Wie Roche die Nachhaltigkeit in der Biotechnologie vorantreibt

Die ambitionierten Nachhaltigkeitsziele von Roche verlangen, das Produktionsnetzwerk und die Lieferketten ganz bewusst so zu gestalten, dass die Auswirkungen auf die Umwelt minimiert werden. Modulare Fertigung, hochproduktive Zelllinien und Prozesse sowie der Einsatz von datenbasierten Analyse- und Prädiktionsverfahren in der Prozessentwicklung, aber auch bei der Prozess- und Anlagenüberwachung tragen wesentlich dazu bei.

Seit über 125 Jahren setzt sich Roche dafür ein, das Leben von Menschen zu verbessern. Unser Engagement geht dabei weit über die Entwicklung innovativer Diagnostika und Therapeutika hinaus. Das langfristige Denken der Gründerfamilien hat es ermöglicht, dieser Vision treu zu bleiben. Unser größter Beitrag für die Gesellschaft sind nachhaltige Innovationen. Aus diesem Grund ist Nachhaltigkeit Teil unserer Geschäftsstrategie und Teil der Arbeit aller bei Roche. Unser Ansatz integriert die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: Gesellschaft, Umwelt und Ökonomie.
Wir entwickeln Medikamente und Diagnostika, die den Patienten einen schnellen, breiten und nachhaltigen Zugang zu Gesundheitslösungen bieten und damit die Gesundheitsversorgung zum  Nutzen der Gesellschaft verändern. Mit Blick auf die Umwelt verpflichten wir uns, die Umweltauswirkungen unserer Betriebsabläufe und Produkte von 2019 bis 2029 zu halbieren. Durch Product Stewardship verringern wir kontinuierlich die Auswirkungen auf die Umwelt durch Betrachtung des gesamten Lebenszyklus unserer Produkte (einschließlich des Fußabdrucks von Zulieferern). In der Dimension „Ökonomie“ setzen wir auf Innovationen: Sie führen nicht nur zu besseren medizinischen Ergebnissen, sondern beeinflussen auch in hohem Maße Effizienz und Kosten der Gesundheitsversorgung.
Ein signifikanter Anteil unseres Produktportfolios beruht auf biotechnologischen Verfahren. Moderne Datenverarbeitung und technologische Fortschritte helfen, hier die Komplexität der Prozesse zu vereinfachen. Dadurch werden Ressourcen geschont, Abfälle vermieden und Emissionen reduziert. Wie das gelingt, zeigen die folgenden Beispiele.

Modulare Produktionsanlagen

Ein Lego-ähnlicher Aufbau, geringe Kosten für Anpassung, eine digitalisierte Fertigung inklusive Echtzeit-Analyseverfahren sowie ein geringerer ökologischer Fußabdruck (nachhaltige Energie, weniger Flächenverbrauch) – das sind die wesentlichen Elemente einer modularen Produktionsanlage. Großes Potenzial sehen wir in der modularen Fertigung, einer Art Cut-and- Paste-Konzept, das modular angewendet werden kann. Bei der modularen Fertigung geht es darum, eine vorgefertigte Produktionsanlage als Standard mehrfach duplizieren zu können – überall auf der Welt. Wichtige Grundpfeiler dieser Strategie sind global standardisiertes Equipment, abgestimmte Verfahrensschritte durch Anwendung von Plattformtechnologie, aber nicht zuletzt auch eine Kultur der Offenheit und Veränderungsbereitschaft. Dadurch benötigen wir deutlich weniger Zeit und Ressourcen und reduzieren somit auch Risiken für Produkt- und Technologietransfers.

Vorausschauende Anlagenwartung

Der Wechsel von reaktiver zu proaktiver Wartung und intelligenter Anlagennutzung, die Analyse von „Big Data“, um Geräteausfälle vorherzusagen, weniger Unterbrechungen, um mehr Lieferflexibilität zu erreichen: Das steht hinter dem Konzept der vorausschauenden Wartung.

“Nachhaltig zu sein und Vielfalt zu schätzen, darf kein nachträglicher
Gedanke sein. Sie müssen in unser Denken, Verhalten und Handeln eingebettet sein. Sie sind Teil unserer Geschäftsstrategie.“ 

Thomas Schinecker, CEO Roche

Es ermöglicht uns, mehr als 90 Prozent equiment-bedingte Fehlerereignisse vorherzusagen, 80 Prozent weniger Alarme zu generieren – und damit die Produktionsunterbrechungen deutlich zu reduzieren.

