Warum sich auch Softwareanbieter vor der Transformation fürchten

Lag der Fokus der Digitalisierung in den Life Sciences vor allem auf der Optimierung bestehender Prozesse, wird durch die Transformation des Marktes in Zukunft der Fokus auf der Neuentwicklung digitaler Prozesse und Angebote liegen. Das Kooperationsmodell mit der Softwarebranche wird sich im Zuge dessen von Grund auf von einem reinen Lieferantenverhältnis hin zu kollaborativen Innovationspartnerschaften wandeln.

Warum sollte ein Softwareanbieter, auf den 27 der weltweit 30 größten Life Sciences Unternehmen setzen, Angst vor der Digitalen Transformation dieser Branche haben? Der Fokus bei der Digitalisierung liegt heute stark auf der Optimierung bestehender Abläufe – doch das wird in Zukunft nicht mehr genügen.

Bislang im Blick: Operational Excellence und  Kostenreduktion

Die großen Softwarehäuser sind über die letzten 30 Jahre sehr gut darin geworden, industriell fertigende Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Prozesse schlanker und effizienter zu gestalten: Sie helfen dabei, Designphasen von Medizinprodukten zu verkürzen, indem sie Werkzeuge zur kollaborativen Modellierung und Echtzeitsimulation von 3D-Designs zur Verfügung stellen.

Entlang des Design-Control-Prozesses werden Hersteller bei der Verwaltung produkt-, qualitäts- und zulassungsrelevanter Daten, Informationen und Dokumente durch Produkt-Lebenszyklus-Management-Systeme (PLM-Systeme) unterstützt. Die Zulassung von Produkten kann durch eine zentrale Datenhaltung beschleunigt und automatisiert werden. Im Falle eines Audits können außerdem lückenlose Nachweise über die Entstehung und Entwicklung von Medizinprodukten geliefert werden.

Nicht zuletzt unterstützen Softwareanbieter mit ausgefeilten Lösungen bei der Steuerung und Automatisierung der Wertschöpfungskette von der Eingangslogistik bis zur Qualitätskontrolle: Produktdaten aus der Entwicklung werden auf einer konsistenten Datenbasis der Produktion zur Verfügung gestellt, wo Maschinen Informationen über den aktuellen Produktionsstand in Warenwirtschaftssysteme zurückspielen und dadurch eine integrierte Produktionssteuerung ermöglichen.

Alle diese Systeme, wurden in der letzten Epoche der Computerisierung in hoher Detailtiefe auf ihren jeweiligen Zweck hin entwickelt. Das Resultat ist häufig eine heterogene Landschaft an Expertenanwendungen, die sehr spezifisch einzelne Probleme lösen, hohe Einstiegshürden für neue Nutzer und eine geringe Offenheit für Integrationen aufweisen.

Personalisierte Medizin erfordert ein Digital-First Mindset

Während Life Sciences Unternehmen und ihre Softwarelieferanten in der Vergangenheit Operational Excellence und Kostenreduktion in den Mittelpunkt ihrer IT-Strategie stellten, stehen in Zukunft vor allem der Patientennutzen im Mittelpunkt der digitalen Strategie.

Um personalisierte Medizin und die damit einhergehenden Versprechen wie die Heilung von Krebs oder sogar seltenen Krankheiten umsetzen zu können, muss die Wirkstoffherstellung auf völlig neuen Prozessen und Technologien aufgebaut werden. Die Skalierung modularer Herstellungsverfahren mit einer Losgröße 1 erfordert eine komplett neue Daten- und Informationsstruktur.

Ähnlich wird die personalisierte Herstellung von Implantaten, Prothesen und Orthesen erst durch den Einsatz digitaler Technologien ermöglicht: Produktgeometrien werden von künstlicher Intelligenz entsprechend der individuellen Patientenanforderungen gestaltet und im 3D-Druckverfahren hergestellt werden.

Die Idee der vollkommenen Automatisierung wird vor dem Hintergrund der personalisierten Medizin weniger wichtig. Denn wo individuelle Probleme behandelt werden, gewinnen Kreativität und Problemlösungsfähigkeit menschlicher Mitarbeiter an Bedeutung. Allerdings werden heute noch komplexe, repetitive Arbeitsgänge zunehmend digital unterstützt und automatisiert. Computer Vision und künstliche Intelligenz können beispielsweise bei Qualitätskontrollen das zweite Augenpaar ersetzen. Augmented Reality kann wiederum bei der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften und der Abnahme von Arbeitsgängen unterstützten.

Die Umsetzung solcher digital-nativer Prozesse und Verfahren verändert grundlegend die Kollaboration zwischen Life Sciences Unternehmen und Softwarepartnern: Lag in der Vergangenheit eine klar abgesteckte Optimierungsaufgabe vor, die durch den Software-Provider umzusetzen war, wird zunehmend kollaborativ an der Umsetzung neuer Technologien gearbeitet. Dabei ist es die Aufgabe der Softwareanbieter, den eigenen Innovationsprozess mit dem der Life Sciences Unternehmen zu verweben, um rechtzeitig die digitale Komponente zur medizinischen Innovation bereitstellen zu können.

Entwicklung hin zum Konsumgütermarkt

Am Ende wird vor allem ein steigendes Bewusstsein für die persönliche Gesundheitsprävention den Gesundheitsmarkt dahingehend prägen, dass Life Science Unternehmen zunehmend mit anspruchsvollen Konsumenten interagieren müssen – Konsumenten die von Google, Apple, Facebook und Amazon eine hohe Innovationsgeschwindigkeit gewohnt sind und diese auch im Gesundheitsmarkt fördern und belohnen werden.

Um sich in einem solchen Markt behaupten zu können, müssen Life Sciences Unternehmen ihr Portfolio entsprechend um hochinnovative und ansprechende digitale Kombinationsprodukte erweitern. Das Internet of Medical Things (IoMT) mit der sensorischen Erfassung von Vitaldaten über Wearables wird hier im Zentrum zusammen mit künstlicher Intelligenz stehen.

Diese Transformation wird am weitesten in die Kernprozesse und Kernangebote der etablierten Player eingreifen und komplett neue Anforderungen an die bestehenden Software-Lieferanten stellen. So müssen die strategischen Partner der Life Sciences Branche in Zukunft auch die Fähigkeit mitbringen, Teile des Kernangebots durch stabile, sichere und skalierbare Komponenten zu unterstützen.

Essentiell werden bei der Wegbereitung dieser Technologien eine agile Herangehensweise und eine offene Systemarchitektur sein, die eine strukturelle Wandlungsfähigkeit und die flexible Integration von Expertensystemen erlaubt.

Die Aufgabe der Life Sciences Industrie wird es sein, ihre bestehenden Lösungen und Partner neu zu bewerten und ein fähiges Partner-Ökosystem zu schaffen. Damit können sie auch sicherstellen, dass ihnen bei der Transformation der eigenen Kernkompetenzen die richtigen Partner zur Seite stehen.

Der Autor:  Markus Meier verantwortet seit 2017 als  Market Director Lifesciences bei ptc die Geschäfte in Medizintechnik und Pharmazie.

 

 

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