Nachhaltige und effiziente Absicherung der Produktprofitabilität

Zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit verfolgen nahezu alle Unternehmen Initiativen zur Erhöhung der Produktprofitabilität. Der wesentliche Hebel hierfür ist die Optimierung der Produktkosten. Viele dieser Aktivitäten bleiben weit hinter den gesetzten Erwartungen zurück. Ein ganzheitlicher Ansatz mit Fokus auf monetäre und nicht-monetäre Zielgrößen ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg.

Unser Produkt ist zu teuer – wir müssen da was machen! Diese Aussage kennt wohl jeder, und die vermeintliche Lösung liegt oft in der Nutzung der klassischen Einkaufshebel:
Nachverhandlung mit dem aktuellen und/oder Wechsel zu einem neuen Anbieter. In manchen Fällen wird zusätzlich das eigene Produkt betrachtet; in Workshops werden dann Ideen für alternative technische Lösungen generiert. Im Nachhinein betrachtet stellt man oftmals leider fest, dass die erwarteten Einsparungen aus technischen Änderungen nicht realisiert werden und die vermeintlich günstigen neuen Lieferanten die versprochene Qualität und auch den ursprünglichen Preis nicht halten können. Die notwendige Optimierung der Profitabilität von Produkten erfordert weit mehr als die reine Verfolgung operativer Maßnahmen zur Senkung der Materialkosten. Nachhaltigen Erfolg verspricht ein umfassender und ganzheitlicher Ansatz, der die Optimierung von Produkten in die Unternehmensprozesse einbettet und dabei monetäre und nicht-monetäre Zielgrößen berücksichtigt: das Product Value Management (PVM). Dieser Ansatz wirkt in fünf Dimensionen, die alle gleichberechtigt berücksichtigt werden müssen:

  • Strategie und Kultur,
  • Prozesse,
  • Methoden und Tools,
  • Organisation und Strukturen sowie
  • Ressourcen und Qualifikation.

Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung

Gerade in von der Ingenieurkultur geprägten Unternehmen ist der Wunsch, ein Produkt wettbewerbsfähiger zu machen, oftmals gleichzusetzen mit dem Wunsch, die spezifischen Leistungsmerkmale des Produktes zu optimieren. Die Verbesserung der Profitabilität über die Senkung der Kosten wird dagegen häufig als Angriff auf die angestammten Werte des Unternehmens verstanden. Hier ist eine klare Vorgabe durch die Unternehmensführung erforderlich. Die Güte eines Produktes muss als Leistungsfähigkeit pro Euro verstanden werden – es darf nicht gelten, dass die neue Produktgeneration immer mehr Funktionen haben muss als der Vorgänger. Gleichzeitig ist es erforderlich, dass sich eine solche Kultur des Kostenbewusstseins in der Unternehmensstrategie widerspiegelt. Wenn ausschließlich Technologieführerschaft kommuniziert wird, dann ist es nicht verwunderlich, dass vermeintlich gegenläufige Aktivitäten zu einer offenen oder versteckten Ablehnung von werthaltigen Ansätzen zur Kostenoptimierung.

PVM ist Teil des Produktentwicklungsprozesses

Die Optimierung von Produktkosten kann nur effizient erfolgen, wenn dies begleitend zur Entwicklung erfolgt. PVM darf also kein gesonderter Prozess sein, sondern sollte in den Produktentwicklungsprozess integriert werden. Besonders effektiv ist die Anwendung , wenn viele Freiheitsgrade vorhanden sind – also bereits während der Spezifikation eines Produktes.
Kostenoptimierung in der frühen Phase erfordert, entwicklungsbegleitend Transparenz zu
Materialkosten sowie zu anderen relevanten Zielgrößen im Blick zu haben. Vor allem aber ist es wichtig, diese Informationen auch dem Entwickler zur Verfügung zu stellen – nur so können Entscheidungen kostenbewusst getroffen werden.

Die Anwendung von spezifischen Methoden und Tools muss im Entwicklungsprozess verankert werden. Gleichzeitig ist es erforderlich, die Erreichung der gesetzten Ziele stringent zu verfolgen und nachzuhalten – als Teil von Management Reviews und Quality Gates.

Welche Werkzeuge sind die richtigen für mich?

Einige dieser Methoden zur Optimierung der Produktkosten sind allgemein bekannt, z. B. das Value Engineering und die Zielkostenkalkulation – und werden trotzdem nur selten oder falsch angewandt. Andere Vorgehensweisen sind nur Experten geläufig – beispielweise die Optimierung von Produktanforderungen auf Basis der Auswertung von Social Media Daten, die systemübergreifende Optimierung von Produkten entlang von Wirkketten oder aber methodische Ansätze zur systematischen Lösungsfindung wie TRIZ.  Auch die Optimierung des Produktwertes über den Ansatz der Kernkosten ist nur in wenigen Unternehmen etabliert. Generell lassen sich die im Rahmen von PVM eingesetzten Werkzeuge wie folgt einteilen:
Methoden zur Transparenzerzeugung, Methoden zur technischen Optimierung und Methoden zur kommerziellen Optimierung. Diese werden flankiert von Projektmethoden sowie spezifischen und motivierenden Workshopformaten. Jedes Unternehmen sollte aus diesen Kategorien eine begrenzte Anzahl an Werkzeugen identifizieren, die am besten zum Produkt und zur Unternehmenskultur passen und so den größten Effekt versprechen. Diese Methoden gilt es dann individuell an das jeweilige Unternehmen anzupassen.

Unterstützt wird PVM in immer stärkerem Maße durch spezielle IT-Tools. Diese werden genutzt bei der Erstellung von Zielkostenmodellen, zur Verwaltung und Nachverfolgung von Optimierungsideen oder zur Dokumentation von internen und externen Best Practices und Benchmarks.

