Schluss mit Pflastern! Digitale Transformation benötigt ein holistisches Vakzin

Seit den Geschehnissen der letzten Monate bezweifelt keiner mehr die Notwendigkeit von digitaler Transformation, um nachhaltig erfolgreich zu bleiben. RPA, Process Mining und maßgeschneiderte Low-Code-Applikationen gehörten zu Standardmitteln der Prozessinnovation. Wie Pflaster wurden diese Lösungen punktuell am Rand der Kernprozesse aufgetragen, um Effizienz und Flexibilität zu gewinnen. Aber reicht es aus, seine Widerstandskraft gegenüber digitaler Disruption und externen Krisen langfristig zu sichern?

Die digitale Transformation galt für die meisten Unternehmen schon lange als unverzichtbares Element, um langfristig erfolgreich zu sein. Allerdings wurden Transformationsprojekte aufgrund ihrer Komplexität im Rahmen von mittelfristigen Unternehmenszielen über die Zeit hinweg eingeplant oder erreichten bis heute nicht die richtige Tiefe.

Die Dringlichkeit von Innovationen

In Pandemiezeiten befinden sich viele Unternehmen nun regelrecht mitten in der Zukunft wieder und müssen drastisch im Bereich der Digitalisierung aufholen. Innovationen werden also wichtiger denn je. Entscheidend allerdings ist die tiefe Integration der Innovation im Herzen des Unternehmens. Wenn der Wandel langfristig gelingen soll, müssen zunächst die Kernprozesse schneller, besser und smarter werden.

Der ganzheitliche Ansatz von Prozesstransformationen

Für eine erfolgreiche digitale Transformation müssen Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, kontinuierlich Prozessinnovation in das Geschäftsmodell entlang von vernetzten Systemen und Daten einzuspeisen. Intelligente und holistische Lösungen können dabei helfen, genau dieses Problem zu lösen, indem sie schnelle und tiefgründige Analysen der gegenwärtigen Prozesse generieren und potenzielle Prozessoptimierungen automatisch oder semi-automatisch in den Geschäftskontext zurückführen.

In der Welt der Prozesse galten Process Mining, RPA und Workflow bisher als die stärksten Werkzeuge. Nun gilt es aber die Brücke zwischen diesen Komponenten zu schlagen und weitreichend in den betrieblichen Ablauf und in die System-Daten-Landschaft zu integrieren, um nachhaltig Geschwindigkeit zu gewinnen. Das bedeutet, eine nachvollziehbare Verbindung zwischen Analyse-, Optimierungs- und Verbesserungslösungen erweitert durch die nachweisbare Wirksamkeitsmessung zu schaffen. Doch auch damit ist das Problem noch nicht behoben. Digitale Transformationen sind keine reinen IT-Projekte, es sind Einschnitte in die Denk- und Handlungsweise eines Unternehmens. Daher müssen Prozessoptimierungen oder Verbesserungen kontinuierlich überwacht und bei allen Prozessbeteiligten eingeführt und gelebt werden. Letztlich geht es darum, intelligentes, datengestütztes und toolbasiertes Prozessmanagement als Disziplin im Unternehmen zu etablieren.

Die wichtigsten Komponenten von Prozesstransformation – „Analyse“ als erste Kategorie

Am Anfang einer jeden Prozesstransformation stehen Analysen und Einblicke in die gegenwärtigen Prozesse. Dabei helfen vordefinierte Prozess-Kennzahlen und -abläufe, um den Fokus der Analyse möglichst schnell und kosteneffizient zu bestimmen. Mit Process Mining können dann die identifizierten Prozesse auf einer tieferen Ebene analysiert und ausgewertet werden. Dadurch zeigt sich ein immer genauer werdendes Bild der Prozessrealität – wie Prozesse laufen und wo genau Optimierungs- oder Verbesserungsbedarf im Detail besteht.

Die Analyse durch eine Process-MiningLösung ist sehr tiefgründig und gleichzeitig auch zeitintensiv. Diese Erkenntnisse liefern einem Unternehmen erst dann einen Mehrwert, wenn sinnvolle Maßnahmen aus ihnen abgeleitet werden. Die Handlungsempfehlungen sollten zeigen, wie sich beispielsweise der Cashflow des Unternehmens erhöht, wenn die Durchlaufzeit von Bestellaufträgen verringert werden kann.