In-silico Tools in der Prozessentwicklung

Durch den Einsatz von in-silico-Algorithmen (z.B. künstliche Intelligenz, mechanistische und datengetriebene Modellierung, „Digital Twins“) können große Datenmengen prozessiert und in Beziehung gebracht werden, um neue Erkenntnisse zur Wirksamkeit, Entwickelbarkeit und letztlich Herstellung von therapeutischen Wirkstoffen zu gewinnen. Grundlegende Effekte werden so sehr viel leichter über verschiedene Produkte/Projekte hinweg analysiert und generiertes Know-how wird so auf neue Entwicklungen übertragen, sogenanntes a priori Wissen. Das spart erheblich experimentelle Ressourcen und beschleunigt den Entwicklungsprozess insgesamt.

Potente Herstellverfahren (High producer and Intensified production)

Neue Therapieformen verlangen zunehmend komplexere Molekülformate (z.B. bispezifische Antikörper), was die Anforderungen an die biologischen Expressionssysteme (z. B. Zellkulturen) deutlich steigert. Die daraus resultierende Prozessintensivierung erfordert die Fähigkeit zur Synthese komplexer Molekül-Formate mit hoher Stabilität von Produktionszelllinien und gesteigerten Expressionsraten (z.B. durch „targeted integration“), die gleichzeitig maximale Raum-Zeit-Ausbeuten in kleineren Produktionsanlagen ermöglichen. Ziel ist es, Prozesszyklen zu verkürzen sowie Ressourcen und Anlagenfläche auf nachhaltige Weise zu reduzieren. Konkret heißt das: fünf- bis zehnfach höhere Titer in der biotechnologischen Herstellung, Verwendung von chemisch definierten Kulturmedien anstatt komplexen Einsatzstoffen, nachhaltig erzeugte und recyclebare Verbrauchsmaterialien, breit abgesicherte Lieferketten und zudem Prozessüberwachung mittels fortschrittlicher Analysetechnologien wie z. B. Echtzeit-Freigabetestung (Real-Time-Release).

Neue Analysemethoden und Echtzeit-Freigabe (Real-Time-Release)

Ziel dieses Ansatzes ist es, unsere Produkte unmittelbar nach der Herstellung freizugeben. Um dies zu erreichen, wenden wir eine Kombination aus fortschrittlichen Prozesskontrollen (IPK) und schnellen und effizienten Hochdurchsatztechnologien in der Qualitätskontrolle (QC) an. Der Effekt: Reduzierung der analytischen Durchlaufzeit um mehr als 50 Prozent, ein right-everytime Anspruch an die eingesetzten Methoden, die Anzahl der ungeplanten Ereignisse (UPEs) um 50 Prozent verringern und höhere Maßstäbe bei der Beurteilung der Qualität unserer Produkte.
Fazit: Die Herstellverfahren der nächsten Generation überzeugen durch gesteigerte Produktivität, Robustheit und Nachhaltigkeit, was sich letztlich in der Einsparung von Produktionskosten mit einem gesamtgesellschaftlichen Nutzen, in geringeren Behandlungskosten und so auch in besserer Zugänglichkeit widerspiegelt.

Die Autoren:
Dr. Marco Jenzsch ist Leiter der Entwicklungseinheit für biotechnologische Wirkstoffe (Biologics) innerhalb der Roche Pharma für Europa. Er arbeitet seit 2006 bei Roche am Standort Penzberg, wo er u.a. als Abteilungsleiter der therapeutischen Wirkstoffproduktion und später als Leiter der biotechnologische Einsatzstoffproduktion für invitro-diagnostische Tests tätig war.

 

 

Daniele Iacovelli ist Teil des Executive Teams bei Roche Pharma PT und leitet weltweit das Thema Digital Strategy, Data Analytics und Operational Excellence. Zuvor war er Partner bei McKinsey & Company, wo er 11 Jahre lang große Strategie- und Transformationsprogramme bei Unternehmen der Biopharma- und MedTech-Industrie im Bereich Digital/ Industrie 4.0 leitete.