Das Open Source Program Office als Strategievorteil
Sebastian Wolf

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SAP und Open Source – diese Kombination mag zunächst überraschen. Viele sehen in dem deutschen Software-Riesen eher einen traditionellen Software-Anbieter als einen Vorreiter im Bereich Open Source. Doch dieser Eindruck täuscht: SAP begreift Open Source seit vielen Jahren als strategisches Thema und betreibt seit 2018 ein eigenes Open Source Program Office (OSPO). Der folgende Bericht zeigt, wie ein OSPO erfolgreich implementiert werden kann und welchen konkreten Wertbeitrag es leisten kann.

Die Bedeutung von Open Source für SAP

SAPs Engagement im Bereich Open Source reicht weit zurück: Bereits 1998 wurde unser Hauptprodukt SAP R/3 auf Linux portiert. Seitdem hat SAP ihren Open-Source-Fußabdruck stetig vergrößert. Open Source ist im Unternehmen unverzichtbar, denn heute nutzen fast alle SAP-Produkte Open- Source-Software oder hängen davon ab. Weiterhin entwickeln wir selbst Hunderte eigener Open- Source-Projekte, darunter prominente Beispiele wie SapMachine (eine OpenJDK-Distribution) oder OpenUI5 (ein JavaScript-UI-Framework).

Sowohl die Nutzung als auch die aktive Beteiligung an Open-Source-Projekten folgen dabei klaren unternehmerischen Zielen: Durch die Nutzung von Open Source Software (OSS) können wir die Entwicklungskosten deutlich senken und unsere Entwicklungsgeschwindigkeit erhöhen. Wir nutzen eigene Beiträge beispielsweise dazu, unsere Plattform und Anwendungen für Kunden- und Partnerentwicklungen leichter zugänglich zu machen. Der Nutzen ist messbar: Im Rahmen der Corona-Warn-App ergab eine Befragung einen Return on Investment von 200 Prozent – bestätigt durch eine Untersuchung der Weltbank.1)

Gleichzeitig bringt der Einsatz von Open Source auch einige Herausforderungen mit sich. Hierzu zählen vor allem die rechtlichen Rahmenbedingungen, etwa im Bereich Lizenz-Compliance, aber auch die Sicherheit sowie verschiedene operative Aspekte wie Mitarbeitertrainings oder die Gestaltung unternehmensinterner Open-Source-Prozesse.

Das OSPO als zentrale Stabsstelle für Open Source

Bis 2018 wurden Open-Source-Themen bei SAP dezentral in verschiedenen Abteilungen betreut, was schwierig zu koordinieren war. Mit der Gründung des Open Source Program Office2) als Stabsstelle beim Chief Technology Officer (CTO) bündelte SAP alle Aktivitäten in einer zentralen Einheit.

Zentrale Aufgaben des SAP Open Source Program Office (OSPO):

  • Entwicklung und Durchsetzung unternehmensweiter Open-Source-Richtlinien
  • Koordination aller Open-Source-Aktivitäten zwischen Geschäftsbereichen
  • Aufbau und Vermittlung von Expertise sowie Best Practices
  • Sicherstellung von Lizenz-Compliance und Risikomanagement
  • Förderung einer offenen, kollaborativen Unternehmenskultur

Ergebnis: Transparenz, Sicherheit undInnovationskraft im Umgang mit Open Source.