Hier ein Beispiel dazu: Ein Unternehmen stellt ein Problem bei der Forderungslaufzeit fest. Diese Kennzahl wächst immer weiter, obwohl die Zahlungszeit nicht verändert wird. Der Prozess wird hier also nicht richtig ausgeführt. Bei der Analyse wird dann klar, dass diese Prozesse von den diversen Service centern, die das Unternehmen rund um die Welt betreibt, anders ausführt werden. Es stellt sich heraus, dass die jeweiligen Bestellformulare, die der Kunde für die Zuordnung benötigt, nicht mit den Rechnungen mitgeschickt werden – da die Bestellformulare hier manuell herausgesucht werden müssen.

Lange Zeit wurden Analyse und Umsetzung von Handlungsempfehlungen unabhängig voneinander angegangen. Unternehmen haben für die Aufdeckung von Schwachstellen in ihren Prozessen mit einem Anbieter zusammengearbeitet und für die Lösung des Problems einen anderen Anbieter aufsuchen müssen. Mit der Verbindung von Einblicken und Lösung können Unternehmen an Effizienz und Geschwindigkeit gewinnen.

Auch hierzu ein Beispiel: Mithilfe von Process Mining haben wir die Möglichkeit, die Prozess-Realität besser zu verstehen und manuelle Blockaden zu erkennen. In Verbindung mit prozessbezogenem Task Mining, wie User Behaviour Mining, können wir die Interaktionen zwischen Anwendern und der Anwendungsoberfläche verfolgen und die manuellen Brüche im Prozess besser identifizieren und beschreiben.

Die tiefen Einblicke helfen uns dann, schnell und gezielt Automatisierungslösungen zu entwickeln und im Prozessverlauf an richtiger Stelle einzulasten.

  • Simulation: Nachdem Prozesse mithilfe von Process Mining nun verständlich dargestellt werden können, lassen sich Lösungsoptionen auf Basis der Handlungsempfehlung identifizieren. Wie wirkt sich diese Option auf die Geschäftszahlen aus? Mithilfe von Design und Simulationen von Prozessen lassen sich “Digital Process Twins” aufbauen, die Unternehmen helfen, bessere Prozesslandschaften aufzubauen, zu testen und zu operationalisieren. Sie können beispielsweise feststellen, wie eine Automatisierung zur Leistung eines Prozesses beiträgt.
  • Verbesserung: Die Optimierungs- oder Verbesserungslösungen variieren von Fall zu Fall. So können Prozessschwachstellen mit einer Neumodellierung oder Neuimplementierung der Prozesse gelöst werden. Oder Unternehmen führen neue Lösungen ein. Lösungen, wie zum Beispiel Robotic Process Automation (RPA) existieren zwar bereits seit ein paar Jahren, jedoch wurden diese ohne datengesteuerte Problemanalysen eingesetzt. Auf diese Weise war es sehr schwer für Unternehmen, die Prozessbereiche für eine Automatisierung zu definieren. Mit der Verknüpfung zur Analyse lassen sich genau solche Bereiche anhand eines datengesteuerten Ansatzes bestimmen. Automatisierungen dieser Art gehören nun auch nicht mehr zwingend zu den großen IT-Projekten, sondern können idealerweise von einem „Citizen Developer“, also einem End User oder besser einem Business User ohne ein ITStudium umgesetzt werden. Dies wird durch sogenannte Low-Code/No-Code Extensions und Applikationen ermöglicht, die die Handhabung von Werkzeugen wie RPA und Workflows vereinfachen. Die Analysen und Simulationsfunktionen können dann auch deutlich machen, wie die Einführung von neuen Lösungen wie zum Beispiel S/4HANA Prozessverbesserungen herbeiführen. Es können hier genaue Bereiche identifiziert werden, wie beispielsweise im Debitorenmanagement, bei denen die bisher repetitiven manuellen Schritte bereits automatisiert und intelligent laufen.
  • Ausrollen und Überwachung: Eine wichtige Komponente, die für den Erfolg der Transformation im Unternehmen eine zentrale Rolle spielt, aber von den heutigen Analyse- und „Improvement”Anbietern häufig vernachlässigt wird, ist die tatsächliche Einführung der Prozessveränderungen beim Endanwender. Dies stellt einen wesentlichen Teil einer Prozesstransformation dar. Unternehmen müssen sicherstellen, dass jeder Endanwender die Prozessveränderungen versteht und möglichst schnell in seinen Alltag integrieren kann.

