, kundenzentrierte Analyticsanwendungen. Diese senken die Umweltbelastungen, schaffen Lösungen für den Fachkräftemangel, steigern die Kapazität auf der Schiene und damit die Attraktivität des ÖPNVs.
Kristina Sahling ist Data Analytics Managerin bei Accenture mit Spezialisierung auf der Umsetzung von Data Analytics Produkten mit Cloud-Technologien. Ihr fachlicher Schwerpunkt liegt auf der Unterstützung datengetriebener Entscheidungsprozesse und -verhalten. Dazu promoviert sie auch an der Humboldt-Universität zu Berlin.