Erfolge des OSPO bei SAP

Die Investition in ein zentrales OSPO hat sich vielfach bewährt. Drei Beispiele verdeutlichen den konkreten Wertbeitrag:

  1. Unternehmensweite Open Source Policy und Training
    In Zusammenarbeit mit weiteren Abteilungen entwickelte das OSPO eine einheitliche Open-Source-Policy, die unternehmensweit gültige Standards und Verfahren definierte. Begleitet wurde diese durch ein virtuelles Trainingsprogramm, das für alle Entwicklungsrollen verpflichtend ist. Dadurch konnte nicht nur die Rechtssicherheit erhöht, entsprechende Risiken beim Einsatz von Open Source minimiert und auch das Open-Source-Bewusstsein im Unternehmen geschärft werden.
  2. Corona Warn App-Projekt
    Im Jahr 2020 wurde SAP gemeinsam mit der Deutschen Telekom beauftragt, die Corona Warn App vollständig als Open-Source-Lösung zu entwickeln. Dank der etablierten Strukturen des OSPO konnten alle erforderlichen Teilprojekte innerhalb kürzester Zeit aufgesetzt und die entsprechenden Richtlinien umgesetzt werden. Dies war ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche und transparente Umsetzung.
  3. IPCEI-CIS und NeoNephos-Foundation
    Im Rahmen des EU-Projekts IPCEI-CIS3) zur Schaffung einer Sovereign Cloud-Infrastruktur koordinierte das OSPO  nicht nur die Veröffentlichung verschiedener Komponenten als Open Source, sondern trieb auch die Gründung der NeoNephos-Foundation4)
    unter dem Dach der Linux Foundation Europe voran. Unser OSPO konnte so über Unternehmensgrenzen hinweg strategische Partnerschaften fördern und zur Gestaltung technologischer Standards beitragen.

Open Source bei SAP – Take-Aways auf einen Blick

 

  • Offenheit steigert Innovation, Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit.
  • Das OSPO bündelt Richtlinien, Wissen und Verantwortung.
  • Klare Governance beschleunigt Entwicklungsprozesse.
  • Zusammenarbeit mit der Community erhöht Qualität und Geschwindigkeit.
  • Kulturwandel und Trainings sichern nachhaltige Open-Source-Kompetenz.

Erfolgsfaktoren für OSPOs

Die Erfahrungen bei SAP zeigen: Ein OSPO trägt nur dann zum Unternehmenserfolg bei, wenn es fest in der Unternehmensstrategie verankert ist und mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet ist. Kritische Aufgaben wie das Erstellen und Umsetzen von Richtlinien, das Lizenzmanagement und die Betreuung der Community sollten von einem zentral verantwortlichen Team übernommen werden. Wenn diese Funktionen auf verschiedene Bereiche verteilt sind, entstehen unnötige Risiken und Ineffizienzen.

Ein OSPO sollte sich stets als Service-Abteilung verstehen, welche die Entwicklungsteams unterstützt. Richtlinien, Werkzeuge und Prozesse sollten immer auf ein Minimum reduziert und regelmäßig auf ihre Notwendigkeit und Zielorientierung hin überprüft werden. Nur so wird das OSPO als vertrauenswürdiger Ansprechpartner wahrgenommen.

Der Austausch mit Open-Source-Verantwortlichen anderer Unternehmen ist elementar wichtig, sei es zum Erfahrungsaustausch oder um sich gegenseitig zu unterstützen. Open-Source-Experten verschiedener Unternehmen organisieren und vernetzen sich in der TODO Group5) oder der OSPO Alliance. Ihre Ressourcen und Hilfestellungen6)können bei der Gründung eines eigenen OSPO unterstützen.

Fazit

Das Beispiel SAP zeigt: Ein OSPO ist weit mehr als eine organisatorische Einheit – es ist ein strategischer Enabler für Innovation, Zusammenarbeit und digitale Souveränität. Unternehmen, die Open Source gezielt steuern, schaffen nicht nur mehr Transparenz und Sicherheit, sondern stärken auch ihre technologische Unabhängigkeit und
Innovationskraft.

Quellenangaben:
1) Leveraging Open Source as a Public Institution – New analysis reveals significant returns on investment in open source technologies
2) SAP Open Source
3) Cloud – Competition Policy – European Commission
4) NeoNephos Foundation
5) TODO Group // Talk openly, develop openly
6) How to create an open source program office | TODO Group // Talk openly, develop openly