Der Autor: Rouven Morato ist seit 2005 bei der SAP SE und leitet als General Manager den strategischen Geschäftsbereich Business Process Intelligence (BPI) im Unternehmen. Der Diplom-Kaufmann war zuvor als Chief Data & Analytics Officer für das Datenmanagement der SAP und die Umsetzung der Datenstrategie zuständig. Morato fungierte auch mehrere Jahre als CFO für die SAP-Landesgesellschaft Deutschland und für die SAP-Region Mittel- und Osteuropa.

 

 

 

Warum SAP auf Prozessintelligenz setzt

Interview mit Rouven Morato, Leiter des neuen Geschäftsbereichs Business Process Intelligence (BPI) bei SAP.

Warum fokussiert sich die SAP nun auf Prozesse?

Geschäftsprozesse sind für die SAP als Thema nichts Neues. Seit fast 50 Jahren lautet unser Grundprinzip, Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Geschäftsprozesse zu automatisieren, besser und intelligenter zu machen. Letztlich sind die Applikationen, die SAP erfolgreich machen, dazu da, Prozesse so effizient wie möglich abzubilden. Gerade das letzte Jahr hat gezeigt, wie schnell sich Marktbedingungen verändern können. Unternehmen können auf Herausforderungen nur reagieren, wenn ihre Prozesse agil und flexibel sind. Um unseren Kunden nun auch besser dabei helfen zu können, aus ihrer aktuellen Prozessrealität heraus in die notwendige Transformation hin zu mehr Resilienz, Agilität und Effizienz einzusteigen, haben wir BPI als wichtiges Element unserer Strategie hinzugefügt. BPI ist das Versprechen in Richtung unserer Kunden, sie auf dem Weg Gesamttransformation nun auch auf der Prozessseite zu unterstützen.

Warum hat sich die SAP für die Übernahme von Signavio entschieden?

Die Digitalisierung rückt die Geschäftsprozesse immer mehr in den Fokus und wir wollen Kunden dabei helfen, ihre Unternehmen schnellstmöglich als „Intelligent Enterprise“ ins digitale Zeitalter zu führen. Dafür muss man Prozesstransformationen holistisch angehen. Beim Betrachten unserer eigenen Process Intelligence Lösungen und denen von Signavio war sofort klar, dass sich unsere Produkte perfekt ergänzen und wir zusammen unseren Kunden das holistischste Prozess-Transformation Portfolio anbieten können, das bei der Modellierung startet, über die Echtzeitprozessanalyse über Systemgrenzen hinweg zu der nahtlosen Prozessverbesserung. All das unter kontinuierlicher Überwachung der Prozessverbesserung im gesamten Unternehmen.

Die SAP bietet über 3.000 Benchmarking-Daten von Kunden aus verschiedenen Industrien, Größen und Geografien an. Wir kennen unsere den Prozess betreibenden Applikationen aus dem Effeff und sind damit in der Lage, direkt auf der Applikation Prozessdaten, -KPIs und -flüsse abzuleiten. Darüber hinaus können wir anhand von User Behavior Mining das Verhalten der End User in den Prozessbezug setzen und erweitern dadurch die Erkenntnisse über Prozessschwachstellen, die wir dann durch eine enge Verknüpfung zu Prozessverbesserungen wie zum Beispiel der SAP Robotic Process Automation Lösung verbessern.

Diese hauseigenen Fähigkeiten erweitern wir nun mit den am Process Intelligence Markt als führend eingestuften Lösungen von Signavio rund um Prozessmodellierung und Prozessmanagement, Process Mining und Kollaborationstools, um Prozessmanagement im Unternehmen auf breite Beine zu stellen. Signavio kommt mit einem systemagnostischen Ansatz und erlaubt uns somit, sowohl SAP als auch Non-SAP-Systeme zu analysieren, was natürlich für eine End-to-End-Betrachtung von Prozessen enorm wichtig ist.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Kombination der beiden Lösungs-Portfolios sicherlich einzigartig ist und sehr viel Wert bei unseren Kunden generieren wird in Form von effizienteren, smarteren und agileren Prozessen.