SuedLink: Infrastruktur für die Energiewende und Wirtschaft

Ein Wirtschaftsstandort ist nur so stark wie seine Infrastruktur. Und das meint vor allem: wie seine Netze für Verkehr, Kommunikation und Energie. Hier brauchen wir eine schnellere und pragmatischere Umsetzung von Großprojekten, die für den Industriestandort Deutschland und seine Zukunft entscheidend sind. So wie Sued-Link – die zentrale Achse für eine zukünftig sichere und bezahlbare Versorgung mit grünem Strom.

SuedLink ist das größte Infrastrukturvorhaben der deutschen Energiewende: eine Gleichstromverbindung, die auf einer Länge von 700 Kilometern Windstrom von der norddeutschen Küste in den Süden Deutschlands transportiert – dorthin, wo große konventionelle Kraftwerke abgeschaltet werden und Industriestandorte angesiedelt sind. Mit einer Kapazität von vier Gigawatt kann SuedLink 10 Millionen Haushalte mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgen. Das ist Infrastruktur, die wir für die Energiewende brauchen. Und zwar dringend, wenn die Versorgung sicher und die Preise bezahlbar bleiben sollen.
SuedLink sorgt zudem für die nötige Flexibilität im Stromnetz. Denn die Gleichstromverbindung kann nicht nur Windkraft von Nord nach Süd liefern, sondern ebenso Solarstrom von Süd nach Nord, wenn mal der Wind an der Küste nicht weht, aber im Süden die Sonne scheint. Und falls weder Wind noch Sonne liefern? Dann bietet die Verbindung zusammen mit NordLink, der durch die Nordsee verläuft, Zugriff auf Wasserkraft aus Norwegen. So verknüpft SuedLink Wind-, Sonnen- und Wasserkraft und bietet flexible Kapazitäten – innerhalb Europas – je nach Bedarf.
Technisch gesehen besteht SuedLink aus zwei 525-kV-Gleichstromsystemen, die als Erdkabel von Brunsbüttel in Schleswig-Holstein nach Großgartach/Leingarten in Baden-Württemberg und von Wilster in Schleswig-Holstein nach Bergrheinfeld in Bayern führen. Um Auswirkungen auf Mensch und Natur zu minimieren, nutzen beide Verbindungen größtenteils eine gebündelte „Stammstrecke“. Zuständig für Planung und Bau sind die beiden Übertragungsnetzbetreiber, in deren Netzgebiet SuedLink liegt. Das ist im nördlichen Teil und für die Konverter in Schleswig-Holstein und  Bayern die Tennet TSO GmbH, eine Tochter des niederländischen Netzbetreibers TenneT. Für die südlichen Abschnitte und den Konverter in Baden-Württemberg ist die TransnetBW GmbH verantwortlich. Aktuell befindet sich SuedLink in der Planfeststellung, also der letzten Stufe des behördlichen Genehmigungsverfahrens, das die Bundesnetzagentur durchführt.

Viele Fragen und Vorbehalte vor Ort

SuedLink wird eine der größten linienhaften Baustellen Europas. Nicht nur die Kapazität der Windstromleitung ist immens, sondern ebenso das Investment und die Teams, die dafür nötig sind. TenneT und TransnetBW investieren gemeinsam rund 10 Milliarden Euro. Inklusive der direkten Partnerunternehmen sind heute schon rund 700 Personen bei den beiden Bauherren für diese Hauptschlagader der Energiewende im Einsatz. Hinzu kommen hunderte externe Mitarbeitende, die für die regionale Planung, für Umweltgutachten, Kartierung und Kampfmittelräumung sowie die Koordination der archäologischen Arbeiten zuständig sind oder die als Vertragspartner die Kabel und Konverter liefern und später den Tiefbau vor Ort umsetzen. Die europäischen wie auch regionalen Beschäftigungseffekte solcher Vorhaben sind
enorm.
Jedes große Infrastrukturvorhaben greift in die Umwelt der Menschen ein. Auch SuedLink. Da die Leitung, wie von der Öffentlichkeit gewünscht und gesetzlich vorgeschrieben, als Erdkabel verlegt wird, betrifft das Vorhaben ein besonders kostbares, sensibles Gut: den Boden. In Deutschland gibt es wenig freien, ungenutzten und unbebauten Raum. Somit stößt das Vorhaben vor Ort auf teils erhebliche Sorgen und Kritik. Da hilft es wenig, darauf hinzuweisen, dass der Bau durch den Bundesgesetzgeber beschlossen wurde. Die Anliegen und Fragen der Menschen vor Ort müssen ernst genommen werden.
Um hier die bestmögliche Lösung zu finden, haben TenneT und TransnetBW intensiv mit den betroffenen Kommunen in den Regionen wie auch der Land- und Forstwirtschaft den Dialog gesucht und realisierbare Kompromisse erarbeitet. So haben die beiden Vorhabenträger seit Herbst 2016 über 600 Dialogveranstaltungen entlang des geplanten SuedLink-Verlaufs durchgeführt und fast 20.000 Hinweise zur Planung aufgenommen, bearbeitet und individuell beantwortet. Mit Bodenschutzkonzepten und bodenkundlicher Baubegleitung wird dem Schutz des Bodens erhebliche Aufmerksamkeit gewidmet.