Und wer macht es?

In vielen Unternehmen liegt die Verantwortung zur Optimierung der Produktkosten bei den
jeweiligen Mitarbeitern der Fachabteilungen Entwicklung und Einkauf. Viel effektiver ist jedoch
der Aufbau eines spezialisierten Bereichs, der als intern agierender Berater die jeweiligen
Fachabteilungen unterstützt und dabei sowohl das Methoden- als auch das Fachwissen zu alternativen Technologien und Best Practices einbringt. Verstärkt werden sollte dieses Team durch externe Know-How-Träger, die bei speziellen Fragestellungen und neuen Technologien die notwendigen Impulse setzen können.

Gleichzeitig ist es von großer Bedeutung, das Wissen von etablierten, aber auch von neuen
Lieferanten zu nutzen, denn diese kennen spezifische Probleme und mögliche Lösungsansätze in der Regel am besten. Wichtig hierbei ist die frühzeitige Einbindung während der Produktspezifikation – nur so kann das Wissen der Lieferanten voll zum Tragen kommen. Gemeinsam sollten alle verfügbaren Freiheitsgrade sowohl im zu optimierenden Produkt, als auch in den zugehörigen direkten und indirekten Prozessen betrachtet werden. Hierzu bieten sich drei Leitfragen an:

  • Wo machen wir als Kunde den Lieferanten das Leben schwer – sei es mit unseren Produktanforderungen oder mit unseren Abläufen?
  • Welche alternativen und/oder neuen technischen Lösungen gibt es?
  • Was fordert der Markt, und wo fordern wir Lösungen, die sich davon abheben?

Der Schlüssel zum Erfolg liegt hier in einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit aller Parteien. Der monetäre Nutzen muss am Ende auch für den Lieferanten erkennbar sein – sei es in Form von fair aufgeteilten Einsparungen, einer garantierten Marge oder – für neue Lieferanten – durch die Möglichkeit, weitere Kunden zu gewinnen und neue Marktsegmente zu erschließen.

Auszug aus der Product Value Management (PVM)-Toolbox: Es existiert eine Vielzahl von PVM-Methoden, die sich in drei Gruppen unterteilen lassen und die durch Projekt-Methoden unterstützt.

Kosten sind nicht alles

Auch wenn in den meisten Fällen die Optimierung der direkten Materialkosten das erklärte Ziel
ist, so sollten auch weitere Kostenarten in Form einer Total-Cost-of-Ownership-Betrachtung
berücksichtigt werden. Hierzu zählen u. a. Entwicklungskosten und sonstige interne und externe
Einmalkosten für Werkzeuge und Produktionsanlagen. Aber auch nicht unmittelbar monetäre Zielgrößen gewinnen immer mehr an Bedeutung und sollten im Rahmen einer ganzheitlichen Produktoptimierung betrachtet werden, beispielsweise das Gewicht. In letzter Zeit gewinnt auch der CO2-Fußabdruck eines Produktes an Bedeutung. Dessen Optimierung kann ebenfalls mit dem PVM-Ansatz erreicht werden.

Die unterschiedlichen Zielgrößen sind oftmals gegenläufig, daher ist es notwendig, eine Vergleichbarkeit herzustellen, i. d. R. durch eine Umrechnung in monetäre Äquivalente je einzelnem Produkt. So kann ein Gesamtoptimum unter Berücksichtigung aller Zielgrößen erreicht werden.

Ein kleiner Schritt für den Mitarbeiter, aber ein großer Schritt für das Unternehmen

Die Implementierung des umfassenden PVM-Ansatzes erfordert Zeit und Geduld und ist
zunächst mit zusätzlichem Aufwand verbunden – allerdings ist der Weg schon zum großen Teil das Ziel. Als Schlüssel zum Erfolg hat sich ein Vorgehen in mehreren Stufen bewährt:

  • Bestandsaufnahme und Bewertung der Ist-Situation im Hinblick auf die oben genannten fünf Dimensionen
  • Entwicklung eines individuell auf das Unternehmen zugeschnittenen Zielbildes (denn nicht jedes Unternehmen muss in jeder Dimension führend sein) und einer dorthin führenden Roadmap über ein bis drei Jahre
  • Proof-of-Concept mit Hilfe der Umsetzung ausgewählter Leuchtturm-Projekte
  • schrittweiser Aufbau der erforderlichen Kompetenzen, Abläufe und Strukturen getreu dem Motto „See one, Do one, Lead one“

Die in Leuchtturm-Projekte eingebundenen Mitarbeiter agieren als Botschafter für den neuen Ansatz und bilden zugleich die Kernmannschaft, die das gewonnene Wissen in der Organisation verbreitet. Genauso wichtig ist aber auch eine Kampagne, in der das Thema durch das Top-
Management beworben und vor allem vorgelebt wird.

Der Autor:
Dr. Sascha Schuth ist Partner bei der TARGUS Management Consulting AG und besitzt mehr als 21 Jahre Erfahrung in der Top Management Beratung. Er unterstützt Klienten u.a. bei der profitabilitätsorientierten Optimierung von Produkten und Prozessen. Vor TARGUS war Dr. Schuth als Geschäftsführer bei Strategy&, Booz & Company sowie 3C / Management Engineers tätig.

Die TARGUS Management Consulting AG gehört zu den renommiertesten Unternehmensberatungen für operative Leistungsfähigkeit in Deutschland, Klienten sind namhafte, international aufgestellte Großkonzerne sowie der größere Mittelstand. Das Unternehmen erhielt zum wiederholten Mal Auszeichnungen als Hidden Champion und bei Best of Consulting.