SuedLink besteht aus zwei Gleichstromsystemen, die größtenteils auf einer gemeinsamen
Stammstrecke von Schleswig-Holstein nach Baden-Württemberg und Bayern führen.

Großvorhaben wie SuedLink entscheiden über die Zukunft der deutschen Wirtschaft

Die Bundesregierung will einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien. Bis 2030 sollen allein 30 Gigawatt Offshore-Windkraft ins deutsche Netz integriert werden. Dieses Ziel ist wichtig! Die aktuelle Gaskrise macht schmerzlich klar, wie dringend eine unabhängige und nachhaltige Energieversorgung für Deutschland und innerhalb Europas ist. Wir müssen uns von unzuverlässigen fossilen Energiequellen unabhängig machen. Und wir wollen bis 2045 klimaneutral werden. Den Weg dorthin müssen wir so gestalten, dass der Standort Deutschland weiter attraktiv bleibt und keine großen wirtschaftlichen Verwerfungen entstehen. Das zu schaffen ist möglich – aber nur mit Investitionen in die nötige Infrastruktur. Dafür ist Sued-Link ein hervorragendes Beispiel. Wenn es uns in Deutschland nicht gelingt, solche zentralen Vorhaben zügig und verlässlich umzusetzen, sind die Folgen für Industrie und private Haushalte fatal.
Industrie braucht Energie. Und daher folgt Industrie der Energie. Das galt nicht nur früher für Stahlkonzerne, die sich bei den Kohlebergwerken ansiedelten. Das gilt ebenso in Zeiten von Industrie 4.0 und erneuerbaren Energien. Anders ausgedrückt: Ohne Infrastrukturen wie SuedLink und die anderen Netzausbauprojekte, die bezahlbaren grünen Strom transportieren, scheitert die Energiewende und verliert der Standort Deutschland in seinen industriestärksten Regionen im Westen und Süden an Wettbewerbsfähigkeit.
Aktuell ist das Übertragungsnetz nicht ausreichend auf die weiter wachsenden Mengen Wind- und Solarstrom ausgelegt. Deswegen müssen regelmäßig große Windenergieanlagen an der Küste abgeschaltet und Gas- oder Kohlekraftwerke in Nähe der Verbrauchszentren hochgefahren werden. Das ist nicht nur ökologisch absurd, es kostet den Stromkunden viel Geld. Im Jahr 2021 waren das über zwei Milliarden Euro! Das Problem können wir nur lösen, indem wir ein leistungsstarkes Netz bauen, das den erneuerbaren und kostengünstigen Strom dorthin bringt, wo Menschen und Unternehmen ihn brauchen.
Wenn wir diese Infrastruktur nicht zeitnah schaffen, droht dem Westen und Süden Deutschlands schlimmstenfalls ein riesiger ökonomischer Schaden. Dann wird Deutschland erneut geteilt. Dieses Mal nicht in Ost und West durch eine Mauer, sondern in Nord und Süd durch eine Preis-Schere. Denn die EU droht, Deutschland in zwei Zonen für den Strompreis aufzuteilen. Warum? Weil durch den Umbau der Energieproduktion in Richtung Erneuerbare ein immenses Gefälle entsteht. An den Küsten der Nord- und Ostsee wird, gerade an windreichen Tagen, viel Strom zur Verfügung stehen. Allein im Süden Deutschlands dagegen gehen im Rahmen der Energiewende rund sieben GW an Kohle- und Kernkraftwerken bis 2030 vom Netz. Der dortige Solar- und Windstrom kompensiert das nicht. Das heißt: Dort kann Energie knapp und teuer werden. Bisher werden die Stromentgelte zwischen Nord- und Süddeutschland ausgeglichen. Die EU und andere europäische Staaten betrachten dies als Bevorteilung im europäischen Wettbewerb. Dieses Ungleichgewicht lässt sich nur durch physikalische Energietransporte lösen – ob es nun verschiedene Preiszonen in Deutschland geben sollte oder nicht.
Für die Wirtschaft im Süden und Westen Deutschlands sind große „Stromautobahnen“ also von entscheidender Bedeutung – und es hängt viel davon ab, ob die leistungsstarken Leitungen rechtzeitig kommen. SuedLink ist hier eine zentrale Achse zur wirtschaftlichen Entwicklung: Sie ermöglicht nicht nur Wertschöpfung und Industrieansiedlung dort, wo die erneuerbare Energie im Norden produziert wird, sondern versorgt gleichzeitig die bestehende Industrie in Bayern und Baden-Württemberg mit grünem Strom.
Der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat ganz Europa vor Augen geführt, wie sehr uns der Einsatz von Erdgas und Öl in Deutschland abhängig macht. Wir müssen unsere Energiesouveränität  zurückgewinnen. Die Bundesregierung hat grünen Strom als „Freiheitsenergie“ bezeichnet. Wenn das so ist, dann ist SuedLink das „Freiheitskabel“. Ein Kabel, das wir besser heute als morgen brauchen.

Mehr Pragmatismus in der Umsetzung

Wir müssen Energiewende und Energieunabhängigkeit entschlossen vorantreiben. Dafür braucht es beherzte Investitionen – und auch eine pragmatische Umsetzung.
Die Bundesregierung hat in ihrem „Osterpaket“ Rahmenbedingungen für eine schnellere Realisierung von neuen Netzausbaumaßnahmen formuliert und weitere Beschleunigungsmaßnahmen in Aussicht gestellt. Das „Osterpaket“ wird für das weit vorangeschrittene Genehmigungsverfahren von SuedLink nur noch begrenzt helfen. Welche Beschleunigungen durch das „Herbstpaket“ erreicht werden können, bleibt abzuwarten.
Über den gesetzlichen Rahmen hinaus brauchen wir aber auch eine Kooperationskultur und die Akzeptanz demokratischer Entscheidungen, um wichtige Großprojekte in Deutschland erfolgreich umzusetzen. Hier sind alle Beteiligten in der Pflicht: die Netzbetreiber, die zuständigen Behörden und lokale Politik, Zivilgesellschaft und Umweltverbände wie auch diejenigen, die betroffene Grundstücke besitzen oder bewirtschaften. Gemeinsam müssen wir einen mutigen und das meint vor allem pragmatischen Weg finden, damit die Genehmigungsverfahren sich nicht bürokratisch verzetteln.
Es ist wichtig, die Belange der lokalen Gemeinden und den Schutz von Tierarten und Umwelt umfassend zu berücksichtigen. Die informellen und formellen Beteiligungsverfahren und die intensiven Umweltprüfungen großer Bauprojekte dienen genau hierzu. Es muss hier aber ausreichend Raum für Pragmatismus geben. Ebenso müssen lokale Politik, Behörden und Gesellschaft die wirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz zentraler Infrastrukturen mitbeachten und in Widerspruch stehende Interessen ausbalancieren. Das verlangt das Mittragen politischer Entscheidungen, die nicht jede individuelle Betroffenheit vermeiden können. Das verlangt deshalb Kompromisse. Das verlangt für eine rasche Umsetzung Pragmatismus.
Der Ausbau der Netze, ob nun für Kommunikation, Strom oder zukünftig auch Wasserstoff, ist für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland entscheidend. Die Genehmigungsverfahren hierfür müssen effizienter und schneller werden. Wir müssen als Land zeigen, dass wir Megaprojekte wie SuedLink erfolgreich umsetzen können – dass wir für uns, für Europa und unsere Freiheit vitale Infrastruktur zügig schaffen.
TenneT und TransnetBW beweisen hier den nötigen Mut, indem sie schon vor der Baugenehmigung Kabel- und Konverterverträge am Markt vergeben haben. Denn weiter zu warten hieße, wertvolle Zeit zu verlieren. Nur so erreichen wir das gemeinsame Ziel und können durch SuedLink ab 2028 grünen Strom in die Verbrauchszentren im Süden transportieren. So bringen wir den Umbau der Energielandschaft entscheidend voran. Und so helfen wir, den Erfolg von Deutschland als Wirtschaftsstandort zu sichern.

Die Autoren:
Dr. Stefan Mirschel ist Project Director SuedLink bei TenneT. Zuvor war in leitenden Positionen für die kaufmännische Steuerung und Integration aller deutschen Off- und Onshore-Projekte bei TenneT  zuständig und Geschäftsführer von NordLink.

 

 

Michael Gutzeit ist seit 2019 Gesamtprojektleiter für SuedLink bei TransnetBW. Er hat zuvor bereits in leitenden Positionen große Infrastrukturprojekte on- und offshore verantwortet, z.B. bei NKT Cables und Bilfinger SE.